- Homecare Versorgung der Zukunft: „Es geht nur mit Homecare“ Panel auf dem Homecare-Management-Kongress 2025
Wie sieht das Versorgungssystem des Zukunft aus? Und welche Rolle spielen Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Versorger darin? Mit dieser Frage beschäftigte sich ein Panel des Homecare-Management-Kongresses. Wichtige Botschaft: Es sollte mehr um die Frage „Wer kann was?“ als um die Frage „Wer darf was?“ gehen. Es geht um Qualifikationen und Kompetenzen, nicht um Institutionen.
ArtikelBerlin, 25.09.2025
© BVMed-Akademie / Bild: Jens Ahner
Fünf Thesen für ein zukunftsfähiges Versorgungssystem stellte Kristine Lütke, Betreiberin einer Pflegeeinrichtung und ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete, vor. Erstens: Versorgungssicherheit hat Vorrang – dazu gehört, die Bedarfe der unterschiedlichen Menschen in Stadt und Land zu erkennen und eine mutige Ambulantisierung voranzutreiben. Zweitens: Kooperation und Rollenbilder neu denken – dazu gehören Kompetenzerweiterungen beispielsweise für Pflegekräfte sowie eine bessere Vernetzung, um eine bestmögliche flächendeckende Versorgung zusichern. Drittens: Durchgängige Digitalisierung und Automatisierung – dazu gehört laut Lütke ein regelhafter Einsatz von Telemonitoring, die Automatisierung von Unterstützungsprozessen oder KI- basierte Lösungen. Ziel muss sein, die individuelle Versorgungsqualität zu verbessern. Viertens: Prävention vor Kuration –Früherkennung sowie Verhältnis- und Verhaltensprävention müssen in den Fokus gesetzt werden. Dazu müsste der volkswirtschaftliche Nutzen von Prävention besser abgebildet werden: vom Kostenfaktor zur echten Zukunftschance. Fünftens: Zukunftsfeste Finanzierung – Tarife und Anreizsysteme müssen neu gestalten werden und durch kapitalgedeckte Instrumente ergänzt werden. „Lösungen sind möglich, aber nicht trivial. Es geht nur im Zusammenspiel aller Stakeholder“, so Lütke.
BMC-Geschäftsführerin Johanna Nüsken stellte zwei Impulse für den notwendigen strukturellen Wandel vor. Zum einen das Konzept des „Value-Based-Care“ in einer sektorenunabhängigen Versorgung. Damit soll der Nutzen vergütet werden, nicht der Aufwand. Ein solches System würde Patient:innen an die erste Stelle setzen, nicht die bisherigen Systemlogiken in den jeweiligen Sektoren. Zweiter Impuls ist das „Team Gesundheit“. Durch eine bessere Vernetzung wird gemeinsam im „Continuum of Care“ versorgt – nach dem Motto: „Wer vor Ort ist, der versorgt“. Nüskens Botschaft: „Es ist genug Geld im System, wir müssen es nur anders verteilen. Dafür brauchen wir Visionen über das kurzfristige Legislaturperioden-Denken hinaus.“ Es sollte mehr um die Frage „Wer kann was?“ gehen als um „Wer darf was?“, so die BMC-Expertin.
