Digitalstrategie

BVMed-Vorschläge zur Digitalstrategie | „Digitale Gesundheit wird erfahrbar, wenn digital versorgt, nicht wenn digital administriert wird“

Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) hat auf dem heutigen Fachforum im Bundesgesundheitsministerium (BMG) die frühe Einbeziehung der Medizinprodukte-Unternehmen und der Hilfsmittel-Leistungserbringer in die Erarbeitung einer Digitalstrategie gefordert. In einem Positionspapier hat der BVMed Vorschläge zur geplanten Digitalisierungsstrategie des BMG vorgelegt, die aus Sicht der Medizintechnik-Branche für eine leistungsfähige und nutzenstiftende digitale Gesundheitsversorgung notwendig sind. „Die vielen einzelnen Initiativen und Aktivitäten für eine digitale Gesundheitsversorgung müssen zu einer stimmigen Strategie zusammengeführt und energisch vorangetrieben werden. Nur so kann der Innovationsstandort Deutschland gesichert werden“, so BVMed-Digitalexpertin Natalie Gladkov. Das BVMed-Positionspapier zur Digitalstrategie kann unter www.bvmed.de/positionen heruntergeladen werden.

Die Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege wird aktuell unter Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit erarbeitet. Neben Expertengesprächen und einem Online-Fragbogen sind die Fachforen ein zentrales Beteiligungsformat innerhalb des partizipativen Strategieprozesses. Der BVMed beteiligt sich aktiv an dem Prozess und hat an dem heutigen Fachforum „Technologien und Anwendungen“ teilgenommen.

Wichtig für die Strategie ist aus BVMed-Sicht ein vernetzter Ansatz der digitalen Transformation des Gesundheitswesens. „Digitale Transformation gelingt nur, wenn Digitalisierung ganzheitlich, das heißt alle Bereiche zusammen, gedacht wird und die beteiligten Akteur:innen rechtzeitig einbezogen werden. Transformation muss in allen Bereichen stattfinden und von allen getragen werden“, heißt es in dem BVMed-Papier. Zwar hätten zahlreiche Gesetze der vergangenen Jahre den Grundstein für eine digitale Gesundheitsversorgung gelegt, allerdings ohne dabei ein klar kommuniziertes übergeordnetes Zielbild zu verfolgen.

Bisher werde die Digitalisierung im Gesundheitswesen vor allem über prozessbezogene Anwendungen vorangetrieben. So werde im Rahmen der Telematikinfrastruktur (TI) die Verwaltungstechnik digitalisiert sowie vorhandene Prozesse wie Verordnungen und Bescheinigungen digital übersetzt. Doch dies sei nur ein Aspekt einer notwendigen „Digitalisierungsstrategie“. Natalie Gladkov: „Digitale Transformation entsteht erst aus dem Zusammenspiel von Hardware, Software und Daten rund um die Gesundheit. Digitale Gesundheit wird erfahrbar, wenn digital versorgt, nicht wenn digital administriert wird.“ Der BVMed spricht sich deshalb in seinem Positionspapier für einen holistischen Ansatz der Digitalisierung aus, der Hardware und Software, Administration und Versorgung, Leistungserbringende und Patient:innen umfasst.

