Gesundheitspolitik

BVMed-Jahrespressekonferenz | Lugan: „Neuer Koalitionsvertrag muss Medizintechnik-Standort Deutschland stärken“

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Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) erwartet von der neuen Bundesregierung, dass sich die Kernthemen der Zukunftsbranche Medizintechnik auch im Koalitionsvertrag für die neue Legislaturperiode wiederfinden werden. „Wir setzen uns für die Förderung der Medizintechnik am Standort Deutschland ein“, sagte der BVMed-Vorstandsvorsitzende Dr. Meinrad Lugan, Vorstand bei B. Braun, auf der digitalen Jahrespressekonferenz des deutschen MedTech-Verbandes. Bei der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) setzt sich der BVMed für ein „Addendum“ ein, um Lösungen für die Übergangsfristen sowie Bestands- und Nischenprodukte zu etablieren. Um den Medizintechnik-Standort Deutschland zu stärken, schlägt der BVMed der neuen Bundesregierung eine „Initiative Medtech 2030“ vor, um die Maßnahmen zwischen Forschungs-, Wirtschafts-, Arbeits- und Gesundheitspolitik abzustimmen.

„Mit der Corona-Pandemie sind Medizinprodukte stärker ins Bewusstsein von Öffentlichkeit und Politik gerückt. Entsprechend finden sich die Themen unserer MedTech-Branche auch in allen relevanten Wahlprogrammen. Jetzt müssen den Worten auch Taten folgen“, so Lugan.

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Das aktuell wichtigste Medizintechnik-Branchenthema ist die EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR). Hier erwartet der BVMed von der neuen Bundesregierung eine europapolitische Initiative in Form eines „Addendums“ zur MDR, damit die Gesundheitsversorgung nicht gefährdet wird und der medizintechnische Innovationsstandort Europa im internationalen Wettbewerb mithalten kann. Denn: „Über 3 Jahre nach Inkrafttreten und über 4 Monate nach Geltungsbeginn der EU-Medizinprodukte-Verordnung ist das MDR-System immer noch nicht praxistauglich“, so Lugans Warnruf. Noch immer gebe es einen dramatischen Kapazitätsengpass bei den Benannten Stellen. Wegen der Engpässe und gestiegenen bürokratischen Aufwände drohen viele Produkte vom Markt zu verschwinden – zum Nachteil der medizinischen Versorgung der Bevölkerung. Zudem kommen medizintechnische Innovationen zum Erliegen, da sich Forschungsabteilungen aktuell auf MDR-Regularien fokussieren müssen.

Der BVMed schlägt deshalb folgende Lösungen vor:

  • Benannte Stellen müssen in einer konzertierten Aktion aller beteiligten Behörden schneller notifiziert werden. Es müssen genügend Ressourcen in den Benannten Stellen vorhanden sein. Für Hersteller, die nachweislich keine Benannte Stelle finden, müssen Lösungen etabliert werden.
  • Die Übergangsphase und die Laufzeit der bisherigen Zertifikate müssen verlängert werden, um den abzusehenden Engpass im Jahr 2024 zu entzerren.
  • Für bewährte Bestandsprodukte müssen unbürokratische und pragmatische Lösungen beispielsweise über das Instrument der „Anerkennung klinischer Praxis“ gefunden werden.
  • Für „Orphan Devices“, also Nischenprodukte, muss die Europäische Kommission Ausnahmeregelungen nach dem US-Vorbild der „Humanitarian Device Exemption“ sowie der „Orphan Drug“-Regelungen in Europa schaffen.
  • Für KMU sollten spezielle Förderprogramme zur Bewältigung der erhöhten MDR-Anforderungen aufgelegt werden.

Um Lehren aus der Corona-Pandemie zu ziehen, stellte der BVMed-Vorsitzende mehrere Bausteine vor:

  • Es ist wichtig, mehr in Infektionsschutz zu investieren. Die notwendigen Aufwendungen für Hygienemaßnahmen müssten konsequent evaluiert und adäquat vergütet werden.
  • Beim Krisenmanagement setzt sich der BVMed dafür ein, dass die MedTech-Branche frühzeitig in die Krisenstäbe der Bundesregierung eingebunden wird. Fehler, wie die nationalen Exportverbote zu Beginn der Krise, dürfen sich nicht wiederholen, so Lugan. „Wir brauchen für die komplexen Lieferketten einen freien Warenverkehr. Zugleich müssen wir eine strategische Unabhängigkeit bei versorgungskritischen Produkten durch den Aufbau europäischer Produktionen anstreben.“
  • Um künftige Verteilungsprobleme zu vermeiden, plädiert der BVMed für den Aufbau digitaler Lösungen, beispielsweise einer digitalen Bestandsplattform versorgungskritischer Medizinprodukte basierend auf internationalen eStandards.
  • Da Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Versorger in Folge der Coronakrise mit erhöhten Transport- und Logistikkosten sowie Rohmaterialpreisen konfrontiert sind, fordert der BVMed einen Ausgleichsmechanismus für Sonderausgaben abseits der Verhandlungsverträge mit Krankenkassen.

Um Gesundheitseinrichtungen, Krankenversicherungen und Patient:innen zu entlasten, schlägt der MedTech-Verband einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz auf Medizinprodukte von 7 Prozent vor.
Abschließend betonte Dr. Meinrad Lugan: „Deutschland braucht eine forschungsstarke, leistungsfähige, wirtschaftlich gesunde und international wettbewerbsfähige Medizintechnik-Branche. Wir bieten der nächsten Bundesregierung eine enge Zusammenarbeit an, um diese Ziele gemeinsam zu erreichen.“

Detaillierte Informationen zur BVMed-Jahrespressekonferenz können unter www.bvmed.de/medienseminar2021 abgerufen werden.

Der BVMed repräsentiert über 230 Hersteller und Zulieferer der Medizintechnik-Branche sowie Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Versorger. Die Medizinprodukteindustrie beschäftigt in Deutschland über 235.000 Menschen und investiert rund 9 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Der Gesamtumsatz der Branche liegt bei über 34 Milliarden Euro, die Exportquote bei 66 Prozent. Dabei sind 93 Prozent der MedTech-Unternehmen KMU. Der BVMed ist die Stimme der deutschen MedTech-Industrie und vor allem des MedTech-Mittelstandes.
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