- Medizinprodukterecht BVMed-Konferenz zur MDR: „MedTech-Dialog soll MDR-Revision begleiten“
Die EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) muss verlässlicher, agiler und effizienter werden. Das forderten die Expert:innen der BVMed-Konferenz zum Medizinprodukterecht am 18. November 2025 in Berlin. Hoffnungen weckt die Ankündigung der EU-Kommission, Mitte Dezember 2025 einen Vorschlag für eine MDR-Revision vorzulegen, der anschließend in Parlament und Rat diskutiert werden muss. „Das Ministerium wird diesen Prozess auch im Rahmen des Medizintechnik-Dialogs begleiten, um die dortigen Diskussionen in die Festlegung der deutschen Verhandlungsposition einfließen zu lassen“, sagte Dr. Matthias Neumann vom Bundesgesundheitsministerium (BMG). Der Fokus müsse künftig darauf liegen, die MDR-Regeln sinnvoll und besser als bislang zu implementieren.
PressemeldungBerlin, 19.11.2025, 99/25
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BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll unterstützte das Vorhaben des Ministeriums, die notwendigen MDR-Verbesserungen im Rahmen der Koordinierung des Medizintechnik-Dialogs einzubinden. „Wir brauchen bei diesem Thema die starke Stimme Deutschlands auf europäischer Ebene, um Verbesserungen zu erzielen“, so Möll. Barbara Lengert, Sprecherin des BVMed-Arbeitskreises Regulatory Affairs, bezeichnete die BMG-Positionen zur MDR als richtig und sinnvoll: „Die deutschen Anregungen zur MDR-Revision sind für die Branche sehr hilfreich.“ BVMed-Expertin und Konferenz-Moderatorin Dr. Christina Ziegenberg betonte, dass die Unternehmen durch die MDR-Überarbeitung mehr Planungssicherheit und die Benannten Stellen klare und einheitliche Vorgaben benötigen. „Die Prozesse müssen transparenter und verständlicher werden. Die verbesserten Rahmenbedingungen müssen langfristig tragfähig sein. Innovationen dürfen nicht von überbordender Bürokratie ausgebremst werden“, so Ziegenberg.
Perspektive des Gesundheitsministeriums
Auf die aktuellen Pläne der EU-Kommission zur Überarbeitung der MDR ging Dr. Matthias Neumann, Referent für Medizinprodukterecht im Bundesgesundheitsministerium, ein. Die Arbeitsebene der EU-Kommission verfolge die Strategie, in einem ersten Schritt die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zur Anpassung der MDR zu nutzen und eventuell eine „Mini-Reform“ vorzunehmen, um dann im Jahr 2027 eine grundlegende Überarbeitung anzugehen. Nachdem der neue EU-Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi einen Entwurf bis Ende des Jahres angekündigt hatte, müsse die Arbeitsebene improvisieren und in höchster Eile einen Vorschlag erarbeiten, ohne die „targeted evaluation“ abzuwarten. Die deutsche Position sei, sich in dem Vorschlag auf das unbedingt Nötige zu beschränken, da ein jahrelanger Verhandlungsprozess vermieden werden müsse. Positionen aus deutscher Sicht sind unter anderem:
- Verschlankungen bei den Berichtspflichten durch Streichung des PSUR-Berichts (Artikel 86 MDR), da alle relevanten Informationen bereits Bestandteil anderer Berichte (PMS, PMCF, MIR) sind.
- Vereinfachungen im Bereich der klinischen Daten, klinischen Bewertung und klinischen Prüfung.
- Verlängerung der Gültigkeit von Produktzertifikaten. Die wiederholte Begutachtung soll nur wesentliche Produktänderungen betrachten und keine umfassende Wiederholung der erstmaligen Begutachtung sein.
- Europaweit einheitliche Einstufungen zur Klassifizierung und Abgrenzung von Medizinprodukten durch zentrale Entscheidungen.
- Abschaffung der Kategorie Ir.
- Schaffung einer nationalen Ombudsstelle zur Schlichtung von Problemen zwischen Benannten Stellen und Herstellern.
