Cookie-Einstellungen

Zur fortlaufenden Verbesserung unserer Angebote nutzen wir den Webanalysedienst matomo.

Dazu werden Cookies auf Ihrem Endgerät gespeichert, was uns eine Analyse der Benutzung unserer Webseite durch Sie ermöglicht. Die so erhobenen Informationen werden pseudonymisiert, ausschließlich auf unserem Server gespeichert und nicht mit anderen von uns erhobenen Daten zusammengeführt - so kann eine direkte Personenbeziehbarkeit ausgeschlossen werden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit über einen Klick auf "Cookies" im Seitenfuß widerrufen.

Weitere Informationen dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

 - MDR Gefährlicher Mangel: Medizinprodukte werden knapp – Lauterbach unter Druck Berliner Morgenpost vom 14. Juli 2022

ArtikelBerlin, 19.07.2022

© bvmed.de Ärzte, Krankenhäuser und auch Hersteller schlagen Alarm: Bei Medizinprodukten, etwa für Operationen, drohen Liefer-Engpässe, weil die Europäische Kommission die Prüfvorschriften verschärft hat. Gesundheitsminister Lauterbach wirkt machtlos, berichtet die Berliner Morgenpost.

Wenn ein Baby mit einem schweren Herzfehler geboren wird, etwa Arterien vertauscht sind, kommt es auf rasches Handeln an. Dann wird mit einem Ballonkatheter die Lücke zwischen rechten und linken Vorhof vergrößert. Theoretisch ein Routineeingriff. In der Praxis: zunehmend ein Problem. Weil OP-Materialien fehlen. "Es gibt einzelne Produkte, die es so im Moment praktisch nicht gibt", klagt Professor Matthias Gorenflo, ärztlicher Direktor an der Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler am Universitätsklinikum Heidelberg. Dann müsse man Kollegen in anderen Zentren ansprechen, "ob sie noch etwas übrig haben", erzählt er der Funke Mediengruppe, zu der die Berliner Morgenpost gehört.

Krankenhäuser an Lauterbach: Immer mehr Alarmrufe

Gerald Gaß kennt solche Klagen und auch die notgedrungene Tauschwirtschaft. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) erzählt, "schon jetzt erreichen uns alarmierende Berichte aus den deutschen Krankenhäusern zu fehlenden Medizinprodukten, besonders bei Nischenprodukten, auch für Kinder und Neugeborene." Mehr noch: "Die Situation wird von Tag zu Tag schwieriger." Die bislang bei Neugeborenen verwendeten Ballonkatheter sind vom Markt verschwunden. "Die Krankenhäuser sind hier auf Lagerbestände und eine einzige nur unzureichende Alternative angewiesen", weiß Gaß. Die Medical Device Regulation (MDR) der EU sei "nichts anderes als ein totes Pferd, das man besser nicht mehr reitet", schimpft Kardiologe Gorenflo.

Kritik an EU-Regularien: Gut gemeint, schlecht gemacht?

Schlecht gemacht, aber gut gemeint. Denn: Die strengeren Vorschriften sind eine Konsequenz aus dem Skandal mit Brustimplantaten. Der Vorsatz: Mehr klinische Daten, mehr Überwachung. Medikamente werden in Deutschland vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassen. Die Medizinprodukte müssen ein Prüfverfahren bei privaten Anbietern wie TÜV oder Dekra durchlaufen und von ihnen zertifiziert werden. Diese Zertifizierungsstellen müssen nach den EU-Vorgaben nun neu benannt werden. Das ist an sich schon aufwendig. Fakt ist, dass nach Verbandsangaben von zuletzt 59 noch 29 Stellen übrig geblieben sind.

Kleine Zertifizierungstellen sind teils verschwunden, bei den übriggebliebenen gibt es Kapazitätsengpässe, zumal sich auch der Prüfaufwand selbst erhöht hat. Also bereinigen Unternehmen ihr Produktportfolio, wo es unwirtschaftlich wird. Laut einer DKG-Umfrage im April sind bereits heute hunderte Produkte nicht mehr erhältlich.

Ärzte werden sich noch wundern, was alles fehlen wird

Sonderbar ist, dass auch Bestands- und Nischenprodukte den gleichen hohen Anforderungen unterliegen wie ein neues Instrument. "Das führt zur skurrilen Situation, dass ein Hüftimplantat, das seit 20 Jahren auf dem Markt ist, völlig neu zertifiziert werden muss", kritisiert Manfred Beeres, Sprecher des Bundesverbandes Medizinprodukte (BVMed).

