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 - MedTech-Standort D Dr. Meinrad Lugan: „Nachhaltigkeit treibt auch die Medizintechnik an" Interview in der Handelsblatt-Beilage "Innovationen aus Medizin und Gesundheit", 20. Juni 2023

ArtikelBerlin, 27.06.2023

Bild herunterladen ESG, CO2 Werte und „Fit for 55“ treiben im Augenblick viele Unternehmen um. Auch die Medizintechnik kümmert sich um ihre ökologischen und sozialen Fußabdrücke in der Branche. Dafür hat die Handelsblatt-Beilage "Innovationen aus Medizin und Zukunft" mit dem BVMed-Vorstandsvorsitzenden Dr. Meinrad Lugan gesprochen. Es geht unter anderem um die SEE Impact-Studie des BVMed mit dem WifOR-Institut.

Herr Dr. Lugan, Sie haben eine umfangreiche Studie in Auftrag gegeben – es geht um mehr Nachhaltigkeit in ihrer Branche. Wo steht da die deutsche Medizintechnik?

Bei den ökonomischen Faktoren wissen wir schon länger, dass die Medizintechnik-Branche zu einem der bedeutendsten Teilbereiche der Gesundheitswirtschaft gehört und eine hohe Bedeutung für die Bruttowertschöpfung und Erwerbstätigkeit in Deutschland hat. Unsere Branche steht aber auch bei den ökologischen und sozialen Faktoren im Branchenvergleich insgesamt gut da, aber es braucht natürlich weitere Schritte, damit die Branche ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird. Die SEE-Impact-Studie, die das WifOR-Institut im Auftrag des BVMed-Instituts durchgeführt hat, ist eine gute erste Standortbestimmung, die deutlich macht, dass die externen Effekte im Umwelt- und Sozialbereich primär in der indirekten Lieferkette anfallen.

Ein großer Teil der Emissionen entsteht in der Supply Chain im Ausland, welche Einflüsse haben die deutschen Unternehmen da?

Ja, über 60 Prozent aller Treibhausgasemissionen der Medizintechnik-Branche entstehen indirekt in der globalen Lieferkette. Beim Faktor Luftverschmutzung sind es sogar fast 90 Prozent. Wenn es sich nicht um unmittelbare Lieferanten handelt, ist es für die Unternehmen nur schwer möglich, Einfluss zu nehmen. Wichtig ist uns eine klare, ausgewogene und realistische Beschreibung der Unternehmensverantwortung bei der Übernahme sozialer und umweltbezogener Sorgfalt. Von Unternehmen darf nur das verlangt werden, was mit Blick auf ihren Unternehmenszuschnitt und ihre Möglichkeiten der Einflussnahme angemessen ist. Wir sprechen uns deshalb beispielsweise für eine Begrenzung der Sorgfaltspflichten auf die direkten Zulieferer aus.

Wo wird den zum Beispiel schon wirklich nachhaltig gewirtschaftet?

Im Branchenvergleich sehen wir, dass die wirtschaftliche Aktivität der Medizintechnik weniger stark mit der Verursachung von Feinstaub verbunden als beispielsweise die der Fahrzeug- oder Maschinenbau-Branche. Zudem weist die Medizintechnik-Branche im auch einen geringen Wasserverbrauch und ein geringes Abfallaufkommen auf.

Man muss zu unserer SEE-Impact-Studie aber auch ehrlicherweise sagen: In diesem ersten Schritt ist der ökologische und soziale Fußabdruck beim Einsatz und Verbrauch der Produkte noch nicht bewertet. Wir haben also nicht betrachten können, wie viele Abfälle bei den Kunden und Kundinnen, also beispielsweise den Krankenhäusern, anfallen und wie diese besser vermieden werden können. Dafür gibt es bislang keine seriöse Datenbasis. Der BVMed und die Branche sind sich der besonderen Herausforderungen in diesem Bereich bewusst und werden gemeinsam mit den Krankenhäusern und anderen Beteiligten weiter an Lösungen arbeiten.

Der Produktionsstandort Deutschland ist wichtig für die Resilienz unseres Gesundheitssystems, das haben wir spätestens seit Beginn der Pandemie schmerzlich feststellen müssen. Welche Rahmenbedingungen fordern Sie von der Politik?

Wir fordern ein abgestimmtes Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Stärkung des Medizintechnik-Standorts Deutschland. Die Branche leidet unter dramatischen Kostensteigerungen und zunehmenden regulatorischen Hemmnissen. Damit leidet dann auch die Innovationskraft der deutschen Medizintechnik. Wir brauchen eine strategische Dialog-Plattform für die Branche. Wirtschafts-, Forschungs- und Gesundheitspolitik müssen abgestimmte Maßnahmen unter Einbindung der Industrieexpertise vorantreiben. Wir fordern unter anderem einen einheitlich verringerten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent auf Medizinprodukte, Entbürokratisierung und passgerechte Förderprogramme für KMU oder die Nutzung von Gesundheitsdaten für forschende Medizintechnik-Unternehmen.