- Vereinfachungen für EUDAMED durch eine einfache Produktregistrierung über das UDI-Modul.
- Vereinfachungen beim Zusammenspiel mit der KI-Verordnung.
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Von der anstehenden Revision von MDR und IVDR erwartet Neumann insbesondere mehr verbindliche Vorgaben an Benannte Stellen hinsichtlich Fristen und Gebühren sowie eine „Optimierung der Rezertifizierung“. Um eine zentrale „Governance“-Struktur zu schaffen, soll die EMA die EU-Kommission und das MDCG-Gremium wissenschaftlich und administrativ unterstützen. Über EMA-Expertenpanels soll es zudem Unterstützung für Regelungen zu „Orphan Devices“ und „Breakthrough Devices“ geben. Neumann erwartet außerdem zahlreiche neue delegierte oder implementierende Rechtsakte, da in der kurzen Zeit keine zufriedenstellenden MDR-Texte entwickelt werden konnten.
Nach dem Vorschlag der EU-Kommission im Dezember 2025 werden der Rat und das Europäische Parlament den Vorschlag behandeln. Erste echte Befassungen in den Ratsarbeitsgruppen und im EU-Parlament könnten im Frühjahr 2026 stattfinden. Der Fokus müsse künftig darauf liegen, die MDR-Regeln sinnvoll und besser als bislang zu implementieren, so der BMG-Experte.
„Wir brauchen eine agilere und effizientere MDR“
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Den aktuellen Stand der MDR-Umsetzung beleuchtete Barbara Lengert von Johnson & Johnson Medical, Sprecherin des BVMed-Arbeitskreises Regulatory Affairs. Mittlerweile seien rund 30.000 Anträge auf Zertifikate nach MDR gestellt worden, aber erst rund 15.000 Zertifikate erteilt. „Die Diskrepanz zwischen Zertifikatsanträgen und ausgestellten Zertifikaten gibt weiterhin Anlass zu großer Sorge“, so Lengert. Die Umsetzung der MDR sei insgesamt aufwändiger, der Zertifizierungsprozess dauere länger, und die Umstellung sei teurer als ursprünglich gedacht. Die Konsequenz: Manche Produkte werden nicht überführt, insbesondere Nischenprodukte. Zudem fänden Innovationen derzeit vor allem außerhalb der EU statt. „Die MDR ist noch nicht effizient und agil genug“, so Lengerts Fazit. Wichtig seien nun ein konsequenter Bürokratieabbau, pragmatische Guidance-Dokumente und Implementing Acts sowie ein strukturierter Dialog mit den Benannten Stellen. Zu den Branchenforderungen gehören zudem die Abschaffung der Rezertifizierung, eine gegenseitige regulatorische Anerkennung, die Überarbeitung der Evidenzanforderungen, eine konsequentere Digitalisierung der Prozesse sowie ein eigener Zulassungsweg für Innovationen. Barbara Lengert: „Wir setzen uns für eine effizientere und agilere MDR ein. Sie muss zudem besser abgestimmt sein mit weiteren gesetzlichen Vorhaben in der EU – etwa umweltrechtlichen Regularien, Digitalgesetzgebung, Künstlicher Intelligenz oder dem European Health Data Space.“
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„Wir brauchen endlich Stabilität und Ruhe“, mahnte Dr. Rainer Edelhäuser, Direktor der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG). „Wir brauchen einen abgestimmten, klar erkennbaren Plan mit definierten Zielen – keinen Aktionismus.“ Dem Vorschlag der EU-Kommission sehe er skeptisch entgegen. Die Kommission habe genug konkrete Hinweise auf Unstimmigkeiten und Verbesserungsmöglichkeiten vorliegen, aber die Zeit zur Bearbeitung sei knapp gewesen. Dem Vorschlag werde sich nun wahrscheinlich eine längere Verhandlungsperiode anschließen. Eine gemeinsame Richtung sei nur bedingt erkennbar. Zwar würden einige Problembereiche beseitigt, „aber es werden auch wieder reichlich neue geschaffen werden“, befürchtet Edelhäuser.
