Neuromodulation und Neurostimulation umfassen verschiedene Verfahren, die gezielt die Aktivität des Nervensystems beeinflussen, um die Erregungsleitung in Nervenbahnen zu modulieren und so Symptome zu lindern oder Funktionen zu verbessern. Neuromodulation ist der Oberbegriff für alle Methoden, Verfahren und Technologien, die das Nervensystem beeinflussen. Der Begriff Neurostimulation umfasst alle elektrischen Verfahren zur Beeinflussung des Nervensystems.
Beispiele für medizintechnische Verfahren:
Minimal-invasive Verfahren mit (Voll-)Implantaten
Bewegungsstörungen
Tiefe Hirnstimulation (Deep Brain Stimulation, DBS):
Bei der DBS werden Elektroden in bestimmte Hirnareale implantiert, um Bewegungsstörungen wie Morbus Parkinson, Tremor oder Dystonien, chronische Epilepsie sowie therapieresistente psychiatrische Erkrankungen zu behandeln.
Vagusnervstimulation (VNS):
Die Vagusnervstimulation ist ein neurostimulatives Verfahren zur Behandlung bestimmter chronischer Erkrankungen (z.B. Epilepsie und therapieresistente Depressionen,), bei denen Medikamente nicht oder nicht ausreichend helfen. Dabei wird der Vagusnerv im Halsbereich durch ein kleines implantiertes Gerät regelmäßig mit schwachen elektrischen Impulsen stimuliert.
EASEE-Therapie (Epicranial Application of Stimulation Electrodes for Epilepsy):
Die EASEE-Therapie ist ein innovatives, gering invasives, (subgaleales) Neurostimulationsverfahren zur Behandlung der fokalen Epilepsie, bei der die Elektroden unter der Kopfhaut platziert werden. Die Impulse wirken fokal, also nur auf das epileptisch aktive Areal und können so eine gezielte Beeinflussung von epileptischen Anfällen erzielen.
Pumpengestützte intrathekale Spasmolytika-Gabe:
Die programmierbare implantierbare Medikamentenpumpe für die intrathekale Medikamentenabgabe wird bei schweren, chronischen Bewegungsstörungen eingesetzt und hat die gleiche Funktionsweise, wie bei der Analgetika-Gabe (unter Schmerzbehandlung).
Schmerzbehandlung
Rückenmarkstimulation (Spinal Cord Stimulation, SCS):
Die Rückenmarkstimulation ist ein bewährtes, minimalinvasives Verfahren zur Schmerzbehandlung bei der über im Bereich des Rückenmarks implantierte Elektroden elektrische Impulse abgegeben werden. Die SCS wird zur Behandlung chronischer, meist neuropathischer Schmerzen und von Durchblutungsstörungen (peripherer arterieller Verschlusskrankheit) eingesetzt und kann zu einer deutlichen Beschwerdelinderung für die stark betroffenen Patienten führen.
Hinterwurzelganglionstimulation (Dorsal Root Ganglion Stimulation, DRGS):
Die Dorsal Root Ganglion Stimulation ist ebenso wie die SCS ein Verfahren zur Schmerzbehandlung. Hier werden die Elektroden direkt am Spinalganglion in der Nähe der Nervenwurzeln implantiert, die für die Schmerzleitung in einem bestimmten Bereich verantwortlich sind. Hauptanwendungsgebiete sind chronische, neuropathische Schmerzen, insbesondere in den Extremitäten.Periphere Nervenstimulation (PNS) und Nervenfeldstimulation (PNFS): Elektroden werden an peripheren Nerven oder subkutan platziert, um chronische, lokal begrenzte Schmerzen (z.B. nach Nervenverletzungen, Lumbalgien, Leistenschmerzen) zu behandeln.
Okzipitalnervstimulation (ONS):
Bei ONS wird der Okzipitalnerv durch implantierte Elektroden stimuliert, was insbesondere bei chronischen Kopfschmerzerkrankungen (z.B. Migräne, Cluster-Kopfschmerz) zu einer erheblichen Linderung der Beschwerden führen kann.
Pumpengestützte intrathekale Analgetika-Gabe:
Die programmierbare implantierbare Medikamentenpumpe für die intrathekale Medikamentenabgabe wird bei schweren chronischen Schmerzen eingesetzt. Hierbei wird ein Medikament aus einem Reservoir der vollimplantierten Pumpe über einen Katheter in den Liquor-Raum (Nervenwasser) im Bereich der Wirbelsäule abgegeben.
Bluthochdruck / Herzinsuffizienz
Barostimulation (BAT):
Die Barostimulation ist ein fortschrittliches Verfahren, bei dem über eine auf der Halschlagader implantierte Elektrode elektrische Impulse an die Barorezeptoren abgegeben werden. Diese Impulse beeinflussen das autonome Nervensystem, um den Blutdruck zu senken und die Herzfunktion zu verbessern. Die BAT wird bei therapieresistenter Hypertonie oder Herzinsuffizienz eingesetzt und kann zu einer deutlichen Linderung der Beschwerden für betroffene Patienten führen. Das Verfahren bietet eine Ergänzung für Patienten bei denen medikamentöse Therapien nicht ausreichen die Symptomatik zu verbessern.
Atemwegserkrankungen
Hypoglossusnerv-Stimulation (HGNS/HNS):
Die Stimulation der oberen Atemwege (auch: Upper Airway Stimulation – UAS), ist ein Therapieverfahren zur Behandlung des Verschlusses der oberen Atemwege, auch Obstruktionen genannt. Dabei wird ein kleines implantierbares System eingesetzt, das im Schlaf den Zungennerv (Nervus hypoglossus) stimuliert. Ziel ist es, ein Zurückfallen der Zunge zu verhindern und dadurch den Atemweg offenzuhalten.
Inkontinenz
Sakrale Nervenstimulation (SNS):
Die Sakrale Nervenstimulation (SNS) ist ein Verfahren, bei dem Elektroden minimalinvasiv im Bereich der sakralen Nervenwurzel, meist am Foramen S3, platziert werden, um die Funktion der Beckenorgane zu beeinflussen. Die Stimulation reguliert gezielt die Nervenaktivitäten, die Blase, Darm und Beckenboden steuern. Hauptanwendungsgebiete sind therapierefraktäre Harn- und Stuhlinkontinenz sowie chronische Becken- und Blasenschmerzen.
Nicht-invasive Verfahren
Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS):
Eine nicht-invasive Methode zur Behandlung von Schmerzen, insbesondere bei muskuloskelettalen Beschwerden.
Transkranielle Magnetstimulation (rTMS) und transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS):
Eine nicht-invasive Stimulation des Gehirns zur Behandlung von Depressionen, Zwangsstörungen, ADHS, Schmerzen und zur Rehabilitation nach Schlaganfall.
Transkranielle Pulsstimulation (TPS):
Eine nicht-invasive Methode mit Schallpulsen, insbesondere zur Behandlung der Alzheimer-Demenz.