Nach Ansicht des BVMed sollten – neben der Beschreibung, wie die künftige digitale Gesundheitsversorgung aussehen soll – folgende Bausteine Bestandteil eines notwendigen eHealth-Zielbildes sein:
  • Nutzer:inneninteressen bei der Vernetzung voranstellen: Der Anspruch der TI darf nicht alleinig ein hohes Sicherheitsniveau sein. Nur bei hoher Funktionalität, leichter Zugänglichkeit und Anwender:innenfreundlichkeit werden digitale Lösungen auch genutzt und geschätzt.
  • Einheitliche Interpretation der Datenschutzanforderungen: Divergierende Interpretationen verschiedener Datenschutzbehörden erschweren die Datennutzung und lassen viele Potenzial, beispielsweise sinnvolle Cloud-Anwendungen, ungenutzt.
  • Daten aus digitalen Medizinprodukten und der Hilfsmittelversorgung in die ePA einbinden: Bisher sind beispielsweise Daten aus Implantaten und Verlaufsdaten in der ambulanten Hilfsmittelversorgung in der Regel nur medizinischem Fachpersonal zugänglich. Für Patient:innen und Mitbehandelnde können regelmäßige Übersichten über die Funktion der Medizinprodukte und über den Verlauf der ambulanten Hilfsmitteltherapie echten Mehrwert bieten. Dafür müssen Hersteller und die versorgenden Hilfsmittel-Leistungserbringer aktiv in die TI-Architektur eingebunden werden.
  • Interoperabilität stärken: Echte Interoperabilität kann nicht verordnet werden, sondern muss sich einem Diskurs aller beteiligten Akteur:innen unterziehen. Das Interop Council sollte daher Entscheidungen gemeinsam mit den Herstellerverbänden und weiteren Stakeholdern wie KBV und Fachgesellschaften treffen.
  • Internationale Standards übernehmen: Auch wenn auf nationale Besonderheiten verzichtet werden muss, überwiegen die Vorteile der verbindlichen Einführung von international diskutierten und erprobten Standards sowie von einheitlichen Schnittstellen. Beispielweise unterstützen wir die ISiK-Standards (Informationssysteme im Krankenhaus) der gematik auf der Basis von HL7/FHIR und entsprechende Schnittstellen wie SMART on FHIR.
  • Leistungsfähige Breitbandkapazitäten weiter ausbauen: Es müssen flächendeckend und kurzfristig hohe Leitungskapazitäten geschaffen werden, um einen hohen digitalen Reifegrad zu erreichen und um komplexe Telehealth-Lösungen umzusetzen.
  • Investitionen in Digitalisierung verstetigen: Der durch fehlende Investitionen entstandene Rückstand des Digitalisierungsgrades der Krankenhäuser muss durch eine auskömmliche Finanzierung der Kosten gedeckt werden.
  • Zukunftstechnologie Telemonitoring fördern: Viele Medizinprodukte können heute permanent Daten senden und ermöglichen damit einen genaueren Einblick in die Versorgung. So können anlassbezogene Alarmsysteme aufgebaut werden, die zum Beispiel bei Herzinsuffizienz ein gezieltes Eingreifen ermöglichen. Diese Möglichkeiten treffen allerdings auf ein starres Vergütungssystem, das neue Prozesse gar nicht oder sehr langsam integriert und damit den Verzicht auf Praxisbesuche nicht honoriert.
  • Digitale Medizinprodukte schneller in die Versorgung bringen: Nachdem digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) zu einem festen Bestandteil des Gesundheitsmarktes geworden sind, gilt es nach der erfolgreichen „Erprobung“ des sogenannten „Fast-Track“-Verfahrens nun, einen schnelleren Zugang von digitalen Medizinprodukten aller Risikoklassen in die Gesundheitsversorgung zu etablieren.
  • Vorgaben der Datensicherheit am konkreten Anwendungsfall ausrichten: Die Anforderungen an Datensicherheit und IT-Sicherheit müssen auch den Kontext der Anwendung berücksichtigen. Sicherheitstechnische Anforderungen dürfen die Nutzer:innen nicht überfordern.
  • Digitale Kompetenz stärken: Mit der Digitalisierung des Gesundheitssystems geht die Notwendigkeit für Informationen und den konsequenten Aufbau digitaler Kompetenzen bei Beschäftigten im Gesundheitswesen und Patient:innen einher.

Die ausführlichen Bausteine können dem BVMed-Positionspapier unter www.bvmed.de/positionen entnommen werden.

Weitere Informationen zum Thema gibt es unter www.bvmed.de/ehealth-strategie.

Download Bild Natalie Gladkov

Der BVMed repräsentiert über 240 Hersteller, Händler und Zulieferer der Medizintechnik-Branche sowie Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Versorger. Die Medizinprodukteindustrie beschäftigt in Deutschland über 250.000 Menschen und investiert rund 9 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Der Gesamtumsatz der Branche liegt bei über 36 Milliarden Euro, die Exportquote bei 66 Prozent. Dabei sind 93 Prozent der MedTech-Unternehmen KMU. Der BVMed ist die Stimme der deutschen MedTech-Branche und vor allem des MedTech-Mittelstandes.
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