Gute Ansätze sieht Daniela Piossek von der Hartmann-Gruppe und Sprecherin des BVMed-Arbeitskreises Ambulante Versorgung im aktuell diskutierten Pflegebefugnis-Erweiterungsgesetz. Das Ziel von Gesundheitsministerin Warken sei richtig, die Kompetenzen von Pflegefachpersonen zu stärken. Im Fokus des Gesetzes zur Befugniserweiterung stehen die Versorgungsbereiche Diabetes, Wundversorgung, Stomaversorgung, Inkontinenz, Tracheostoma, Ernährung, Dekubitus oder Schmerz- und Infusionstherapie. „All diese Versorgungsbereiche zählen zu den klassischen Homecare-Versorgungen“, so Piossek. Der Schwachpunkt des Gesetzes: Vom Gesetz profitieren nur Patient:innen, die von Ärzt:innen oder einem Pflegedienst versorgt werden. Aber: „7 von 10 Patient:innen werden von ihren Angehörigen versorgt. Ohne Pflegedienst. Gleichwertig qualifizierte Pflegefachpersonen aus Homecare-Unternehmen sind bei der Befugniserweiterung nicht eingeschlossen“, kritisiert Piossek. Die Homecare-Pflegefachkräfte seien Spezialist.innen, Ansprechpartner:innen, Koordinator:innen und Therapiemanager:innen für die Patient:innen und die unterstützenden Angehörigen – zur Sicherung eines selbstbestimmten Lebens in der Häuslichkeit. Daniela Piossek: „Es ist traurig, dass Homecare nicht gesehen wird. Unsere Forderung lautet konkret: Gleichwertig qualifizierte Pflegefachkräfte aus Homecare-Unternehmen müssen im Rahmen ihrer Tätigkeit auch heilkundliche Tätigkeiten gemäß § 15a Absatz 1 Nummer 1 und 3 SGB V erbringen dürfen! Es geht nur mit Homecare.“
Norbert Bertram, Geschäftsführer des Homecare-Verbandes VVHC, verwies darauf, dass Verhandlungen auf Augenhöhe mit vielen Krankenkassen nach wie vor schwer seien. Zudem fehlen flexiblere gesetzliche Vorgaben, so dass beispielsweise Vertragsverhandlungen über moderne Wundversorgungen bislang an Hinweisen auf fehlende gesetzliche Grundlagen scheiterten. Bertram: „Sanitätshäuser und Homecare-Unternehmen versorgen vor Ort und haben den Patienten im Mittelpunkt. Das werden wir auch weiterhin tun – und müssen dann mit den Krankenkassen mühsam verhandeln, wie wir das vergütet bekommen.“
Wie ist die Sicht der Krankenkassen auf die aktuelle Situation der Hilfsmittelversorgung? Carla Meyerhoff-Grienberger, Referatsleiterin Hilfsmittel beim GKV-Spitzenverband, sprach von moderaten Ausgabensteigerungen im Hilfsmittelbereich bei über 32 Millionen Hilfsmittelversorgungen im Jahr. Durch den demografischen Wandel bleibe die Hilfsmittelversorgung eine große Herausforderung. Dazu gehörten auch die steigenden Kosten für Hersteller und Handel sowie der Mangel an guten Daten zur Versorgungsrealität. Wichtig sei, die Ambulantisierung und häusliche Versorgung zu stärken. Dafür brauche es eine gute Evidenz der eingesetzten Produkte. Die Homecare-Versorgung ist für die Kassenexpertin dabei eine wichtige Säule im Rahmen der zunehmenden Ambulantisierung. Weiterentwicklungs-Potenziale sieht sie bei den Themen Bürokratieabbau, Digitalisierung und KI-Einsatz, um Prozesse ohne Qualitätseinbußen zu verbessern.
Margarete Wieczorek, Vorsitzende der Fachgesellschaft Stoma, Kontinenz und Wunde (FgSKW), betonte, dass spezialisierte Pflegefachpersonen essenziell seien, um eine qualitativ hochwertige Hilfsmittelversorgung etwa bei Stoma, Inkontinenz oder Wunden sicherzustellen und mit Folgekomplikationen zu vermeiden können. Dass die besondere Expertise und individuelle Versorgung durch spezialisierte Pflegefachpersonen Kosten im System sparen kann, machte Manuela Kaser-Brehmer, Fachberaterin Homecare der AOK Bayern, anhand konkreter Beispiele deutlich, etwa durch eine passgenaue Hilfsmittelversorgung aber auch die Vermeidung von Krankenhausaufenthalten.
Weitere Pressetexte zum Homecare-Kongress 2025:
Politische Diskussionsrunde: Signale für Befugniserweiterung und ePA-Anbindung
Panel Hilfsmittel: Mehr Kompetenzen für die Versorger
Keynote Nachhaltigkeit: Prävention und Planetary Health als Hebel
Über den Veranstalter:
Mit der BVMed-Akademie stellt der BVMed seine Expertise allen Beteiligten in der Gesundheitsbranche in modernen Wissensformaten bereit und bietet eine Plattform für den interdisziplinären Austausch, um gemeinsam die Zukunft der Gesundheitsversorgung zu gestalten.
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