Medizinprodukteverordnung

Änderung der Medizinprodukteverordnung: "Ein wichtiger Schritt hin zu mehr Patientensicherheit in der EU"

Gastbeitrag von MdEP Angelika Niebler

In einem Gastbeitrag für bvmed.de bezeichnet die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler die geplanten Änderungen an der EU-Medizinprodukte-Verordnung als einen wichtigen Schritt hin zu mehr Patientensicherheit in der EU. Der Vorschlag der Kommission gehe aber grundlegende Probleme der MDR nicht an. Beispielsweise führe der hoch bürokratische Zertifizierungsprozess dazu, dass der Innovationsstandort Europa zunehmend unattraktiv für Medizinproduktehersteller werde. Außerdem lohne es sich kaum noch, Nischenprodukte zu entwickeln. Deshalb sollte die EU-Kommission die Review der MDR bereits im Jahr 2024 vorlegen.

"Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser und Hersteller von Medizinprodukten schlagen schon seit über einem Jahr Alarm. Wichtige Medizinprodukte gehen aus, werden nicht mehr hergestellt, sind nicht mehr auf dem Markt erhältlich. Beispielsweise sind Ballonkatheter für Kinderherzen kaum noch verfügbar und Kinder mit angeborenem Herzfehler können nicht operiert werden.

Was ist passiert?

Im Jahre 2017 ist die Neufassung der Medizinprodukteverordnung (MDR) im Europäischen Parlament verabschiedet worden. Auslöser war damals der große Skandal in Frankreich und Deutschland, bei dem Brustimplantate mit Industriesilikon befüllt wurden. Mit der Neufassung sollten solche Fälle vermieden und die Patientenversorgung verbessert werden. Leider zeigte sich nun in der praktischen Anwendung der Verordnung, dass durch die Vorgaben der MDR weniger Medizinprodukte in Europa verfügbar sind. Patientinnen und Patienten sind in Gefahr.

Nach der MDR müssen auch Produkte, die seit langem mit hoher Zufriedenheit in Kliniken und Praxen im Einsatz sind, neu zertifiziert werden. Diese Re-Zertifizierungspflicht nach der MDR führt dazu, dass Unternehmen Produkte, wie z.B. Herzklappen, Endoskope und Katheter, vom Markt nehmen, weil sich der bürokratische und finanzielle Aufwand der Zertifizierung nicht mehr lohnt. Dies trifft insbesondere auch auf Nischenprodukte zu, die oft in deutlich kleinerer Stückzahl hergestellt werden, weil sie z.B. nur für Behandlungen von Kindern zum Einsatz kommen. Deshalb habe ich die Kommission bereits mehrfach gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament dazu aufgefordert, eine Änderung der MDR vorzuschlagen.

„Erste Erfolge wurden erzielt.“

Unser monatelanger Druck im Europäischen Parlament auf die Kommission, das Problem der sinkenden Verfügbarkeit von Medizinprodukten anzugehen, ist endlich erfolgreich. Nach Monaten des intensiven Drängens hat die Kommission endlich einen Vorschlag für die Änderung der MDR vorlegt, der nicht nur eine Fristverlängerung für die Re-Zertifizierung von Medizinprodukten vorsieht, sondern auch eine längere Gültigkeit bereits vergebener Zertifikate. Im Europäischen Parlament haben wir nun den Vorschlag der Kommission in Rekordzeit durchzuberaten, damit die leeren Schränke in den Krankenhäusern zügig wieder befüllt werden können. Trotzdem bleibt noch viel zu tun.

„Wir sind noch nicht am Ziel.“

Der Vorschlag der Kommission geht zwei grundlegende Probleme der MDR nicht an! Erstens führt der hoch bürokratische Zertifizierungsprozess dazu, dass unser Innovationsstandort zunehmend unattraktiv für Medizinproduktehersteller wird. Es kann doch nicht sein, dass wir in der EU an einem bürokratischen Zertifizierungssystem festhalten, das dazu führt, dass die Hersteller ihre Medizinprodukte bei der FDA in U.S.A. anmelden, während uns in der EU Medizinprodukte fehlen. Zweitens lohnt es sich kaum noch, Nischenprodukte zu entwickeln und zu produzieren, die oft in deutlich kleinerer Stückzahl angeboten werden. Deshalb fordere ich, dass die Kommission die Review der MDR gemeinsam mit einem legislativen Änderungsvorschlag bereits im Jahr 2024 vorlegt. Wir müssen jeden einzelnen Artikel der MDR auf den Prüfstand stellen. Eine grundlegende Änderung der MDR wird kein Sprint, sondern ein Marathon sein."

Zur Autorin: Angelika Niebler ist seit 1999 Mitglied des Europäischen Parlaments. www.angelika-niebler.de
  • Weitere Artikel zum Thema
  • BVMed und SPECTARIS schlagen bei PFAS Alarm | Pauschales Verbot gefährdet die Gesundheitsversorgung mit lebensnotwendigen Medizinprodukten

    Die beiden Medizintechnik-Verbände BVMed und SPECTARIS haben in einem gemeinsamen Schreiben an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) vor den verheerenden Auswirkungen eines pauschalen PFAS-Verbots auf die Patient:innenversorgung mit lebensnotwendigen Medizinprodukten gewarnt. Die EU-Kommission plant in einer untergesetzlichen Regelung ein umfassendes Verbot von rund 10.000 Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS), von denen viele bislang unverzichtbar und alternativlos sind. EU-Rat und EU-Parlament sind dabei deutlich zu spät eingebunden worden, kritisieren BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll und SPECTARIS-Geschäftsführer Jörg Mayer. Mehr

  • MDR-Konferenz der BVMed-Akademie: „MDR inhaltlich weiterentwickeln“ | Erstmals Zulieferer-Panel mit dem VDMA

    Die Verschiebung der Übergangsfrist der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) vom März 2023 war sinnvoll und notwendig, hinterlässt in der Praxis aber weiter ungeklärte Fragen. Auch bleiben die inhaltlichen Probleme mit der MDR. Das meinten die Regulatory-Expert:innen Barbara Lengert von Johnson & Johnson und Frank Matzek von Biotronik auf der dritten MDR-Konferenz der BVMed-Akademie. Dr. Katrin Westphal vom Bundesgesundheitsministerium sprach von „Signalen“, dass die Debatte über die inhaltliche Weiterentwicklung der MDR nach den Europawahlen im Frühjahr 2024 erfolge. Erleichterungen in der Praxis verspricht sich Matzek durch die anstehenden Änderungen bei der Auslegung von „significant changes“: Schrittinnovationen dürften nicht behindert werden und Änderungen eines Materials oder von Verpackungen sollten künftig ohne Neuzertifizierungen möglich sein. Erstmals fand im Rahmen der MDR-Konferenz ein eigenständiges Zulieferer-Panel statt. Mehr

  • BVMed-Service | Neue Infoblätter zum Umweltrecht

    Der BVMed hat weitere Infoblätter zu umweltrechtlichen Vorgaben veröffentlicht. Mit den Blättern zu beispielsweise dem Batteriegesetz oder dem Elektrogeräte-Recht unterstützt der Verband Medizintechnik-Unternehmen bei der Umsetzung des Umweltrechts. Der kostenfreie BVMed-Service unter bvmed.de/umweltrecht gibt einen Überblick zu den Anwendungsbereichen und entstehenden Pflichten aus aktuell 14 unterschiedlichen Gesetzen und Verordnungen. Mehr


©1999 - 2023 BVMed e.V., Berlin – Portal für Medizintechnik