Auch Rechtsanwalt und MDR-Experte Erik Vollebregt vermisst einen umfassenden Plan für eine saubere Regulierung. Das Problem sei nicht die Arbeit der Fachexpert:innen in der EU-Kommission, sondern die einfließenden „politischen Ambitionen“. Ein großes Problem sieht der Rechtsexperte auch in der Zusammenarbeit der MDR mit der KI-Verordnung. „Wir brauchen hier eine bessere Kohärenz der Gesetzgebung, eine bessere Abstimmung mit horizontaler Gesetzgebung wie der KI- oder Batterieverordnung“, so Vollebregt. Verbesserungsbedarf sieht er auch bei den Anforderungen an die Prozesse der Benannten Stellen. Diese müssten spezifischer gefasst werden, um zu einer einheitlicheren, harmonisierten Praxis zu gelangen. Zudem würde er gerne mehr Kompetenzen bei der EU-Kommission sehen, statt die EMA stärker einzubeziehen, denn „dann wird alles pharmakologisch“.
Erweiterte Anwendung elektronischer Gebrauchsanweisungen (eIFU)
Ein Panel der Konferenz beschäftigte sich mit der erweiterten Anwendung elektronischer Gebrauchsanweisungen (eIFU) für Medizinprodukte und ihren Auswirkungen auf die Unternehmenspraxis.
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Christopher Kipp vom BVMed erläuterte einführend, dass jedem Medizinprodukt eine Gebrauchsanweisung („Instruction for Use“, kurz IFU) beiliegen müsse, sofern das Produkt nicht selbsterklärend sei und eine sichere Anwendung auch ohne IFU gewährleistet werden könne. Bisher verlangten die europäischen Vorschriften für die Mehrzahl der Medizinprodukte die Bereitstellung einer IFU in Papierform. Mit der in diesem Jahr angepassten eIFU-Verordnung der EU-Kommission dürfen eIFU nun ausnahmslos für alle Medizinprodukte bereitgestellt werden, die unter die MDR fallen und für die professionelle Anwendung vorgesehen sind (sogenannte „eIFU for professional use“).
Die Umstellung auf eIFU ist optional. Auf dem Medizinprodukt oder den beigelegten Informationen muss ein eindeutiger Hinweis angebracht sein, wo die aktuelle Version der Gebrauchsanweisung zu finden ist. Auf Wunsch kann eine gedruckte Version kostenfrei angefordert werden. „Das geschieht in der Praxis aber fast nie, da die Anwender mit der digitalen Gebrauchsanweisung arbeiten“, so Anna-Sophie Geiersberger, Manager Regulatory Affairs bei Edwards Lifesciences. Edwards habe eIFU seit 2017 implementiert, da es eine häufige Kundenanforderung war. Die Umsetzung sei ein Großprojekt gewesen, das viele Unternehmensbereiche einbezogen habe. Den größten Vorteil sieht Geiersberger darin, dass Änderungen am Produkt schneller eingepflegt werden können – was auch für die Anwender von Nutzen sei. Hinzu kämen Nachhaltigkeitsaspekte wie der verringerte Papierverbrauch. Wichtig sei es, die Einführungsschritte mit der Benannten Stelle abzustimmen.
Von positiven Erfahrungen mit der eIFU-Einführung berichtete auch Dr. Philip Schuster von FEG Textiltechnik. Das mittelständische Unternehmen habe vor einem Jahr mit dem Projekt begonnen. Am Anfang habe eine Gap-Analyse zur Ermittlung der Anforderungen gestanden. „Die Anforderungen lagen vor allem auf technischer Ebene, deshalb haben wir einen Dienstleister für die technische Umsetzung eingebunden.“ Nach der Anmeldung bei der Benannten Stelle erfolge in Kürze der Live-Gang des Projekts. Wenn Anwender:innen weiterhin auf einer Papierversion bestünden, werde diese auf Anforderung durch den Dienstleister bereitgestellt. „Neben den Vorteilen für die Anwender und dem ökologischen Nutzen haben wir auch einen ökonomischen Vorteil durch Einsparungen bei Papier und Logistik“, so Schuster.
