„Alle Pflegefachpersonen in die gesetzliche Befugniserweiterung einbeziehen“ 11. Homecare-Kongress des BVMed
Bei gleichen Qualifikationen müssen auch die Pflegefachpersonen der Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Unternehmen in die ambulanten Versorgungstrukturen einbezogen werden. Das forderten Branchenexpert:innen auf dem elften Homecare-Management-Kongress der BVMed-Akademie am 23. und 24. September 2025 in Berlin. „Bislang lässt das Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege (BEEP)Externer Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab. Patient:innen in der Häuslichkeit, die keinen Pflegedienst haben, völlig außen vor“, bemängelte Daniela Piossek, Sprecherin des BVMed-Arbeitskreises Ambulante Versorgung. Die gesundheitspolitischen Sprecher der Regierungsfraktionen sagten in der politischen Paneldiskussion Unterstützung zu. Derzeit werde über Änderungsanträge zum BEEP beraten, um allen Pflegefachpersonen die gleichen Kompetenzen zuzugestehen und Hilfsmittel-Leistungserbringern auch den Zugang zur elektronischen Patientenakte (ePA) zu ermöglichen, so Simone Borchardt (CDU) und Dr. Christos Pantazis (SPD).
PressemeldungBerlin, 25.09.2025, 82/25
© BVMed-Akademie / Bild: Jens Ahner
Bild herunterladen
Die zentrale Frage des Kongresses mit über 120 Teilnehmenden war, welche Rolle Homecare-Unternehmen im strukturellen Wandel im Rahmen der Sicherstellung der Patientenversorgung von morgen einnehmen können und sollen. Da Homecare-Unternehmen mit ihren spezialisierten Pflegefachpersonen in der Häuslichkeit versorgen, sollten sie bei gleicher Qualifikation auch in die Versorgungsstrukturen und Befugniserweiterungen der Pflege einbezogen werden, so das Fazit der Veranstaltung. Die Unternehmen forderten zudem „mehr Beinfreiheit“. Das SGB V sei im ambulanten Bereich überreguliert. „Wir brauchen den Freiraum, um Leistungsangebote im ambulanten Bereich auf- und auszubauen“, so BVMed-Vorstand Stefan Geiselbrechtinger. Auch Carla Meyerhoff Grienberger erkannte an, dass die Homecare-Versorgung „eine wichtige Säule im Rahmen der zunehmenden Ambulantisierung“ sei.
Politische Signale für Befugniserweiterung und ePA-Anbindung
© BVMed-Akademie / Bild: Jens Ahner
In der politischen Podiumsdiskussion machten die Gesundheitspolitiker:innen der Regierungsfraktionen Hoffnung, dass durch Änderungsanträge am Befugnis-Erweiterungsgesetz noch Verbesserungen für Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Versorger erreicht werden können. Dabei geht es neben der Befugniserweiterung auch um die Anbindung an die elektronische Patientenakte (ePA).
Simone Borchardt, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, betonte die Bedeutung von Hilfsmitteln und Homecare für die häusliche Versorgung. Politik müsse hier mehr in Wertschöpfungsketten denken – so seien Investitionen in Hilfsmittel und Homecare sinnvoll, um Pflegefälle oder Hospitalisierungen zu vermeiden. Sie befürwortete, dass Homecare-Pflegefachpersonen die gleichen Kompetenzen zugestanden werden sollten wie dem Pflegedienst, da die Qualifikationen gleich seien. Bei der ePA gehe es um größtmögliche Transparenz, deshalb müssten auch Hilfsmittel-Leistungserbringer angeschlossen werden. Die Grundlage könnte die Präqualifizierung sein.
Dr. Christos Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, unterstützte diese Ansätze. Auch er sieht Nachbesserungsbedarf beim Thema Befugniserweiterung: „Es muss nicht immer der Arzt sein“, sagte der studierte Mediziner und Neurochirurg. Zudem „müssen wir beim Bürokratieabbau noch eine Schippe drauflegen“ und die Vorteile der Digitalisierung besser nutzen, um dem Fachkräftemangel aufzufangen, so Pantazis. Es gehe darum, die Gesundheitspolitik von den Patient:innen her zu denken, nicht von den Leistungserbringern.
