Auge

Künstliche Intelligenz unterstützt Augenärzte bei der Glaukom-Therapie

In der Ophthalmologie wird viel Bilddatenmaterial gesammelt – ein ideales Experimentierfeld für Machine- und Deep-Learning-Systeme. Bei Glaukom erleichtern sie Diagnostik und Therapiesteuerung, berichtet ÄrzteZeitung-Online.

Regelmäßige Augeninnendruckmessungen, Gesichtsfelduntersuchungen, hochauflösende Darstellungen der Netzhaut mittels optischer Kohärenztomographie (OTC) – all das generiert bei Glaukompatienten eine Datenflut, deren Auswertung immer zeitaufwändiger und komplizierter wird.

Dies an Computer zu delegieren, ist ein vielversprechender Ansatz, Ärzten Arbeit, aber nicht ihre Expertise abzunehmen, und sie bei therapeutischen Entscheidungen zu unterstützen.

„Künstliche Intelligenz lässt sich dort gut einsetzen, wo klare Fragestellungen auf große Datenmengen treffen, die die nötigen Informationen beinhalten“, so Professor Hagen Thieme, Universitätsaugenklinik Magdeburg, anlässlich einer Pressekonferenz bei der Jahrestagung der Augenärztlichen Akademie Deutschland (AAD).

Untersuchungsmethoden generieren viele Daten

Mehr als 170 Jahre, nachdem Hermann von Helmholtz 1850 den Augenspiegel erfand, hat die Bildgebung in der Ophthalmologie nicht an Bedeutung verloren. Nur können moderne Bildgebungsverfahren weit mehr als einst Helmholtz‘ Erfindung.

So erlaubt die computerisierte OCT als nicht-invasives, tomographisches Verfahren, Topographie und Struktur des Sehnerven und einzelner Netzhautschichten nichtinvasiv im Detail abzubilden. Die OTC-Angiographie fügt Informationen über den Zustand parapapillärer chorioidaler Mikrogefäße und die peripapilläre Gefäßdichte hinzu.

„Die Bilder, die hier entstehen, sind vom Computer sichtbar gemachte digitale Daten“, erläuterte Thieme. Und zwar ziemlich viele. Es lohnt zu prüfen, ob „Künstliche Intelligenz“ (KI) hier nicht die Befundauswertung beschleunigen und präzisieren kann.

Anwendungen erlauben Einschätzung der Prognose

Laut Thieme werden bereits Studien mit Verarbeitung von bis zu 15.000 Gesichtsfeldanalysen oder 20.000 OCT-Befunden veröffentlicht. Erste Anwendungen beim Glaukom unterstützen die Diagnose, manche erlauben prognostische Aussagen. Die Behandelnden können das für Therapieentscheidungen heranziehen – langfristig laut Thieme „auch dort, wo eine OTC-Untersuchung nicht möglich ist“.

Schon heute erkenne KI Gesichtsfelddefekte zuverlässiger als menschliche Experten, so der Ophthalmologe. Eine Arbeitsgruppe aus Südkorea trainierte ein rekurrentes künstliches neuronales Netzwerk soweit, dass es schließlich nach Analyse von fünf Gesichtsfeldbefunden pro Patient vorhersagen konnte, wie eine sechste Untersuchung ausfallen würde – auch das gelang besser als mit herkömmlichen Methoden (Sci Rep. 2019;9(1):8385).

Ein anderes Programm wurde mit Fundusaufnahmen und OTC-Messungen der Dicke der retinalen Nervenfaserschicht trainiert (Ophthalmology. 2021;128(3):383-392). Es vermag nun anhand der Fotos zu unterscheiden, ob weitere Nervenfasern voraussichtlich rasch oder moderat verloren gehen.

Dass KI-Systeme ihn und seine Kollegen perspektivisch verdrängen, glaubt Thieme nicht: „Die augenärztliche Bewertung und Entscheidung ersetzen sie nicht, doch sie bieten wichtige Hilfestellungen.“

Quelle: ÄrzteZeitung Online vom 20. März 2023
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