Nationaler Aktionsplan

Nationale Herz-Kreislauf-Strategie gefordert: Zeit für eine bessere Patientenversorgung drängt

40 Prozent aller Sterbefälle in Deutschland gehen auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurück. Dennoch fördert der Bund Forschung und Innovation auf diesem Gebiet seit Langem nur unzureichend. Fachgesellschaften und Patientenvertreter*innen legen nun einen Vorschlag für einen dringend notwendigen nationalen Aktionsplan vor.

Wer am Herzen erkrankt, ist selbst schuld. So wird es in der Öffentlichkeit zumindest meist wahrgenommen. Falsche Ernährung, Übergewicht, mangelnde körperliche Aktivität, Rauchen, eine angeblich selbstverschuldete Zuckerkrankheit, die Liste der vermeintlichen Verhaltensfehler ist lang. In Wahrheit sind diese „Risikofaktoren“ nur für weniger als die Hälfte aller Erkrankungen an den Herzkranzgefäßen verantwortlich, für andere Herzerkrankungen wie Herzmuskelschwäche, Herzrhythmusstörungen oder angeborenen Herzfehlern sogar weniger oder gar nicht. Viele Patient*innen hätten durch eine Änderung des Lebenswandels also gar keine Chance, ihren Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Volkskrankheiten – meist chronisch, da nur selten heilbar – und gehen häufig mit erheblichen körperlichen und psychischen Belastungen oder gar Pflegebedürftigkeit einher. Allein im Jahr 2019 mussten annähernd 2 Millionen Menschen in Deutschland wegen Herzkrankheiten stationär behandelt werden.

Konkrete Ansätze zur Verbesserung der Patientenversorgung

Weil Herz-Kreislauf-Krankheiten trotzdem nur am Rande des öffentlichen und politischen Interesses stehen, haben die herzmedizinischen Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK), Deutsche Gesellschaft für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie (DGTHG) und Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK) gemeinsam mit der Patientenvertretung Deutsche Herzstiftung ein Positionspapier vorgelegt, in dem sie von der Bundespolitik dringend eine nationale Herz-Kreislauf-Strategie für eine bessere Versorgung von Patient*innen und innovative Forschung in Deutschland fordern. „In Anbetracht der unverändert hohen Erkrankungshäufigkeit und Sterblichkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen müssen für unsere Patient*innen vergleichbar große Anstrengungen unternommen werden wie beispielsweise im Bereich der Krebsforschung und -behandlung“, erklärt Prof. Dr. Stephan Baldus, Präsident der DGK. „Die Bundesregierung unterstützt das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung gerade einmal mit 13 Prozent des Betrages, der dem Deutschen Krebsforschungszentrum zur Verfügung steht.“

Die Gesellschaften beschreiben in ihrem Papier konkrete Ansätze für eine wesentliche Verbesserung der Defizite in Forschung und Versorgung und wenden sich mit der dringenden Bitte um Unterstützung an die Vertreter*innen der Bundespolitik. Im Mittelpunkt stehen die folgenden Punkte:

Stärkung der kardiovaskulären Forschung

Die Stärkung der Grundlagenforschung und von Projekten, die dazu führen, diese Ergebnisse in den klinischen Alltag umzusetzen, sind ein ganz wesentliches Instrument zur Verbesserung der Patientenversorgung. Große Studien der letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass allgemeine Therapieempfehlungen um individuelle, auf das Krankheitsprofil der einzelnen Person abgestimmte Behandlungen erweitert werden müssen, um den Patient*innen bestmöglich helfen zu können. Besonders software- und KI-basierte Forschungsstrategien müssen daher in den Fokus rücken und durch die Politik unterstützt werden – ebenso wie industrieunabhängige klinische Studien, die neueste Forschung für Patient*innen verfügbar machen.

Interdisziplinäre Versorgungsnetzwerke aufbauen

Die interdisziplinäre und intersektorale Patientenbetreuung durch den Aufbau von Versorgungsnetzwerken ist ein weiterer Ansatz, der nicht nur das Patientenwohl verbessern, sondern auch die Kosten des Gesundheitssystems begrenzen kann. „Es muss nicht nur die ambulante Versorgung gestärkt werden, die viele Krankenhauseinweisungen durch frühzeitiges Eingreifen verhindern kann, sondern auch die in unserem Gesundheitssystem vorgegebenen starren Strukturen aufgebrochen werden, die im Moment die notwendige Zusammenarbeit unterschiedlicher medizinischer Fachgebiete erschweren“, so Baldus.