Ates Gürpinar, gesundheitspolitischer Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, bekräftigte, dass sich die Politik parteiübergreifend der Problemlage bewusst sei, aber die Lösungsideen sehr unterschiedlich seien. Die Regierung schaue sehr auf die Ausgabenseite der Krankenkassen, aber nur sehr wenig auf die Einnahmenseite. Die Menschen würden sich insbesondere im ländlichen Raum große Sorgen um die zukünftige Versorgung machen. Sein Appell: „Wir müssen auf die Einnahmenseite schauen und beispielsweise die Beitragsbemessungsgrenze erhöhen.“
Dem widersprach Antje Kapinsky vom Ersatzkassenverband vdek. Die Kassen seien nicht leer, denn es sei viel Geld im System. „Wir müssen auf die Ausgabenseite schauen und das Geld sinnvoller ausgeben, gerade vor dem anstehenden demografischen Wandel.“ Notwendig sei eine bessere Steuerung der Fachkräfte und der Leistungen. Innovationen müssten auch weiterhin ins System kommen, „aber dann muss auch etwas umgestaltet werden, um effizienter zu werden“, so Kapinsky.
© BVMed-Akademie / Bild: Jens Ahner
Stefan Geiselbrechtinger, CEO von OPED und Vorstandsmitglied beim BVMed, betonte die Bedeutung von effizienteren Prozessen. „Dafür brauchen wir eine konsequente Digitalisierung, weil sie Prozesse transparent und messbar macht. Wir müssen im Gesundheitswesen massiv an der Effizienz arbeiten“, so die Botschaft des Unternehmers. Voraussetzung für eine stärkere Ambulantisierung sei, dass der Übergang vom Krankenhaus in die Häuslichkeit stehe. Der Bereich Homecare müsse also funktionieren, bevor man die Ambulantisierung ausbaue. „Wir müssen die bestehenden Angebote halten und ausbauen. Dafür brauchen wir mehr unternehmerische Freiräume, um Angebote zu schaffen und Menschen für die Versorgungstätigkeiten im ambulanten Bereich zu gewinnen.“
Versorgung der Zukunft: „Es geht nur mit Homecare“
Fünf Thesen für ein zukunftsfähiges Versorgungssystem stellte Kristine Lütke, Betreiberin einer Pflegeeinrichtung und ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete, vor. Erstens: Versorgungssicherheit hat Vorrang – dazu gehört, die Bedarfe der unterschiedlichen Menschen in Stadt und Land zu erkennen und eine mutige Ambulantisierung voranzutreiben. Zweitens: Kooperation und Rollenbilder neu denken – dazu gehören Kompetenzerweiterungen beispielsweise für Pflegekräfte sowie eine bessere Vernetzung, um eine bestmögliche flächendeckende Versorgung zusichern. Drittens: Durchgängige Digitalisierung und Automatisierung – dazu gehört laut Lütke ein regelhafter Einsatz von Telemonitoring, die Automatisierung von Unterstützungsprozessen oder KI- basierte Lösungen. Ziel muss sein, die individuelle Versorgungsqualität zu verbessern. Viertens: Prävention vor Kuration –Früherkennung sowie Verhältnis- und Verhaltensprävention müssen in den Fokus gesetzt werden. Dazu müsste der volkswirtschaftliche Nutzen von Prävention besser abgebildet werden: vom Kostenfaktor zur echten Zukunftschance. Fünftens: Zukunftsfeste Finanzierung – Tarife und Anreizsysteme müssen neu gestalten werden und durch kapitalgedeckte Instrumente ergänzt werden. „Lösungen sind möglich, aber nicht trivial. Es geht nur im Zusammenspiel aller Stakeholder“, so Lütke.
BMC-Geschäftsführerin Johanna Nüsken stellte zwei Impulse für den notwendigen strukturellen Wandel vor. Zum einen das Konzept des „Value-Based-Care“ in einer sektorenunabhängigen Versorgung. Damit soll der Nutzen vergütet werden, nicht der Aufwand. Ein solches System würde Patient:innen an die erste Stelle setzen, nicht die bisherigen Systemlogiken in den jeweiligen Sektoren. Zweiter Impuls ist das „Team Gesundheit“. Durch eine bessere Vernetzung wird gemeinsam im „Continuum of Care“ versorgt – nach dem Motto: „Wer vor Ort ist, der versorgt“. Nüskens Botschaft: „Es ist genug Geld im System, wir müssen es nur anders verteilen. Dafür brauchen wir Visionen über das kurzfristige Legislaturperioden-Denken hinaus.“ Es sollte mehr um die Frage „Wer kann was?“ gehen als um „Wer darf was?“, so die BMC-Expertin.