Die Entwicklung finde leise statt, erläutert Professor Gorenflo. "Wenn ein Hersteller eine Produktlinie einstellt, werden Produkte abgekündigt. Das merken sie erst richtig, wenn sie nachbestellen wollen. Dann ist es weg." Im Mai 2024 läuft eine Übergangsfrist für die EU-Verordnung ab. Je näher der Termin, desto drastischer die Alarmrufe: "Die Ärzte werden sich noch wundern, was sie demnächst alles nicht mehr auf den OP-Tischen finden werden“, sagt Professorin Ruth Kirschner-Hermanns, Urologin vom Uniklinikum Bonn.

„Dass es Kontrolle braucht, ist unbestritten. Dass Sicherheit an oberster Stelle steht, auch. Eine offensichtliche Überregulierung für neue Produkte kann aber nicht mehr mit Patientenschutz verargumentiert werden. Durch die Einschränkung von Innovationen werden Todesfälle produziert“, warnt Professor Wolfram Lamadé, stellvertretender Leiter eines Onkologischen Zentrums in Pforzheim.

Lauterbach soll bei der EU auf Korrekturen pochen

Die Ärzte erwarten, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf den Plan tritt. Die Bundesländer machen Druck, insbesondere Bayern und Baden-Württemberg, wo viele Hersteller sitzen. Auf EU-Ebene haben 30 Abgeordnete Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einem Brief zu Korrekturen aufgefordert. Darin heißt es, die Verordnung gefährde Patienten. Wenn der Rechtsakt zur Folge habe, "dass Menschen wegen fehlender Herzklappen, Endoskope oder Katheter nicht operiert werden können, läuft etwas falsch".

Die Abgeordneten beklagen, bislang seien nur 15 Prozent der Medizinprodukte neu zugelassen worden. Da das Verfahren 13 bis 18 Monate dauere, sehen sie keine Chance, dass bis Mai 2024 sämtliche Produkte ihre Genehmigung erhielten.

Die DKG fordert einen "dauerhaften Bestandsschutz" für langjährig eingesetzte und erprobte Medizinprodukte. Der BVMed wünscht sich Ausnahmeregelungen für Nischenprodukte. Und alle zusammen verlangen, wenigstens die Übergangsfrist zu verlängern.

"Menschen werden sterben, wenn sich nicht etwas tut."

DKG-Chef Gaß merkt seit einigen Wochen, "dass die Sorgen ernst genommen werden"; zuletzt trieben sie die 27-EU-Gesundheitsminister bei einem Treffen in Brüssel um. Aber er sagt auch, "ernst nehmen reicht nicht, es muss dringend konkret gehandelt werden." Und: "Wir dürften die Sommerpause jetzt nicht ungenutzt verstreichen lassen."

Lauterbach lehnt sich politisch nicht zu weit aus dem Fenster. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-Abgeordneten Diana Stöcker, räumt sein Ministerium ein, "die Europäische Kommission lehnt zum jetzigen Zeitpunkt gesetzgeberische Maßnahmen, wie etwa eine Verlängerung der Übergangszeit ab, da dies die Probleme nicht lösen, sondern nur verschieben würde".

Deutschland habe seine Unterstützung bei der Umsetzung pragmatischer Lösungen zugesichert, versichert das Ministerium. Eine politische Entwarnung sieht anders aus. Womöglich muss erst was passieren, damit was passiert. Auf einem Fachkongress sprach Kardiologe Gorenflo Klartext "Menschen werden sterben, wenn sich nicht etwas tut."

Quelle: Berliner Morgenpost Online vom 14. Juli 2022Externer Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.

Ihr Kontakt zu uns

Service

News abonnieren

Sie möchten auf dem Laufenden bleiben?
Abonnieren Sie unsere kostenlosen Newsletter, E-Mail-Alerts zu unseren Themen oder Pressemeldungen.

Jetzt abonnieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Zölle
    BVMed zur Wirtschaftsministerkonferenz: „Zölle auf Medizinprodukte gefährden Menschenleben“

    Der BVMed hat die Wirtschaftsminister:innen aufgefordert, sich für Ausnahmeregelungen für Medizinprodukte bei den diskutierten Zollmaßnahmen einzusetzen. "Medizintechnische Produkte und deren Bestandteile sollten wie in der Vergangenheit aus humanitären Gründen von handelspolitischen Maßnahmen ausgenommen werden", so BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll.

