- Experteninterview "Das Hauptrisiko einer KHK ist ein Herzinfarkt"
Artikel10.06.2014
Die KHK (koronare Herzkrankheit) zählt weltweit zu den häufigsten Herzerkrankungen. Allein in Deutschland gibt es rund 1,5 Millionen Betroffene. Professor Dr. Holger Nef, Universitätsklinikum Gießen, erläutert Ursachen und Folgen der Erkrankung sowie eine neue Therapieoption – das resorbierbare Gefäßgerüst.
Was sind die Ursachen einer KHK und welche Symptome machen das Krankheitsbild aus?
Die Ursache für eine Koronare Herzkrankheit (KHK) ist eine Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) der Herzkranzgefäße, bei der Blutfette, Blutgerinnsel (Thromben) und Bindegewebe sich in den Innenwänden der Gefäße einlagern (Plaquebildung). Dies verringert den inneren Gefäßdurchmesser, sodass der Blutfluss behindert wird. Hierdurch kommt es in Teilen des Herzens zu einem Sauerstoffmangel, welcher sich typischerweise durch Brustschmerzen, ein Engegefühl in der Brust oder ein Brennen hinter dem Brustbein bemerkbar macht. Diese Schmerzen können in den linken Arm, teilweise Nacken, Unterkiefer, Rücken oder Oberbauch ausstrahlen.
Wie schwerwiegend können die Folgen einer unbehandelten KHK sein?
Durch den stetigen Sauerstoffmangel des Herzmuskels, der bei Belastung zunimmt, kann es im Falle einer unbehandelten KHK zu einer Einschränkung der Herzfunktion kommen. Dabei ist ein Herzinfarkt Hauptrisiko einer KHK, der durch ein plötzliches Aufbrechen einer Plaquestruktur entstehen kann.
Welche Therapiemöglichkeiten werden zur Behandlung der KHK eingesetzt und wo sehen Sie Vor- und Nachteile dieser Behandlungsmethoden?
Die hauptsächliche Behandlung der KHK besteht in einer medikamentösen Behandlung. Im Vordergrund stehen Blutgerinngungshemmer, Betablocker und Cholesterinsenker. Zur erweiterten medikamentösen Therapie zählen ACE-Hemmer oder Calciumantagonisten. Zur Symptomlinderung können ebenfalls Nitrate eingesetzt werden. Ist eine KHK durch eine medikamentöse Therapie nicht ausreichend kontrollierbar, kommt zusätzlich eine Aufdehnung der Herzkranzgefäße, die sogenannte PCI, oder eine Bypass-Operation in Frage.
Der Vorteil einer PCI (percutaneous coronary intervention)-Behandlung besteht in dem relativ einfachen Zugang über die Arm- oder Leistenarterie. Damit kann durch einen Katheter ein Ballon über die Engstelle vorgebracht und diese aufgedehnt werden. Anschließend wird in den meisten Fällen ein medikamentös-beschichtetes Metallgerüst (Stent) vorgebracht. Ein möglicher Nachteil dieser Stents könnte ein späterer Verschluss durch eine unvollständige Bedeckung des Stents mit körpereigenem Gewebe sein.
Bei mehreren oder auch schwierig zugänglichen Engstellen könnte eine Bypass-Operation, also die Umgehung von Engstellen durch körpereigene Venen, notwendig werden.
Welchen Therapieansatz verfolgt das resorbierbare Gefäßgerüst (bioresorbierbarer scaffold = BRS) und für welche Patienten ist diese Behandlung geeignet?
In der Anfangszeit der interventionellen Kardiologie wurden ursprünglich Engstellen in Herzkranzgefäßen nur mit einem Ballon beseitigt. Aus wissenschaftlichen Untersuchungen kann man erkennen, dass bei einem initialem Erfolg die Langzeitwirkung durchaus akzeptabel ist. Allerdings kommt es in vielen Fällen nach Ballonaufdehnung zu einem akuten Einriss der inneren Gefäßwand oder zu einem reaktiven Engstellen des Gefäßes überhaupt, sodass heutzutage immer ein Stent besser abschneidet als die reine Ballonaufdehnung. Dementsprechend verfolgt ein bioresorbierbarer Scaffold den Therapieansatz, gerade in der initialen Phase die entsprechend aufgedehnte Engstelle zu sichern und sich nach 6 Monaten – also dann, wenn eine Gefäßstütze nicht mehr gebraucht wird – aufzulösen.
Wo sehen Sie die besonderen Vorteile dieser neuen Behandlungsoption?
Ein Vorteil in der Behandlung von Engstellen im Herzkranzgefäßsystem mit einem bioresorbierbaren Scaffold könnte darin liegen, dass Spätfolgen eines Fremdkörpers wie beim Metallstent, z.B. Verschluss durch Blutgerinnsel, möglicherweise nicht auftreten, da der bioresorbierbare Scaffold nach zwei bis drei Jahren vollständig aufgelöst ist.
Wie wird die Implantation des BRS durchgeführt?
Die Implantation eines BRS verläuft wie die eines Metallstents. Da die Streben allerdings dicker sind als beim herkömmlichen Metallstent, muss die Engstelle durch entsprechende Vordehnung vorbereitet werden.
Wie lange hält die Wirkung des BRS an? Welche Erfolgschancen bietet die Behandlung mit einem BRS?
Aus den bisherigen klinischen Untersuchungen kann man ableiten, dass die Wirkung eines bioresorbierbaren Scaffold lange anhalten kann. Allerdings sind die bisherigen Daten nur aus Registerarbeiten gewonnen und entstammen nicht aus randomisierten Studien. Im Herbst 2014 sollen die ersten randomisierten Studiendaten veröffentlicht werden, die erstmalig einen kontrollierten Vergleich zwischen den bisherig eingesetzten Metallstents und den bioresorbierbaren Scaffolds zulassen. Somit bleibt eine abschließende Beurteilung über die Erfolgschancen des BRS noch abzuwarten.
Wie verbreitet ist die Behandlung und welche Erfahrungen haben Sie mit dieser Methode bei Ihren Patienten und Patientinnen gemacht?
Nach den ersten vorsichtigen Schritten bei ausgewählten Patienten ist mittlerweile eine große Erfahrung mit bioresorbierbaren Scaffolds in Deutschland und darüber hinaus vorhanden. Während man anfänglich nur einfache Läsionen mit einem BRS behandelt hat, können heute auch komplexe Koronarmorphologien behandelt werden. Allerdings ist die Tatsache, dass alles möglich ist, nicht gleichzeitig Rechtfertigung auch alles zu tun. Hier muss man wohldosiert vorgehen und diese neuartige Therapie in bewusst ausgesuchten Patientenkollektiven einsetzen. Einen besonderen Stellenwert bekommt hier die intravaskuläre Bildgebung (z.B. Optical coherence tomography), die in der Entscheidungsfindung hinsichtlich Metallstent oder BRS eine wesentliche Hilfe sein kann. Insbesondere ist darauf hinzuwirken, dass derzeit jeder Patient, bei dem ein BRS implantiert wird, in sog. Registern (z.B. GABI-R) erfasst wird, um mehr über diese neuartige Therapie zu erfahren.
Quelle: Aktion Meditech
Hier gibt es einen Artikel zum bioresorbierbaren Gefäßgerüst.
Hier gibt es einen Informationsfilm zum Thema "Gefäßgerüste".
Hier gibt es ein Magazin zum Thema "Herz".
Hier gibt es eine Infografik zum Thema "50 Jahre Kathetertechnologie: Meilensteine in der Behandlung der koronaren Herzkrankheit".