Gute Ansätze sieht Daniela Piossek von der Hartmann-Gruppe und Sprecherin des BVMed-Arbeitskreises Ambulante Versorgung im aktuell diskutierten Pflegebefugnis-Erweiterungsgesetz. Das Ziel von Gesundheitsministerin Warken sei richtig, die Kompetenzen von Pflegefachpersonen zu stärken. Im Fokus des Gesetzes zur Befugniserweiterung stehen die Versorgungsbereiche Diabetes, Wundversorgung, Stomaversorgung, Inkontinenz, Tracheostoma, Ernährung, Dekubitus oder Schmerz- und Infusionstherapie. „All diese Versorgungsbereiche zählen zu den klassischen Homecare-Versorgungen“, so Piossek. Der Schwachpunkt des Gesetzes: Vom Gesetz profitieren nur Patient:innen, die von Ärzt:innen oder einem Pflegedienst versorgt werden. Aber: „7 von 10 Patient:innen werden von ihren Angehörigen versorgt. Ohne Pflegedienst. Gleichwertig qualifizierte Pflegefachpersonen aus Homecare-Unternehmen sind bei der Befugniserweiterung nicht eingeschlossen“, kritisiert Piossek. Die Homecare-Pflegefachkräfte seien Spezialist.innen, Ansprechpartner:innen, Koordinator:innen und Therapiemanager:innen für die Patient:innen und die unterstützenden Angehörigen – zur Sicherung eines selbstbestimmten Lebens in der Häuslichkeit. Daniela Piossek: „Es ist traurig, dass Homecare nicht gesehen wird. Unsere Forderung lautet konkret: Gleichwertig qualifizierte Pflegefachkräfte aus Homecare-Unternehmen müssen im Rahmen ihrer Tätigkeit auch heilkundliche Tätigkeiten gemäß § 15a Absatz 1 Nummer 1 und 3 SGB V erbringen dürfen! Es geht nur mit Homecare.“
Norbert Bertram, Geschäftsführer des Homecare-Verbandes VVHC, verwies darauf, dass Verhandlungen auf Augenhöhe mit vielen Krankenkassen nach wie vor schwer seien. Zudem fehlen flexiblere gesetzliche Vorgaben, so dass beispielsweise Vertragsverhandlungen über moderne Wundversorgungen bislang an Hinweisen auf fehlende gesetzliche Grundlagen scheiterten. Bertram: „Sanitätshäuser und Homecare-Unternehmen versorgen vor Ort und haben den Patienten im Mittelpunkt. Das werden wir auch weiterhin tun – und müssen dann mit den Krankenkassen mühsam verhandeln, wie wir das vergütet bekommen.“
Wie ist die Sicht der Krankenkassen auf die aktuelle Situation der Hilfsmittelversorgung? Carla Meyerhoff-Grienberger, Referatsleiterin Hilfsmittel beim GKV-Spitzenverband, sprach von moderaten Ausgabensteigerungen im Hilfsmittelbereich bei über 32 Millionen Hilfsmittelversorgungen im Jahr. Durch den demografischen Wandel bleibe die Hilfsmittelversorgung eine große Herausforderung. Dazu gehörten auch die steigenden Kosten für Hersteller und Handel sowie der Mangel an guten Daten zur Versorgungsrealität. Wichtig sei, die Ambulantisierung und häusliche Versorgung zu stärken. Dafür brauche es eine gute Evidenz der eingesetzten Produkte. Die Homecare-Versorgung ist für die Kassenexpertin dabei eine wichtige Säule im Rahmen der zunehmenden Ambulantisierung. Weiterentwicklungs-Potenziale sieht sie bei den Themen Bürokratieabbau, Digitalisierung und KI-Einsatz, um Prozesse ohne Qualitätseinbußen zu verbessern.
Margarete Wieczorek, Vorsitzende der Fachgesellschaft Stoma, Kontinenz und Wunde (FgSKW), betonte, dass spezialisierte Pflegefachpersonen essenziell seien, um eine qualitativ hochwertige Hilfsmittelversorgung etwa bei Stoma, Inkontinenz oder Wunden sicherzustellen und mit Folgekomplikationen zu vermeiden können. Dass die besondere Expertise und individuelle Versorgung durch spezialisierte Pflegefachpersonen Kosten im System sparen kann, machte Manuela Kaser-Brehmer, Fachberaterin Homecare der AOK Bayern, anhand konkreter Beispiele deutlich, etwa durch eine passgenaue Hilfsmittelversorgung aber auch die Vermeidung von Krankenhausaufenthalten.