Digitalisierung fördern

Eine wichtige Voraussetzung für effektive Versorgungsnetzwerke ist eine Initiative zur Digitalisierung der medizinischen Versorgung in Deutschland. Der Einsatz telemedizinischer Versorgungsprogramme vor allem in Regionen mit geringer Facharztdichte kann die Sicherheit, die Lebensqualität und die Überlebensprognose vieler Patient*innen verbessern. Obwohl überzeugende wissenschaftliche Evidenz für den Erfolg der Telemedizin vorliegt, wird dieses Instrument bisher nur begrenzt eingesetzt.

Früherkennung von Risikopatient*innen

Zuletzt betonen die Expert*innen in ihrem Papier die Wichtigkeit von Programmen zur Früherkennung von Risikopatient*innen, wie es sie bereits in anderen Bereichen gibt, beispielsweise bei der Brust- und Darmkrebsvorsorge. Die Prognose und der Therapieerfolg kann bei vielen Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch eine frühzeitige und konsequente medikamentöse Behandlung von kritischen Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus und Niereninsuffizienz deutlich verbessert werden. Auch Herzrhythmusstörungen früh zu erkennen und rechtzeitig zu behandeln, gehört dazu. Diese Erkrankungen können mit einfachen und kostengünstigen Mitteln wie Langzeit-Blutdruckmessung oder einem EKG und Untersuchungen des Blutes diagnostiziert werden.

„Die Politik muss jetzt handeln“, betont DGK-Präsident Baldus. „In den kommenden 10 Jahren wird die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankten voraussichtlich um 25 Prozent steigen. Die Zeit für die Umsetzung der von uns genannten Maßnahmen drängt!“

Hier finden Sie das Positionspapier zur Nationalen Herz-Kreislauf-Strategie in voller Länge.

Quelle: Pressemeldung vom 25. Oktober 2021
  • Weitere Artikel zum Thema
  • Schlusslicht bei Lebenserwartung | BVMed: Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE) verbessern

    Der BVMed hat zügige Verbesserungen bei der Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE), beispielsweise durch einen „Herz-Check 50“ als eigenständige Vorsorgeuntersuchung, angemahnt. Hintergrund ist eine aktuelle Studie, nach der Deutschland bei der durchschnittlichen Lebenserwartung nur Schlusslicht im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern ist. „Herz-Kreislauf-Erkrankungen müssen endlich auf die politische Agenda. Wir haben großartige Behandlungsmöglichkeiten, müssen die Erkrankungen aber früher erkennen und strukturierter angehen“, so die stellvertretenden BVMed-Vorstandsvorsitzenden Dorothee Stamm von Medtronic und Dr. med. Manfred W. Elff von Biotronik. Mehr

  • Neue Wissensplattform Herzmedizin.de soll Informationen zu Herzgesundheit für alle bieten

    Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind mit rund 40 Prozent die häufigste Todesursache in Deutschland. Die Ursachen sind vielfältig und Informationen darüber sind der breiten Öffentlichkeit nur unzureichend zugänglich. Mit dem Launch von Herzmedizin.de schafft die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) gemeinsam mit dem Bund Niedergelassener Kardiologen (BNK) eine zentrale Wissensplattform sowohl für Patient:innen und Interessierte als auch für Fachexpert:innen rund um das Thema Herzgesundheit. Mehr

  • Herzinsuffizienz: Patienten weiter durch Defibrillator geschützt

    Die Behandlungsfortschritte der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass immer weniger Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz an einem plötzlichen Herztod sterben. Die Notwendigkeit eines implantierbaren Cardioverter-Defibrillator (ICD) wird deshalb zunehmend infrage gestellt. Zu Unrecht, warnte ein Experte auf der 89. Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim, berichtet das Deutsche Ärzteblatt. Mehr


©1999 - 2023 BVMed e.V., Berlin – Portal für Medizintechnik