Zulassung und Nutzenbewertung

Wie sicher und nützlich sind Medizinprodukte?

Warum werden Medizinprodukte nicht wie Arzneimittel staatlich zugelassen?


Weil es wesentliche Unterschiede zwischen Medizinprodukten und Arzneimitteln gibt. Medizinprodukte sind heterogener, haben kurze Innovationszyklen und eine grundsätzlich andere Wirkweise als Arzneimittel.
  • Medizinprodukte umfassen eine große Bandbreite: Pflaster, Inkontinenzprodukte, Einmalspritzen oder Infusionspumpen, aber auch Gelenkimplantate, Herzschrittmacher oder Computertomographen.
  • Aus dieser Vielfalt leiten sich auch verschiedene Risiken der Produkte ab: von sehr geringem bis hohem Risiko.
  • Die Hauptwirkung von Medizinprodukten ist physikalisch, sie müssen also technisch oder mechanisch "funktionieren", um den medizinischen Zweck zu erfüllen. Im Unterschied zu Arzneimitteln spielen Nebenwirkungen kaum eine Rolle.
  • Bei den meisten Medizinprodukten ist der Nutzen direkt ersichtlich: Beispiel Hilfsmittel wie Rollstühle, Gehhilfen, Inkontinenzhilfen oder Stomaprodukte.
  • Produkte mit höherem Risiko werden von speziell geschultem Personal angewendet. Im Falle von Implantaten handelt es sich um einen operativen Eingriff durch einen Arzt. Der Erfolg eines solchen Eingriffs hängt neben einem sicheren und leistungsfähigen Medizinprodukt in erster Linie von den Fähigkeiten des Operateurs und später von einem korrekten Verhalten des Patienten ab.
  • Die Produkte werden kontinuierlich weiterentwickelt. Daher sind die Produktzyklen mit 2 bis 3 Jahren relativ kurz und werden "Schrittinnovationen" genannt. Beispiel Herzschrittmacher: Seit der ersten Implantation 1958 wurde er in zahlreichen Schritten weiterentwickelt und optimiert. Moderne Schrittmacher oder ICD-/CRT-Geräte sind heute kleiner, leistungsstärker, können vor plötzlichem Herztod schützen, chronische Herzschwäche therapieren und telemedizinische Überwachung ermöglichen. Batterien und Elektroden werden immer leistungsfähiger.

Aufgrund dieser Besonderheiten der Branche und ihrer Produkte hat sich der Gesetzgeber 1993 für andere gesetzliche Rahmenbedingungen und gegen einen zentralen Zulassungsansatz wie bei Arzneimitteln entschieden. Der Stand der Technik wird dabei über europaweit harmonisierte Normen beschrieben. Diese Normen werden fortlaufend überarbeitet und an den medizintechnischen Fortschritt angepasst.

Der Marktzugang für Medizinprodukte über die CE-Kennzeichnung ist dabei zeitlich befristet – im Gegensatz zu Arzneimitteln.
  • Spätestens alle fünf Jahre werden das Qualitätsmanagementsystem und die Produkte "re-zertifiziert".
  • Nach der Erstzertifizierung finden zudem jährliche Wiederholungsaudits der Medizinprodukte-"Zulassungsstellen", der sogenannten "Benannten Stellen", statt.
  • Außerdem finden spätestens alle drei Jahre – bei Hochrisikoprodukten sogar häufiger – unangekündigte Audits der Benannten Stellen beim Hersteller und dessen wichtigsten Lieferanten statt, bei denen Stichproben aus der Produktion gezogen und überprüft werden
.
  • Weitere Artikel zum Thema
  • Bayerns Gesundheitsministerin Gerlach fordert Überarbeitung der MDR: Freistaat muss auch in Zukunft wichtiger Standort für Unternehmen der Medizintechnik bleiben

    Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach fordert eine Überarbeitung der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR). Gerlach betonte am Mittwoch anlässlich ihres Besuchs beim Unternehmen Medtronic in Weißling bei München: „Bayern, Deutschland und Europa müssen auch künftig für medizintechnische Unternehmen attraktiv bleiben. Deshalb ist es wichtig, dass die europäische Verordnung zu Medizinprodukten besser wird. Derzeit ist vieles überbürokratisch – das führt zu Innovationshemmnissen.“ Mehr

  • BVMed zur MDR-Debatte im EU-Parlament: „Lösungen so schnell wie möglich vorantreiben“

    Der BVMed hat die klaren Aussagen in der heutigen Debatte des Europäischen Parlaments (EP) zu notwendigen Verbesserungen der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) begrüßt. „Die EP-Debatte zeigt überdeutlich die Erkenntnis der Parlamentarier:innen, dass die MDR über das Ziel hinausgeschossen ist und dringend nachgebessert werden muss. Auch die Unterstützung des Vorschlags, die Rezertifizierung von Bestandsprodukten abzuschaffen, ist ein gutes Signal. Nach den EP-Wahlen im Juni müssen die Lösungen so schnell wie möglich vorangetrieben werden“, kommentiert BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll. Mehr

  • BVMed: Medizinforschungsgesetz um Medizintechnik erweitern

    Der BVMed fordert in seiner Stellungnahme zum Medizinforschungsgesetz die Ergänzung von Regelungen für den Bereich der Medizinprodukte. So sollen klinische Studien vereinfacht und beschleunigt werden – und damit der Medizintechnik-Forschungsstandort Deutschland gestärkt werden. Unter anderem spricht sich der Verband dafür aus, die je nach Bundesland unterschiedlichen datenschutzrechtlichen Vorgaben zu vereinheitlichen. Außerdem sollten die einheitlichen Richtlinien zur Bewertung klinischer Prüfungen auch im Medizinprodukte-Bereich für alle Ethikkommissionen gelten, um zu einer besseren Vereinheitlichung zu kommen. Mehr


©1999 - 2024 BVMed e.V., Berlin – Portal für Medizintechnik