Hilfsmittel: Mehr Kompetenzen für die Versorger
Wie kann die Hilfsmittelversorgung aus Krankenkassensicht auch in Zukunft finanziert werden? René Klinke vom Ersatzkassenverband vdek blickte zunächst auf die finanzielle Entwicklung im Hilfsmittelbereich. 2025 werde die 12 Milliarden Euro-Grenze erreicht werden. Die Ausgaben für Hilfsmittel hätten sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Insgesamt gebe es eine gute Versorgung mit Hilfsmitteln, so Klinke. Leistungskürzungen dürfe es nicht geben, aber die Qualität der Versorgung könne noch besser werden. Die Produktqualität sei über das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) gut gesichert. „Was ist mit der Prozessqualität und wie können wir sie messen?“, sei nun die Frage. Hier sieht der Kassenexperte kurzfristigen Handlungsbedarf, beispielsweise durch die Versorgung nach Leitlinien, durch eine Erweiterung der vertragsrechtlichen Spielräume der Krankenkassen, durch einen einheitlichen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent auf Medizinprodukte sowie Fortschritte beim Bürokratieabbau.
Welche Rolle spielen die Ärzt:innen und Hilfsmittel-Leistungserbringer im Versorgungsprozess? Julius Lehmann von der KBV berichtete von einem aktuellen Positionspapier des Kassenärzte-Verbandes zur Hilfsmittelversorgung. Aus seiner Sicht sei das Hilfsmittelverzeichnis ohne praktischen Nutzen für die Ärzteschaft – und es gebe einen sehr hohen Abstimmungsbedarf mit den Hilfsmittelversorgern. So gebe es sehr häufig Anfragen nach Anpassungen der Verordnung, beispielsweise bei Kompressionstherapien, Rollstühlen oder Einlagen. „Dadurch entsteht ein Mehraufwand für alle Beteiligten, der deutlich reduziert werden kann“, so Lehmann. Er plädierte dafür, die Verantwortungsbereiche besser kompetenzorientiert abzugrenzen. Es müsse eine „Blankoverordnung im Hilfsmittelbereich“ geben, um die Hilfsmittelversorger zu Entscheidungen für die Auswahl der richtigen Hilfsmittel zu befähigen. Zudem müsse die Nutzbarkeit des HMV deutlich verbessert und der Verordnungsprozess vor der Digitalisierung optimiert werden.
Dr. Siiri Doka von der BAG Selbshilfe unterstützte den Ansatz, das HMV praxisorientierter und zugänglicher zu machen. Das sei auch für die Patient:innen wichtig und könnte beispielsweise durch eine gute Verschlagwortung umgesetzt werden. Grundsätzlich würden viele Hilfsmittelversorgungen gut laufen. Dazu gehöre ein unkomplizierter Verlauf ohne die Notwendigkeit von Widersprüchen oder Mehrkosten. Auf der anderen Seite gebe es aber auch problematische Versorgungen. Hier würde sich Doka ein besseres Vertragscontrolling durch die Krankenkassen wünschen, um eine gute Qualität sicherzustellen.
Die Sicht der Patient:innen schilderten Celine van der Hoofd und Christian Limpert vom Selbsthilfeverband Stoma-Welt. Eine qualitätssichere Hilfsmittelversorgung ist für Stomaträger:innen der Schlüssel für Lebensqualität. „Wir sind zu hundert Prozent auf die geeigneten Hilfsmittel angewiesen“, so Limpert. Eine gute Versorgung müsse sich an der notwendigen Qualität für die Patient:innen orientieren, nicht an den Kosten, forderte van der Hoofd. Dazu gehöre, dass die Versorgenden aus den über 1.000 Produkten die geeigneten auswählen können, ohne vertragliche Einschränkungen. Die Stoma-Welt spricht sich dabei deutlich gegen die Wiedereinführung von Ausschreibungen aus, die von Krankenkassenseite immer wieder ins Spiel gebracht werde. Wichtig sei zudem eine bessere Anerkennung der Pflegeexpert:innen sowie eine klare Festlegung der Qualitätskriterien für eine Versorgung aus Sicht der Patient:innen.
© BVMed-Akademie / Bild: Jens Ahner
Wird es gesetzgeberische Anpassungen geben? Anja Hügelmeyer vom Hilfsmittereferat des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) berichtete, das an Regelungen zur Weiterentwicklung der Hilfsmittelversorgung gearbeitet werde. Es sei gut, alle Perspektiven auf dem Kongress zu hören. Im Mittelpunkt würden die Aspekte Prozessoptimierungen, Vereinfachungen und Transparenz stehen. Sie gab der Hoffnung Ausdruck, dass bis Ende des Jahres über erste Entwürfe gesprochen werden könne.
