- Umweltrecht Übersicht: Biozid-Verordnung (Biozid-VO) Vorgaben für die MedTech-Branche
Die MedTech-Branche ist von zahlreichen umweltrechtlichen Vorgaben direkt oder indirekt betroffen. Mit unserem Infoservice zum Umweltrecht geben wir eine Übersicht zu den wichtigsten nationalen und europäischen Rechtsakten sowie den entstehenden Pflichten. In diesem Artikel legen wir einen Fokus auf die Biozid-Verordnung (Biozid-VO) – hier geht es zum Artikel auf Englisch. Mehr Rechtsakte finden Sie hier.
Artikel31.07.2025
Name des Rechtsaktes
Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten
Verkündungsstand
Konsolidierte Fassung vom 11.06.2024Externer Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.
Hintergrundinformationen
Nationale Durchführungs- und Sanktionsbestimmungen sind in folgenden Rechtsakten enthalten:
- Verordnung über die Meldung und die Abgabe von Biozid-Produkten sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozidrechts-Durchführungsverordnung - ChemBiozidDVExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.)
- Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz - ChemGExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.)
- Verordnung zur Sanktionsbewehrung gemeinschafts- oder unionsrechtlicher Verordnungen auf dem Gebiet der Chemikaliensicherheit (Chemikalien-Sanktionsverordnung - ChemSanktionsVExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.)
- Verordnung über Verbote und Beschränkungen des Inverkehrbringens und über die Abgabe bestimmter Stoffe, Gemische und Erzeugnisse nach dem Chemikaliengesetz – insb. §§ 15a bis 15h (GefStoffVExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.)
Biozidprodukte gemäß Biozid-VO unterliegen der Marktüberwachung gem. Verordnung (EU) 2019/1020 und den ergänzenden Regelungen des Gesetzes zur Marktüberwachung und zur Sicherstellung der Konformität von Produkten (Marktüberwachungsgesetzes – MüGExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.).
Ergänzende und begleitende RechtsakteExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab. sind auf der Website der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) abrufbar.
Anwendungsbereich
Die Biozid-VO gilt für Biozidprodukte und behandelte Waren. Anhang V enthält eine Liste der Arten von Biozidprodukten mit ihrer Beschreibung.
Der Begriff Biozidprodukt umfasst nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a) Biozid-VO „jeglichen Stoff oder jegliches Gemisch in der Form, in der er/es zum Verwender gelangt, und der/das aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen“ und „jeglichen Stoff oder jegliches Gemisch, der/das aus Stoffen oder Gemischen erzeugt wird, die selbst nicht unter den ersten Gedankenstrich fallen und der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen.“
Eine behandelte Ware mit einer primären Biozidfunktion gilt als Biozidprodukt. Dominante Auslobung einer bioziden Funktion kann bereits ausreichen (z.B. antibakterielle Wirkung).
Erfasst werden auch
- vor Ort (in-situ) hergestellte Stoffe bzw. Gemische mit biozider Funktion
- nur mittelbar auf die betreffenden Schadorganismen einwirkende Produkte, sofern sie einen oder mehrere Wirkstoffe enthalten, die eine chemische oder biologische Wirkung als Teil einer Kausalitätskette herbeiführen, die bei den betreffenden Schadorganismen eine Hemmwirkung hervorrufen soll (vgl. EuGH, Urteil vom 01.03.2012, Rs. C-420/10Externer Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab., „Söll“).
Ausnahmen von der Biozid-VO bestehen hingegen für Medizinprodukte, Human- und Tierarzneimittel. Nach Durchführungsbeschluss (EU) 2016/904Externer Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab. der Kommission sind Produkte mit ausschließlich biozider Funktion und ohne spezifisch medizinische Zwecke Biozidprodukte und keine Medizinprodukte bzw. Arzneimittel (z.B. Handdesinfektionsmittel).
Sonderfall: Ethylenoxid - Regulatorischer Status (Stand 21.08.2025)
- Vor dem Inkrafttreten der MDR fielen Produkte, die speziell für die Sterilisation von Medizinprodukten bestimmt waren, in den Anwendungsbereich der Biozid-VO. Nach Inkrafttreten der MDR gelten nach Art. 2 Nr. 1 UAbs. 2 MDR jedoch auch Produkte zur Sterilisation als Medizinprodukte, soweit sie vom Hersteller speziell zur Sterilisation von Medizinprodukten, Zubehör, fiktiven Medizinprodukten (Anhang XVI-Produkte) oder Geltungsmedizinprodukten bestimmt sind.
- Bei Ethylenoxid handelt es sich um einen Stoff, der im Rahmen des Herstellungsprozesses zur Sterilisation von Medizinprodukten verwendet wird, die anschließend in sterilem Zustand in Verkehr gebracht werden. Diese Verwendung von Ethylenoxid fällt folglich unter die MDR und nicht länger in den Anwendungsbereich der Biozid-VO. Mit Durchführungsbeschluss (EU) 2025/1074 vom 02.06.2025 wurde Ethylenoxid mangels eigenständiger Einsatzbereiche, die dem Anwendungsbereich der Biozid-VO unterfallen, nicht genehmigt.
- Die Anforderungen für den Einsatz von Ethylenoxid im Rahmen der MDR für Zwecke der Sterilisation sind nunmehr im Medical Device Coordination Group Document MDCG 2024-13 “Regulatory status of ethylene oxide (EtO) intended for the sterilisation of medical devices“ (October 2024) zusammengefasst.
