Medizinprodukteverordnung
Annahme der MDR-Änderungen: „Wir dürfen uns mit dieser Notoperation nicht zufriedengeben“
Drei Fragen an MdEP Peter Liese
Brüssel, 22.02.2023|
In drei kurzen Fragen zur Annahme der Änderungen an der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) durch das Europäische Parlament beschreibt CDU-Europaabgeordnete Peter Liese die Änderungen als „Notoperation“, die kurzfristig aushelfe. Es gebe weiterhin strukturelle Probleme, beispielsweise für Nischenprodukte. Er plädiert dafür, die MDR einer grundsätzlichen Revision zu unterziehen.
Wie schätzen Sie die Annahme der Änderung der Medizinprodukteverordnung durch das Europäische Parlament ein?
Liese: „Das war ein wichtiger Schritt. Meine Kolleginnen und Kollegen aus der EVP-Fraktion und ich haben uns bereits seit Monaten bei der Kommission für eine Änderung der Verordnung eingesetzt, nachdem klar wurde, dass sonst lebenswichtige Produkte aus dem Markt verschwinden werden. Den Vorschlag von Anfang Januar konnten wir nun in einem Eilverfahren in nur knapp 5 Wochen im Europäischen Parlament annehmen. Ich begrüße dabei, dass sich fast alle der Dringlichkeit des Problems bewusst waren und wir eine große Mehrheit (537+/3-/24 abst.) für den Vorschlag erzielen konnten.“
Was bedeutet diese Änderung konkret?
Liese: „Durch die Änderung erhalten Hersteller für Medizinprodukte längere Übergangsfristen für eine Rezertifizierung nach der neuen Verordnung. Produkte mit einem hohen Risiko können dabei bis Ende 2027 und Produkte mit mittleren und niedrigen Risiko bis Ende 2028 im Markt bleiben, wenn sich die Hersteller um ein neues Zertifikat bemühen. Mit dieser „Notoperation“ können wir nun sehr kurzfristig Druck aus der Situation nehmen und konkret lebenswichtige Medizinprodukte weiternutzen. Die Verordnung wird nach der formalen Annahme am 07.März im Rat in Kraft treten können.“
Wie muss es nun weitergehen?
Liese: „Wir dürfen uns mit dieser Notoperation nicht zufriedengeben. Der „Patient MDR“ muss jetzt in die Reha. Es gibt strukturelle Probleme - etwa bei Nischenprodukten, zum Beispiel für Kinder, wo sich der Aufwand der Zertifizierung nicht lohnt, da die verkauften Stückzahlen sehr niedrig sind. Bei Medikamenten konnten wir eine besondere Regelung mit Anreizen (Orphan Drug Regulation und Pediatric Regulation) finden. So etwas brauchen wir auch bei Medizinprodukten. Darüber hinaus müssen wir auch in einer grundsätzlichen Revision noch mal an die Verordnung ran und ohne Abstriche an der Sicherheit zuzulassen, die Bürokratie auf den Prüfstand stellen. Ich bin sicher, die Ziele lassen sich besser vereinen als im jetzigen Text. Die Arbeit an einer solchen Revision geht jetzt los.“
Peter Liese ist seit 1994 Mitglied des Europäischen Parlaments. Mehr unter www.peter-liese.de
Hintergrundinformation
Das EU Parlament hat am 16. Februar Änderungen zur MDR entschieden (
zur BVMed-Pressemeldung ). Zu den beschlossenen Änderungen gehören:
- Abschaffung der Abverkaufsfrist
- Verlängerung der Übergangsfrist für die neuen Vorschriften nach einem risikobasierten Ansatz
- Aufnahme der Klasse III-Sonderanfertigungen in die Fristenverlängerung
-
Weitere Artikel zum Thema
-
BVMed und SPECTARIS schlagen bei PFAS Alarm | Pauschales Verbot gefährdet die Gesundheitsversorgung mit lebensnotwendigen Medizinprodukten
Die beiden Medizintechnik-Verbände BVMed und SPECTARIS haben in einem gemeinsamen Schreiben an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) vor den verheerenden Auswirkungen eines pauschalen PFAS-Verbots auf die Patient:innenversorgung mit lebensnotwendigen Medizinprodukten gewarnt. Die EU-Kommission plant in einer untergesetzlichen Regelung ein umfassendes Verbot von rund 10.000 Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS), von denen viele bislang unverzichtbar und alternativlos sind. EU-Rat und EU-Parlament sind dabei deutlich zu spät eingebunden worden, kritisieren BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll und SPECTARIS-Geschäftsführer Jörg Mayer.
Mehr
-
MDR-Konferenz der BVMed-Akademie: „MDR inhaltlich weiterentwickeln“ | Erstmals Zulieferer-Panel mit dem VDMA
Die Verschiebung der Übergangsfrist der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) vom März 2023 war sinnvoll und notwendig, hinterlässt in der Praxis aber weiter ungeklärte Fragen. Auch bleiben die inhaltlichen Probleme mit der MDR. Das meinten die Regulatory-Expert:innen Barbara Lengert von Johnson & Johnson und Frank Matzek von Biotronik auf der dritten MDR-Konferenz der BVMed-Akademie. Dr. Katrin Westphal vom Bundesgesundheitsministerium sprach von „Signalen“, dass die Debatte über die inhaltliche Weiterentwicklung der MDR nach den Europawahlen im Frühjahr 2024 erfolge. Erleichterungen in der Praxis verspricht sich Matzek durch die anstehenden Änderungen bei der Auslegung von „significant changes“: Schrittinnovationen dürften nicht behindert werden und Änderungen eines Materials oder von Verpackungen sollten künftig ohne Neuzertifizierungen möglich sein. Erstmals fand im Rahmen der MDR-Konferenz ein eigenständiges Zulieferer-Panel statt.
Mehr
-
BVMed-Service | Neue Infoblätter zum Umweltrecht
Der BVMed hat weitere Infoblätter zu umweltrechtlichen Vorgaben veröffentlicht. Mit den Blättern zu beispielsweise dem Batteriegesetz oder dem Elektrogeräte-Recht unterstützt der Verband Medizintechnik-Unternehmen bei der Umsetzung des Umweltrechts. Der kostenfreie BVMed-Service unter bvmed.de/umweltrecht gibt einen Überblick zu den Anwendungsbereichen und entstehenden Pflichten aus aktuell 14 unterschiedlichen Gesetzen und Verordnungen.
Mehr