    Pressemeldung03.06.2025

    Mehr lesen
  • MDR
    „Für einen resilienten Medizinproduktestandort in Europa“

    Um die Auswirkungen der Medizinprodukteverordnungen aus dem Jahr 2017 möglichst zeitnah abzumildern, haben Vertretende aus Politik, Wirtschaft und Versorgung in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Brüssel über geeignete Maßnahmen diskutiert.

    Artikel26.05.2025

    Mehr lesen
  • Standort Deutschland
    Regierungserklärung von Bundeskanzler Merz: Gute Ansätze, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken

    Der BVMed sieht in der Regierungserklärung von Bundeskanzler Friedrich Merz gute Ansätze, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Dabei sollte die neue Regierung einen starken Fokus auf die Potenziale der industriellen Gesundheitswirtschaft (iGW) und insbesondere der Medizintechnik als Leitwirtschaft setzen, fordert BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Dr. Marc-Pierre Möll.

    Pressemeldung14.05.2025

    Mehr lesen

Kommende Veranstaltungen

  • Einführungsseminar
    Erfolgreiches Marketing von MedTech-Unternehmen

    Als Mitarbeiter:in im Marketing oder Produktmanagement haben Sie eine Schlüsselrolle für den Erfolg Ihres Unternehmens. Die richtige Strategie entwickeln, Produktvorteile erkennen und im Zusammenspiel mit Agenturen an Entscheidungsträger und Kundschaft kommunizieren – dies sind Fähigkeiten, die professionelle Produkt- oder Marketing-Manager:innen kontinuierlich ausbauen. Das Seminar...

    SeminarVor Ort
    Berlin, 05.06.2025 09:00 - 16:30 Uhr
    Veranstalter: BVMed-Akademie
    Schwerpunkt: Kommunikation

    Zur Veranstaltung: Erfolgreich im Marketing von MedTech-Unternehmen
  • Online-Seminar
    MDR Online-Seminar | Forschungs- und Entwicklungszulage

    SeminarDigital
    05.06.2025 10:00 - 11:15 Uhr
    Veranstalter: BVMed
    Schwerpunkt: Regulatorisches

    Zur Veranstaltung: Forschungs- und Entwicklungszulage
  • Gesprächsforum
    FemTech - Gesundheitsdaten für die Forschung und Entwicklung (rechts-) sicher nutzen

    Eine gemeinsame Veranstaltung von Taylor Wessing und BVMed widmet sich der Frage, wie der Gender-Data-Gap geschlossen werden kann, um eine gerechtere und genauere Datengrundlage für die Forschung und Entwicklung zu schaffen.

    GesprächsforumVor Ort
    Berlin, 24.06.2025 17:00 - 20:00 Uhr
    Veranstalter: BVMed
    Schwerpunkt: Digitalisierung

    Zur Veranstaltung: Datenschätze heben: Wie lassen sich Gesundheitsdaten für die Forschung und Entwicklung (rechts-) sicher nutzen?

Ihre Vorteile als BVMed-Mitglied

  • Organisation

    In über 80 Gremien mit anderen BVMed-Mitgliedern und Expert:innen in Dialog treten und die Rahmenbedingungen für die Branche mitgestalten.

  • Information

    Vom breiten Serviceangebot unter anderem bestehend aus Veranstaltungen, Mustervorlagen, Newslettern und persönlichen Gesprächen profitieren.

  • Vertretung

    Eine stärkere Stimme für die Interessen der Branche gegenüber politischen Repräsentant:innen und weiteren gesundheitspolitischen Akteur:innen erhalten.

  • Netzwerk

    An Austauschformaten mit anderen an der Versorgung beteiligten Akteur:innen, darunter Krankenkassen, Ärzteschaft oder Pflege teilnehmen.

Die Akademie

Von Compliance über Nachhaltigkeit bis hin zu Kommunikation. Unsere Akademie bietet der MedTech-Community eine Vielfalt an Veranstaltungen zur Fort- und Weiterbildung an. Entdecken Sie unsere Seminare, Workshops und Kongresse.

Zu den Veranstaltungen