Sonderfall: Ethanol – Regulatorischer Status (Stand: 21.08.2025)
- Ethanol ist als biozider Wirkstoff im Arbeitsprogramm der EU gelistet und nach der Biozid-VO zur Genehmigung beantragt. Aufgrund der spezifischen Gefahreneigenschaften ist Ethanol als potentiell zu ersetzender Wirkstoff identifiziert; die entsprechende öffentliche Konsultation wurde am 30.04.2025 beendet.
- Aufgrund der Stoffeigenschaften ist eine weitergehende harmonisierte Einstufung von Ethanol beabsichtigt. Aufgrund derzeit noch ausstehender Studien zur dermalen Toxizität wird die Einreichung des entsprechenden Vorschlags jedoch erst bis 31.12.2026 erwartet. An die Einreichung des Vorschlags schließt sich das weitere Verfahren gem. Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP) nebst ergänzender öffentlicher Konsultation an.
- Das Verfahren betreffend die Wirkstoffgenehmigung unter der Biozid-VO wird grundsätzlich unabhängig von der etwaigen weiteren Einstufung gem. CLP-Verordnung fortgeführt. Der weitere Entscheidungsprozess soll auf Ebene des Biocidal Product Committees (BPC) der Europäischen Chemikalien-Agentur voraussichtlich noch vor Ende 2025 abgeschlossen werden; die anschließende Entscheidung der Kommission wird frühestens für 2026 zu erwarten sein.
Rollen
Der relevante Akteur im Hinblick auf das Inverkehrbringen von Biozidprodukten in der EU ist der (potenzielle) Zulassungsinhaber. Dies ist nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. p) BiozidVO die in der Union niedergelassene Person, die für das Inverkehrbringen eines Biozidprodukts in einem bestimmten Mitgliedstaat oder in der Union verantwortlich und in der Zulassung genannt ist bzw. die Zulassung zu beantragen hat.
Das Inverkehrbringen meint hier nur die erste Bereitstellung eines Biozidprodukts oder einer behandelten Ware auf dem Markt.
Pflichten in Stichpunkten
- Genehmigung von Wirkstoffen (Art. 4 ff. BiozidVO – Übergangsvorschriften v.a. in Art. 90 BiozidVO) – Informationen der ECHAExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.
- Zulassung von Biozidprodukten – nationale Zulassung oder Unionszulassung möglich (Art. 17 ff. BiozidVO – Übergangsvorschriften v.a. in Art. 89 BiozidVO für Wirkstoffe, die dem Arbeitsprogramm unterfallen) – Informationen der ECHAExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.
- Vorgaben zum Inverkehrbringen behandelter Waren (Art. 58 BiozidVO) – Informationen der ECHAExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.
- Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung (Art. 69 BiozidVO)
- Sicherheitsdatenblätter nach REACH (Art. 70 BiozidVO)
- Vorgaben für Werbung (Art. 72 BiozidVO)
- Informationen an Giftnotzentralen über CLP-VO (Art. 73 BiozidVO)
Vorbehaltlich etwaiger Übergangsvorschriften, dürfen Biozidprodukte nur in Verkehr gebracht und verwendet werden, wenn die darin enthaltenen Wirkstoffe genehmigt sind und das Biozidprodukt zugelassen ist. Ergänzend muss mindestens ein Akteur der jeweiligen Lieferkette in der Liste nach Art. 95 BiozidVO eingetragen sein; in Einzelfällen können Ausnahmen bestehen.
Während geltender Übergangsvorschriften gelten ggf. nationale Verfahrensanforderungen (z.B. in Deutschland nach ChemBiozidDVExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.).
Behandelte Waren dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn die zur Behandlung verwendeten Biozidprodukte ausschließlich genehmigte oder aufgrund Übergangsregelung (Art. 94 BiozidVO) weiterhin verkehrs- und verwendungsfähige Wirkstoffe enthalten. Werden biozide Eigenschaften ausgelobt, gelten ergänzende Kennzeichnungspflichten (Art. 58 BiozidVO).
Verstöße gegen Vorgaben aus der BiozidVO sind grundsätzlich Ordnungswidrigkeiten.
Umfassende Informationen zur BiozidVO sind auf der Themenseite der ECHAExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab., den FAQsExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab. und in den umfassenden Leitlinien-DokumentenExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab. enthalten. Informationen sind auch beim deutschen HelpdeskExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab. verfügbar.
Aktuelles
Keine unmittelbar bevorstehenden Rechtsänderungen zu erwarten. Die Biozid-VO steht jedoch turnusmäßig zur Überarbeitung an. Derzeit ist die Annahme eines entsprechenden Vorschlags durch die Kommission für das Frühjahr 2027 zu erwarten.
Kontinuierliche Fortentwicklung zu Wirkstoffgenehmigungen und Fristen für Produktzulassungen bleiben unabhängig davon zu beachten.
Europäische VollzugsprojekteExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab. zur Biozid-VO laufen mit unterschiedlichen Schwerpunkten seit 2020.
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© Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed) in Zusammenarbeit mit Ahlhaus Handorn Niermeier Schucht Rechtsanwaltsgesellschaft mbH („Produktkanzlei“).
Diese Übersicht ersetzt keine Einzelfallprüfung.