- Datennutzung Geschlechtersensible Medizin gewinnt an Bedeutung – und kann eine Wachstumstreiberin sein Veranstaltung von BVMed und Taylor Wessing
Geschlechtersensible Medizin gewinnt an Bedeutung. Natalie Gladkov, Digitalexpertin des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed), wies bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Kanzlei Taylor Wessing darauf hin, dass nach dem Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung „medizinische Vorsorge, Behandlung und Forschung geschlechts- und diversitätssensibel“ gestaltet werden soll. Dafür braucht es bessere Daten und eine bessere Datennutzung, um den „Gender Data Gap“ zu überwinden. Für die FemTech-Expertin Dr. Christiane Hagel von der Universität Oxford kann Frauengesundheit dann auch eine wichtige Wachstumstreiberin für die Wirtschaft sein. „Deutschland kann hier Vorreiter sein, weil wir im Gegensatz zu den USA einen sicheren Rechtsrahmen für Daten haben“, so Hagel.
PressemeldungBerlin, 25.06.2025, 53/25
© BVMed/Manfred Beeres
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Der „Gender-Data-Gap“ stellt eine der bedeutendsten Herausforderung in der genderspezifischen Medizin dar, denn Frauen sind in medizinischen und technologischen Studien oft unterrepräsentiert. Diese Daten-Lücke hat weitreichende Auswirkungen auf die Qualität und Relevanz von Forschungsergebnissen im FemTech-Bereich. Mit der Veranstaltung „Datenschätze nutzen: Gesundheitsdaten für die Forschung und Entwicklung (rechts-)sicher nutzen“ widmeten sich Taylor Wessing und der BVMed zum zweiten Mal dem Thema Gendersensible Medizin. Die Expert:innen betonten den medizinischen und gesellschaftlichen Nutzen gendersensibler Forschung und Versorgung.
Prof. Dr. Ute Seeland, Lehrstuhl-Inhaberin für Geschlechtersensible Medizin an der Universität Magdeburg, bezeichnete mangelnde Prävention und mangelnde Berücksichtigung der geschlechtersensiblen Medizin als die beiden großen Defizite in der Gesundheitsversorgung. Sie plädierte für einen stärkeren Fokus auf geschlechtersensible Medizin und für „etwas weniger organspezifische, mehr systemspezifische Betrachtungen“. Als ein Beispiel nannte sie, dass bei kardiologischen Erkrankungen die Symptome bei Frauen anders als bei Männern seien. Wichtig sei, alle Stufen der „Patient Journey“ stärker zu digitalisieren und die Datennutzung zu verbessern: in der Überwachung und Früherkennung, in der Behandlung, in der Nachsorge. KI-Algorithmen könnten dabei unterstützen, würden aber noch zu wenig eingesetzt werden. Seelands Ziel: KI-Algorithmen sollen die Sterblichkeit von Frauen und Männern an Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken können.
Dr. Christiane Hagel von der University of Oxford und Präsidentin der FemTech Society, wies darauf hin, dass Daten vor allem dafür genutzt werden müssten, die medizinische Versorgung zu verbessern. Dr. Carolin Monsees von Taylor Wessing mahnte, dass auch der beste KI-Algorithmus nicht helfen kann, wenn die Datenqualität nicht stimmt. Deshalb ergebe es Sinn, dass der AI-Act auf europäischer Ebene die Anwendung von KI-Systemen reguliert. KI sei aber erst der zweite Schritt. Der erste Schritt sei, die Datenverfügbarkeit, den Datenaustausch durch internationale Standards und die Datennutzung zu verbessern.
Natalie Gladkov vom BVMed verwies darauf, dass durch das Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz nun immerhin auch forschende MedTech-Unternehmen einen besseren Zugang zu Gesundheitsforschungsdaten haben werden. „Dieser Zugang und die Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung und Entwicklung sind wichtig. Besonders die Gender-Data-Gap muss geschlossen werden, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Nur so können wir die Ursachen der Gesundheitslücke bei Frauen angehen.“
Jörg M. Huber vom Medizinprodukte-Hersteller und BVMed-Mitglied Dexcom nannte als Beispiel die Verbesserung des Blutzuckermanagements von Diabetiker:innen „durch das, was wir aus den Daten der kontinuierlichen Glukosemessung lernen können“. Dieser Datenschatz müsse aber auch gehoben werden. „Wir brauchen eine Aufbruchstimmung und müssen anfangen, Daten besser zu nutzen.“ Für digitale Lösungen passe dabei das enge Korsett für Nutzenstudien meistens nicht.
„Die Krankenkassen haben viele Daten, können sie aber in den meisten Fälle nicht nutzen“, sagte Andrea Galle, Vorständin der mkk-Krankenkasse, in der von Natalie Gladkov moderierten Podiumsdiskussion. Dadurch werde gerade auch die präventive Nutzung gehemmt. So dürften beispielsweise Abrechnungsdaten nicht mit freiwillig zur Verfügung gestellten Versorgungsdaten zusammengeführt werden.
Fazit der Diskussion: Verbesserte Datennutzung und KI-Algorithmen bieten große Potenziale, die Defizite in der gendersensiblen Medizin abzubauen. Das Thema ist bei der Politik und in der Öffentlichkeit angekommen, aber der Weg für Lösungen ist noch weit.