- Pflege Investitionen in die Pflege – was ist realisierbar? Antworten von BVMed-Vorständin Manuela Hoffmann-Lücke
Durch die Lockerung der Schuldenbremse könnten sich Möglichkeiten ergeben, Investitionsstaus zu umgehen. Nicht nur im Verteidigungs- und Infrastrukturbereich werden von der Politik und den Verbänden finanzielle Forderungen neu geplant. Auch der Bereich der Pflege sollte sich hier zu Wort melden und Ansprüche an die Politik adressieren. Diesem Thema widmet sich BVMed-Vorständin Manuela Hoffmann-Lücke im Pflegemagazin WIRKSAM.
ArtikelHeidenheim, 30.06.2025
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Manuela Hoffmann-Lücke, Geschäftsführerin Hartmann Deutschland (Foto: BVMed / Tina Eichner)
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Es scheint so als ob jetzt die Gelegenheit da wäre, notwendige finanzielle Investitionen auch in die Pflege zu tätigen. Welche Schritte sollten aus Ihrer Sicht hier zuerst angegangen werden?
Die aktuelle politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit bietet für das Thema Pflege eine wertvolle Chance, Investitionen nachhaltig anzustoßen. Ein zentraler erster Schritt wäre aus unserer Sicht die konsequente Umsetzung der im Koalitionsvertrag skizzierten Maßnahme, versicherungsfremde Leistungen durch den Bund zu finanzieren. Dadurch ließe sich das Pflegesystem finanziell entlasten und ein wichtiger Spielraum schaffen, um eine umfassende Strukturreform auf den Weg zu bringen. Ein starkes Signal für die langfristige Stärkung und Wertschätzung der Pflege. Auch Unternehmen wie Hartmann investieren gezielt in innovative Lösungen, um Pflegekräfte zu entlasten und die Qualität der Versorgung nachhaltig zu verbessern.
Wer sollte in diesen Findungsprozess eingebunden werden, welche Akteure, sowohl auf politischer Ebene, als auch auf Seiten der Wirtschaft und der Verbände sollten beteiligt werden?
Um die Pflege langfristig zukunftsfähig zu gestalten, ist ein ganzheitlicher Ansatz notwendig. Das bedeutet, Sicherstellung und Finanzierung müssen neu gedacht werden – und das gelingt nur, wenn die Expertise aller relevanten Akteure eingebunden wird. Politik, Verbände, Kostenträger, Pflegekräfte, Wirtschaft und Betroffene selbst sollten gemeinsam an einem Tisch sitzen. Nur so entsteht ein umfassender 360-Grad-Blick auf die Herausforderungen und Chancen. Gleichzeitig stärkt ein solcher partizipativer Prozess die Akzeptanz und fördert das gemeinsame Engagement für eine tragfähige und umsetzungsstarke Pflegepolitik.
Wird es möglich sein, hier einen Konsens herbeizuführen, oder läuft die Pflege Gefahr, sich aufgrund ihrer Komplexität in Individualinteressen zu verlieren?
Genau hier liegt aktuell eine der größten Herausforderungen: Die Pflege hat keine übergeordnete, bundesweit einheitliche Interessenvertretung wie einen Bundesverband oder eine Bundespflegekammer. Der Pflegerat ist hier bereits stark aktiv und versucht eine solche Rolle einzunehmen, was wir begrüßen. Dennoch werden auch hier nicht alle Interessen vertreten. Umso wichtiger ist es, die Rolle der Pflege systematisch zu stärken. Stattdessen sollte ein gemeinsamer, konstruktiver Prozess angestrebt werden, bei dem – wie bereits erwähnt – die fachliche Kompetenz aller Beteiligten gezielt eingebracht wird.
Finanzielle Rahmenbedingungen sind sicherlich wichtig, wie kann man jedoch die andere Baustelle – die demografische Entwicklung – insbesondere in Bezug auf die Gewinnung von Fachpflegekräften weiter fördern?
Die demografische Entwicklung stellt die Pflege vor enorme Herausforderungen, eröffnet aber auch neue Handlungsspielräume. Eine Lösung liegt in einem Dreiklang von Maßnahmen: Erstens, der Ausbau von Prävention, um Pflegebedürftigkeit von Menschen möglichst lange hinauszuzögern. Zweitens, der gezielte Einsatz digitaler Technologien zur Entlastung und Unterstützung von Pflegekräften. Für uns als Unternehmen gilt: Pflegekräften Lösungen an die Hand zu geben, die Mehrwerte für ihre Arbeit bedeuten und konkret unterstützen. Hier investiert Hartmann kontinuierlich in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, die den Arbeitsalltag der Pflegekräfte erleichtern und sie in ihrer wichtigen Aufgabe stärken. Und drittens, die stärkere Einbindung von Angehörigen sowie Nachbarschaftshilfe, um neue Unterstützungsnetzwerke im Alltag zu schaffen.
Fachpflegekräfte beziehen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen vergleichbare oder sogar überdurchschnittliche Einkommen. Das Berufsbild ist attraktiv – wie kann es durch Aus- und Weiterbildung weiter gestärkt werden, welche Investitionen sind hier zu fordern?
Es ist entscheidend die vorhandene fachliche Kompetenz der Pflegekräfte auch in der Praxis zur Entfaltung zu bringen. Das bedeutet: Pflegefachpersonen müssen befähigt werden, ihre erweiterten Aufgaben nicht nur rechtlich, sondern auch praktisch auszuüben – inklusive einer entsprechenden Vergütung durch die Krankenkassen. Nur so kann die Attraktivität des Berufsbildes langfristig gesichert und gestärkt werden.
Die Politik reagiert besonders vor Wahlen sensibel auf die Wünsche der Bevölkerung. Wie kann sichergestellt werden, dass auch nach der Wahl eine Umsetzung erfolgt (Stichwort Kontrollausschuss)?
Politische Versprechen müssen immer mit nachhaltig finanzierten Konzepten hinterlegt sein. Kontrollgremien allein garantieren keine Umsetzung. Wichtig sind eine politische Verbindlichkeit und eine Finanzierung, die langfristig tragfähig ist. Nur dann lassen sich Wahlversprechen und Koalitionsziele in konkrete Verbesserungen für die Pflege überführen.
Was sind Ihre Wünsche für eine verbesserte Positionierung der Pflege im gelebten Alltag – auch mit Blick auf mögliche neue Investitionen?
Pflege braucht politische Entschlossenheit. Die vielen bestehenden Lösungsansätze liegen auf dem Tisch – sie müssen konsequent umgesetzt werden. Investitionen sind wichtig, dürfen aber nicht als Selbstzweck verstanden werden. Angesichts des demografischen Wandels ist jetzt der Moment, um Prioritäten zu setzen. Pflege verdient eine starke Position – nicht nur in der politischen Debatte, sondern ganz konkret im Alltag der Menschen. Hartmann wird weiterhin intensiv daran arbeiten, die Pflege mit innovativen, praxistauglichen Lösungen zu unterstützen und damit einen aktiven Beitrag zur Verbesserung des Alltags von Pflegekräften und Pflegebedürftigen zu leisten.
Die Fragen stellte Holger Menk.
Quelle: WIRKSAM - Das Magazin zur PflegeExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.; Ausgabe: Sommer 2025
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Holger Menk und mit Einverständnis von Hartmann Deutschland