MDR

Medizinprodukte­verordnung: EU-Parlamentarier verlangen dringende Änderungen

Deutsches Ärzteblatt Online vom 19. Juli 2022

Der Widerstand gegen die Medizinprodukteverordnung (MDR) der Europäischen Union (EU) wächst sowohl in der Bundes- als auch in der Europapolitik. Eine Gruppe konservativer EU-Abgeordneter hat sich nun mit einem Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gewandt und fordert Anpassungen, berichtet das Deutsche Ärzteblatt Online.

Die Befürchtungen, dass die schleppende Umsetzung der MDR zu Versorgungsproblemen bei Medizinproduk­ten führen könnten, nehmen zu. Vor rund vier Wochen bereits hatte sich der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) zu Wort gemeldet und gefordert, die EU-Kommission müsse „rasch gegensteuern“.

Darauf folgte vergangene Woche die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hofmeister-Kraut mit der Forderung nach Erleichterungen für Bestands- und Nischenprodukte. Die MDR führe zu einer dramati­schen Zunahme von Versorgungsengpässe wegen Geschäftsschließungen und Produkteinstellungen von Me­di­zintechnikherstellern.

Noch deutlichere Töne findet nun eine Gruppe aus 38 konservativen und liberalen EU-Abgeordneten um die CSU-Politikerin Angelika Niebler. In einem gemeinsamen Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlagen sie Alarm und wollen nach eigener Darstellung die Kommission zwingen, eine Ände­rung der Medizinprodukteverordnung vorzuschlagen.

„Die MDR in der Fassung von 2017 schadet Patienten und setzt die Arbeit von Ärzten und Gesundheitsper­so­nal aufs Spiel“, heißt es in dem Schreiben, über das das Deutsche Ärzteblatt berichtet. „Im Endeffekt schwächt die MDR unser Gesundheitssystem, statt es zu stärken. So können wir nicht weitermachen. Die MDR war gut ge­meint, aber nicht gut gemacht.“

Der Knackpunkt sei, dass laut MDR bis spätestens Mai 2024 alle Medizintechnikprodukte durch sogenannte Benannte Stellen neu zertifiziert werden müssen, um weiter in der EU benutzt werden zu dürfen. Allerdings gibt es zu wenige dieser Benannten Stellen, da ihre Zertifizierung wiederum langsamer vonstattengeht als einst geplant. Deshalb dauere es momentan im Schnitt 13 bis 18 Monate für ein Unternehmen, ein Medizinprodukt zertifi­zieren zu lassen – und Stand heute seien gerade einmal 15 Prozent aller Medizinprodukte ins neue System überführt worden.

„Uns läuft die Zeit davon, falls die Vorgaben der MDR nicht geändert werden“, schreiben die Abgeordneten. „Es ist unmöglich, im verbleibenden Zeitkorridor alle übrigen Medizinprodukte zu zertifizieren. Wenn die MDR da­zu führt, dass Menschen wegen fehlender Herzklappen, Endoskope oder Katheter nicht operiert werden kön­nen, läuft etwas falsch.“

Sie fordern die EU-Kommission deshalb auf, das sogenannte Grandfathering zu ermöglichen. Dabei können Zertifizierungen, die bisher nach der alten Medizinprodukteverordnung erteilt wurden, auch nach der neuen Richtlinie ohne Enddatum gültig sein, sofern die Produkte nicht verändert werden und es keine wissenschaft­li­chen Beweise dafür gibt, dass das Medizinprodukt nicht mehr sicher ist. Grandfathering nicht zu ermöglichen, werde ernsthafte Flaschenhälse und Engpässe verursachen. „Wir bitten Sie deshalb eindringlich, ohne weitere Verzögerungen einen Entwurf vorzulegen, der die derzeitige MDR ab­ändert“, schreibt die Abgeordnetengruppe an von der Leyen.

Quelle: Deutsches Ärzteblatt Online vom 19. Juli 2022
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