Verbesserungen durch einen „strukturierten Dialog“
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Meinrad Guggenbichler von der Benannten Stelle mdc medical device certification in Stuttgart stellte den „strukturierten Dialog“ als Instrument zur zielgerichteten und proaktiven Verbesserung der Konformitätsbewertung vor. Es handele sich – in Anlehnung an die MDCG 2019-6 – um einen systematischen Prozess zum Austausch über regulatorisches Vorgehen, etwa zu technischen Informationen oder regulatorischen Leitlinien im Rahmen eines Konformitätsbewertungsverfahrens. Wichtig sei es, zwischen Tätigkeiten vor und während eines Konformitätsbewertungsprozesses zu unterscheiden. Bei Benannten Stellen, die auch Consulting-Aktivitäten anbieten, müsse es eine strenge Trennung zwischen Beratung und Benannter Stelle geben. Nach „Team NB“, der Dachorganisation der Benannten Stellen, solle ein „frühzeitiges Dialogsystem“ eingerichtet werden, um die Transparenz des Konformitätsbewertungsprozesses zu verbessern. Ein frühzeitiger Dialog würde es den Herstellern ermöglichen, sich vor der vollständigen Konformitätsbewertung ein Bild von möglichen Lücken zu machen, wodurch sich die Markteinführung insgesamt beschleunigen würde. Wichtig seien dabei angemessene Schutzmaßnahmen, um Objektivität, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sicherzustellen sowie die Vertraulichkeit und Dokumentation der Gespräche.
Dr. Annette von der Groeben von seleon sieht den strukturierten Dialog als Chance für Transparenz, Planbarkeit und Risikominimierung. Er sei ein gutes Mittel, um frühzeitige Orientierung zu Anforderungen, Fristen und Verfahrenswegen sowie Klarheit über die Erwartungen der Benannten Stellen zu gewinnen. Wichtig sei zudem eine verlässliche Einschätzung administrativer Abläufe („Happy Path“) und eine einheitliche Auslegung regulatorischer Vorgaben – etwa von Guidelines, Normen oder MDCG-Dokumenten. Ein gut umgesetzter strukturierter Dialog ermögliche auch eine effiziente Planung von Ressourcen, Budgets und Timelines. Der Rahmen des Austauschs zwischen Unternehmen und Benannter Stelle sollte in einer schriftlichen Vereinbarung festgehalten werden.
Branche steht vor großen Transformationen
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Chancen und Herausforderungen für die Medizintechnik-Branche beschrieb Oliver P. Christ, Vorsitzender der DIN-Normungsgruppe für Risiko- und Qualitätsmanagement für Medizinprodukte. Der große Treiber für die nächsten Jahre werde die Künstliche Intelligenz (KI) sein. Sie werde in der Gesundheitsversorgung nicht ohne Medizintechnologien als „Träger“ der KI-Lösungen auskommen. Nach Christs Einschätzung stehen der Branche in den nächsten Jahren vier zentrale Transformationen bevor:
- Es müssen zahlreiche Nachfolgeregelungen bei mittelständischen, familiengeführten Unternehmen getroffen werden. Die Entscheidungskriterien werden viel Kraft und Zeit beanspruchen. Lösungen sollten dabei auch in einem KMU-Verbund gesucht werden.
- Die ökonomischen Rahmenbedingungen für Exporte werden durch US-Zölle, neue Zielmärkte, Lieferketten, Energiepreise, Wechselkurs-Schwankungen oder Bürokratieabbau völlig neu geordnet werden.
- Es müssen regulatorische Anforderungen gestemmt werden, die sich ständig ändern und komplexer werden. Das betrifft zum einen die speziellen Regelungen für Medizinprodukte, aber auch horizontale Regelungen für Künstliche Intelligenz, Datennutzung oder Nachhaltigkeit.
- Um im veränderten Wettbewerb zu bestehen, müssen neue Technologien wie KI oder Biotechnologien für neue Produkte genutzt werden. Dafür braucht es zusätzliche Investitionen in Forschung und Entwicklung und ein neues, vernetztes Denken.
Hinweis an die Medien:
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