MDR

Europäischer Rat beschließt Änderungen der EU-Medizinprodukteverordnung

Nach dem Europäischen Parlament hat am 7. März 2023 auch der Rat Änderungen der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) durch die Annahme eines Vorschlags der EU-Kommission beschlossen. Die Benannten Stellen und Hersteller erhalten damit mehr Zeit für die Zertifizierung von Medizinprodukten, das Risiko von Versorgungsengpässen wird gemindert. Der Legislativvorschlag sieht neben längeren Übergangsfristen für die Anpassung an die MDR auch die Abschaffung der Abverkaufsfrist vor. Der BVMed fordert, die MDR pragmatischer umzusetzen und strategisch weiterzuentwickeln.

Nach der Annahme durch den Rat dürfte der Vorschlag voraussichtlich am 15. März 2023 sowohl vom Europäischen Parlament als auch vom Rat förmlich angenommen werden. Kurz danach wird er im Amtsblatt veröffentlicht und tritt am Tag seiner Veröffentlichung in Kraft.

Rat: Mehr Zeit, um die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen

Acko Ankarberg Johansson, schwedische Ministerin für das Gesundheitswesen, erklärte nach dem Ratsbeschluss: "Eine gestaffelte und an bestimmte Bedingungen geknüpfte Verlängerung Hersteller von Medizinprodukten haben nun mehr Zeit, um die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen: bis zum 31. Dezember 2027 bei Produkten mit höherem Risiko und bis zum 31. Dezember 2028 bei Produkten mit mittlerem und geringerem Risiko."

Die Verlängerung des Übergangszeitraums ist an bestimmte Bedingungen geknüpft. "So wird gewährleistet, dass nur solche Produkte davon profitieren, die sicher sind und für die das Zertifizierungsverfahren bereits angelaufen ist", heißt es in der Rat-Verlautbarung. Mit der neuen Verordnung wird das Risiko von Engpässen bei Medizinprodukten auch dadurch verringert, dass die Vorschrift über den „Abverkaufszeitpunkt“ gestrichen wird. Damit ist das Datum gemeint, bis zu dem Produkte, die bereits auf dem Markt, aber noch nicht beim Endverbraucher angekommen sind, zurückgezogen werden sollten. Die neue Regelung gilt nur für Produkte, die die Anforderungen für Medizinprodukte vorher geltender EU-Rechtsvorschriften erfüllen. Indem der „Abverkaufszeitpunkt“ gestrichen wird, können sichere Medizinprodukte länger auf dem Markt bleiben.

Quelle: Pressemeldung des Rates vom 7. März 2023

Kommissarin: Verfügbarkeit von Medizinprodukten gewährleisten

Gesundheits-Kommissarin Stella Kyriakides begrüßte die Annahme durch den Rat, dankte Rat, Europaparlament und der schwedischen Ratspräsidentschaft, und sprach von einem wichtigen Schritt. „Er wird dazu beitragen, die Schwierigkeiten, mit denen die Mitgliedstaaten kurzfristig konfrontiert sind, zu bewältigen und er wird dafür sorgen, dass Patientinnen und Patienten in der EU weiterhin Zugang zu den benötigten Medizinprodukten haben. Dieser überarbeitete Zeitplan wird der Industrie mehr Flexibilität bei der laufenden Zertifizierung benötigter Medizinprodukte bieten und das kurzfristige Risiko von Engpässen verringern. Dadurch wird die Verfügbarkeit dieser Produkte für die Patientinnen und Patienten, die am meisten darauf angewiesen sind, gewährleistet, ohne ihre Sicherheit zu gefährden. Wichtig zu wissen ist, dass diese zusätzliche Zeit nur für Medizinprodukte in Anspruch genommen werden kann, die sicher sind und für die die Hersteller bereits Schritte zum Übergang zur Verordnung über Medizinprodukte unternommen haben. Die Patientensicherheit wird stets an erster Stelle stehen.“

Die Kommission wird gemeinsam mit den Mitgliedstaaten, den benannten Stellen und der medizintechnischen Industrie weiter an zusätzlichen Maßnahmen arbeiten, um die strukturellen Probleme anzugehen und mittel- und langfristige Lösungen zu finden, heißt es in einer Kommissions-Verlautbarung. Kommissarin Kyriakides sieht den Übergang zu den neuen Verordnungen als gemeinsame Priorität: um die Patientensicherheit zu gewährleisten und Innovationen in Europa zu fördern.

Quelle: Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 7. März 2023

BVMed begrüßt MDR-Änderungen: „Marktzugang in Europa muss strategisch weiterentwickelt werden“

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Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) hat die Änderungen an der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) begrüßt, fordert gleichzeitig aber auch Schritte, um das europäische Marktzugangssystem strategisch weiterzuentwickeln und im weltweiten Wettbewerb insbesondere um Innovationen besser aufzustellen. „Es ist ein gutes Signal für die medizinische Versorgung der Patient:innen und den Medizinprodukte-Standort Europa, dass Kommission, Rat und Parlament in den letzten Wochen Tempo gemacht und die notwendigen Änderungen im Schnellverfahren beschlossen haben“, so BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Dr. Marc-Pierre Möll. Mit derselben Energie sollte nun die Herausforderung angegangen werden, das System praxistauglich auszugestalten, bürokratische Hürden abzubauen – aber auch insgesamt weiterzuentwickeln und zukunftsfähig zu machen.

Quelle: BVMed-Pressemeldung vom 16. Februar 2023

Zum Hintergrund: Die Medizintechnik-Branche bereitet sich seit Jahren intensiv auf die MDR vor. Die Kosten der Umsetzung für die Branche werden nach Schätzungen zwischen 7 und 10 Milliarden Euro liegen. Die Branche hat massiv investiert, beispielsweise in zusätzliches regulatorisches Personal. Das MDR-System ist aber nach wie vor nicht praxistauglich. Zentrales Problem bei der MDR-Implementierung sind die Kapazitätsengpässe bei den Benannten Stellen sowie die sehr aufwendigen Zertifizierungsverfahren.

Parallel zur wichtigen Maßnahme zur Entzerrung des Flaschenhals bei der Zertifizierung der Bestandsprodukte müssen nach Ansicht der BVMed auch die untergesetzlichen Maßnahmen, die von der Medical Device Coordination Group (MDCG) Ende August 2022 veröffentlicht wurden, pragmatisch umgesetzt werden, damit Bestandsprodukte zeitnah in die MDR überführt werden können und auch in Zukunft der Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen.

Mittelfristig geht es dem deutschen Medizintechnik-Verband darum, dass die MDR strategisch weiterentwickelt werden muss, damit Europa im schärfer werdenden Innovationswettbewerb gegenüber USA und Asien nicht weiter an Boden verliert. Der Beschluss der Schweiz, künftig auch die FDA-Zulassung des US-Systems zuzulassen, verdeutliche die Gefahr, dass das EU-System mit der MDR den Innovationswettbewerb der Zukunft verliere.

BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll: „Wenn wir mehr und mehr Forschung und Entwicklung durch Abwanderung verlieren, dann verlieren wir damit nicht nur viele kluge Köpfe, sondern künftig auch Produktion und Wertschöpfung in Europa. Wir müssen deshalb jetzt daran arbeiten, die Rolle Europas als attraktive Region für Investitionen in medizintechnische Innovationen wieder zu stärken. Mit unserem innovationsstarken Mittelstand haben wir dafür die besten Voraussetzungen.“

Quelle: BVMed-Pressemeldung vom 16. Februar 2023
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