Nicht nur die steigenden Kosten machen Sorgen, auch regulatorische Hemmnisse bremsen die Innovationskraft -Hier geht es um die MDR-Zertifikate. Kurz erklärt worum geht es bei diesen Zertifikaten und was soll sich Ihrer Meinung nach ändern?

Die EU-Medizinprodukteverordnung schreibt vor, dass alle Benannten Stellen, die Medizinprodukte zertifizieren, in einem aufwendigen Verfahren neu zugelassen werden müssen. Gleichzeitig müssen alle Medizinprodukte neu zertifiziert werden, auch bewährte Bestandsprodukte oder Nischenprodukte. Wir reden hier über 450.000 verschiedene Medizinprodukte und rund 25.000 Zertifikate, die bis 2024 in das neue System überführt werden müssen. Aktuelle Zahlen zeigen, dass erst knapp 2.000 neue Zertifikate ausgestellt sind. Die Kapazitäten reichen bei weitem nicht aus, um negative Folgen für die Versorgung von Patientinnen und Patienen sowie die Markteinführung von Innovationen zu verhindern. Wir brauchen hier pragmatische Lösungen und legislative Maßnahmen, beispielsweise Zertifikate unter Auflagen für Bestandsprodukte und die Abschaffung der Abverkaufsfrist. Und wir müssen solche gesetzgeberischen Maßnahmen zügig umsetzen – und gleichzeitig daran arbeiten, die Rolle Europas als attraktive Region für Investitionen in medizintechnische Innovationen zu stärken.

Ihre Branche befürchte dramatische Kostenexplosionen, Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat den Krankenhäusern Unterstützung in Milliardenhöhe zugesagt, braucht die Branche hier auch staatliche Hilfe?

Bei den Unternehmen in der Branche reden wir nicht nur über Hersteller, die ihre Preise entsprechend anpassen können, sondern auch über Leistungserbringer wie Sanitätshäuser oder Homecare-Unternehmen, die Patienten und Patientinnen direkt versorgen. Hier gibt es langfristige Verträge und kaum Möglichkeiten, die enormen Kostensteigerungen aufzufangen. Diese Bereiche müssen in die geplanten staatlich finanzierten Maßnahmen einbezogen werden, wie sie beispielsweise auch den Krankenhäusern zugutekommen.

Stark in der Diskussion unsere Abhängigkeit von China – Welche Ziele verfolgt hier der Verband für seine Mitglieder?

Wir unterstützen die Pläne der Bundesregierung, den Medizintechnik-Standort Deutschland mit Produktion und Forschung vor Ort zu stärken. Gleichzeitig bleibt China natürlich ein wichtiger Absatzmarkt für unsere hochtechnischen Lösungen. Schließlich gehen 66 Prozent der deutschen Medizintechnik in den Export. Wir setzen uns daher für den Abbau von Marktzugangsbarrieren für die MedTech-Branche ein. Mit Blick auf die chinesische Industriepolitik ist bspw. eine Abmilderung der Beschaffungsmodelle „Centralised State Procurement“ und „Buy Chinese“ wünschenswert.

Ihre Branche besteht zu einem großen Teil aus KMUs, die innovativ und forschend unterwegs sind. Wo sehen Sie die Zukunft der Branche? Warum ist Forschung nicht steuerlich absetzbar?

Da sprechen Sie einen spannenden Punkt an. Politik und Wirtschaft streben bis zum Jahr 2025 einen Forschungs- und Entwicklungsanteil am Bruttoinlandsprodukt von 3,5 Prozent an. Forschung konsequent steuerlich zu fördern kann helfen, zusätzliche F&E-Investitionen in Deutschland zu generieren und damit den High-Tech-Standort Deutschland zu stärken. Aktuell verlagern sich die Gewichte in der medizintechnischen Entwicklung vor allem zugunsten von Staaten, die mit deutlichen Steuervorteilen werben. Sie haben den volkswirtschaftlichen Wert von medizinischen Innovationen erkannt und fördern diese daher intensiv. Der internationale Standortwettbewerb wird insgesamt härter. Wir müssen in Deutschland deshalb die steuerliche Forschungsförderung und die Förderung klinischer Studien weiter ausbauen und einfacher gestalten. Wir meinen: Jedes Unternehmen sollte 10 Prozent seiner eigenfinanzierten F&E-Aufwendungen von seiner Steuerschuld abziehen dürfen.

Ihr Wunsch für 2023?

Deutschland braucht eine forschungsstarke, leistungsfähige, wirtschaftlich gesunde und international wettbewerbsfähige Medizintechnik-Branche. Mein Wunsch: Die Politik muss die Expertise der Medizintechnik-Unternehmen stärker einbinden – so wie sie es bei der Bewältigung der Corona-Krise mit Erfolg getan hat.

Zur Person: Dr. Meinrad Lugan ist seit 2007 Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed). Er ist Vorstand der B. Braun Familienholding SE & Co. KG und Verbandsrepräsentant der B. Braun SE. Lugan ist zudem seit 2008 im Vorstand des europäischen Dachverbandes MedTech Europe aktiv.

Quelle: Handelsblatt-Beilage "Inside Corporares: Innovationen aus Medizin und Gesundheit" von Bettzig Media, 20. Juni 2023.

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