Antje Domscheit vom Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) hält die Vertragssituation im Hilfsmittelbereich für „insgesamt besser geworden“. Es fehle aber weiter an Transparenz und an flächendeckenden Versorgungsverträgen, die einen Zugang der Patient:innen sicherstellen. „Das Vertragsgeschäft müsste massiv verschlankt werden. Das ist auch ohne gesetzliche Anpassungen möglich, man muss es nur wollen, vor allem bei Standardversorgungen“, so Domscheit.
Keynote zur Nachhaltigkeit
© BVMed-Akademie / Bild: Jens Ahner
Zum Kongressbeginn hielten Angelica Bergmann, Referentin für Nachhaltigkeit und Social Media Lead der BKK ProVita in München, sowie Martin König, Leiter Stabsstelle Nachhaltigkeit beim BKK Dachverband, eine Keynote zum Thema Nachhaltigkeit im Gesundheitssystem. Die Menschen werden zwar immer älter, verbleiben aber auch länger in Krankheit. Ein Großteil der Krankheitslast steht dabei im Zusammenhang mit Lebensstil- oder Umweltfaktoren. „Durch den Klimawandel gibt es neue Gesundheitsrisiken, beispielsweise steigt die Zahl der hitzebedingten Todesfälle, der Hautkrebserkrankungen oder der Allergien“, so König. Das Gesundheitssystem ist zweitgrößter Verursacher von CO2-Emissionen. Ein großer Hebel sei dabei das Thema Ernährung. Das Catering hat einen Anteil von 17 Prozent der Krankenhaus-Emissionen. Jeden Tag gibt es eine Million Krankenhausessen. Weniger Fleisch und mehr gemüsebasierte Ernährung würden Emissionen erheblich senken.
Welchen Hebel haben die Krankenkassen, um das System nachhaltiger zu gestalten? „Unser größter Hebel ist die Prävention. Wir müssen vorbeugen und Krankheiten vermeiden“, so die klare Botschaft von Angelica Bergmann. Die BKK verfolgt dabei einen integrativen Präventionsansatz von „Planetary Health“. Gesundheitsversorgung wird schon im Ansatz mit Nachhaltigkeit verbunden und Prävention vom Verhalten als auch den Verhältnissen hergedacht: „So kann die Gesundheitsförderung ein Motor für eine nachhaltige Entwicklung werden“. Zu den Strategien für Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen gehören Verträge zur Nachhaltigkeit mit Leistungserbringern, eine Verankerung des Nachhaltigkeitsgebots im Sozialgesetzbuch, eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie für das Gesundheitswesen sowie die ausreichende Finanzierung der Transformation.
Dorothee Bitters von GWQ ServicePlus forderte, eine nachhaltige Vertragsgestaltung in den Fokus zu nehmen. Dazu gehören nachhaltige Leitprinzipien bei der Vertragsgestaltung im Hilfsmittelbereich, mehr Transparenz durch Offenlegung von Anforderungen und Prozessen, Messbarkeit durch standardisierte und objektivierbare Nachhaltigkeitskennzahlen sowie Controlling durch die laufende Übermittlung von Daten zur Nachvollziehbarkeit und zur Qualitätssicherung. Eine nachhaltige Hilfsmittelversorgung fördere den Wettbewerb und trage zu einer CO2-Reduktion bei, so Bitters. „Wir können einen wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung des Gesundheitswesens leisten: durch die Implementierung von Prinzipien wie Recycling, Upcycling, Ressourcenschonung und die Umsetzung des Gedankens einer Kreislaufwirtschaft. Dadurch werden Leistungserbringer motiviert, nachweislich nachhaltige Produkte abzugeben und nachhaltige Prozesse zu etablieren.“ Zudem werde das Sachleistungsprinzip gestärkt und der Qualitätswettbewerb unter den Krankenkassen gefördert.
© BVMed-Akademie / Bild: Jens Ahner
Moderiert wurde der Homecare-Management-Kongress der BVMed-Akademie von Rechtsanwältin und Hilfsmittel-Expertin Bettina Hertkorn-Ketterer.
Über den Veranstalter:
Mit der BVMed-Akademie stellt der BVMed seine Expertise allen Beteiligten in der Gesundheitsbranche in modernen Wissensformaten bereit und bietet eine Plattform für den interdisziplinären Austausch, um gemeinsam die Zukunft der Gesundheitsversorgung zu gestalten.
Bilder-Downloads










