Adipositas

DEGAM-Positionspapier | Adipositas ganzheitlich verstehen und behandeln

ÄrzteZeitung Online vom 27. März 2023

In einem Positionspapier hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) wichtige Grundlagen zur Adipositas-Therapie und -Prävention in der Hausarztpraxis zusammengefasst – und sie empfiehlt einen holistischen Ansatz in Prävention und Therapie, berichtet die ÄrzteZeitung Online.

In ihrem neuen Positionspapier zu Prävention und Therapie von Adipositas fasst die DEGAM aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse zu Übergewicht und Adipositas zusammen und empfiehlt auf dieser Basis eine holistische Perspektive. Dies meldet heute die DEGAM. Statt einzelne Symptome zu behandeln, sollte ein heterogenes Krankheitsbild wie Adipositas nicht separat gesehen, sondern im Kontext anderer Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes, arterielle Hypertonie, Demenz oder Osteoporose verstanden werden. Gleichzeitig müssen die vielfältigen Ursachen von Adipositas berücksichtigt werden, also genetische Prädispositionen, aber auch Ernährungsverhalten, Bewegungsmangel sowie problematische sozioökonomische Verhältnisse.

Adipositas in der Hausarztpraxis

Die DEGAM sehe, so die Meldung weiter, die Behandlung von Adipositas klar in der Hausarztpraxis: Hausärztinnen und Hausärzte seien spezialisiert auf den ganzen Menschen und damit prädestiniert dafür, Adipositas zu erkennen, in den Gesamtkontext zu stellen und zu behandeln. Als Therapieoptionen stünden zur Verfügung:
  • Ernährungsberatung,
  • Bewegungsempfehlungen (z.B. „Rezept für Bewegung“),
  • (neue) Arzneimittel sowie
  • bariatrische Operationen.

„Trotzdem bleiben Prävention und Therapie von Adipositas in der Hausarztpraxis eine Herausforderung, da die messbaren Erfolge selbst bei guter Motivation meist gering und von kurzer Dauer sind“, kommentiert Professor Martin Scherer, Präsident der DEGAM.

Adipositas als gesamtgesellschaftliche Herausforderung

Gerade weil Übergewicht und Adipositas durch verschiedene, auch gesellschaftlich bedingte, Faktoren bedingt sind, weist die DEGAM darauf hin, dass es sich um gesamtgesellschaftliche Herausforderungen handele, deren Bewältigung nicht allein in der Hausarztpraxis liegen kann: „Adipositas ist nicht selten ein direkter Ausdruck sozialer Ungleichheit. Es ist seit Jahren bekannt, dass das Risiko für Adipositas stark mit dem sozioökonomischen Hintergrund korreliert. Deshalb greift eine Therapie, die alleine auf das individuelle Verhalten abzielt, zu kurz, da auch die Verhältnisse berücksichtigt werden müssen“, sagt Dr. Thomas Maibaum, stellvertretender Sprecher der Sektion Prävention der DEGAM, die das Positionspapier federführend entwickelt hat, in der Mitteilung. „Wir Ärztinnen und Ärzte müssen immer wieder darauf aufmerksam machen, dass ungleiche Lebensbedingungen und soziale Spaltung auch harte gesundheitliche Konsequenzen haben“.

So sei es aus Sicht der DEGAM nicht nachvollziehbar, dass breiter angelegte – und seit Jahren gut erforschte – Initiativen der Verhaltens- und Verhältnisprävention nicht umgesetzt werden. Bekannte Beispiele sind die Zuckersteuer oder ein finanzierbares und ausgewogenes Kita- und Schulessen.

Zudem äußere sich die DEGAM im Positionspapier eher kritisch gegenüber der geplanten Einführung eines „Disease Management Programme“ (DMP) zu Adipositas. Es gebe kaum Evidenz für wissenschaftlich fundierte Therapieoptionen bei Adipositas. „Wie relevant und nachhaltig Abnehm-Programme in Hinblick auf Morbidität und Mortalität tatsächlich sind, ist bisher ungeklärt. Präventive Behandlungen zur Änderung des Lebensstils sind äußerst komplex und nur dann erfolgreich, wenn Autonomie und aktuelle Lebenssituation der Patientinnen und Patienten berücksichtigt werden. Nur so kann es zu einer partizipativen Entscheidungsfindung und einer nachhaltig wirksamen Adipositas-Therapie kommen“, bemerkt Thomas Maibaum in der Meldung abschließend.

Download des DEGAM-Positionspapieers

Quelle: ÄrzteZeitung Online vom 27. März 2023
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