- Diabetes "Insulinpumpe verlängert das Überleben"
ArtikelHamburg, 15.07.2015
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Über zehn Prozent der Typ-1-Diabetiker applizieren heute Insulin statt mit dem Pen über eine Insulinpumpe. Die Pumpentherapie senkt dabei das Risiko für Diabetes-Folgeschäden und Tod, sagte der Hamburger Diabetes-Experte Dr. Matthias Riedl im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" (Ärzte Zeitung Online vom 9. Juli 2015Externer Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.). "Der Rückgang des HbA1c-Wertes korreliert mit einem Rückgang von Folgeschäden. Bei Retinopathie und Neuropathie liegt die prozentuale Reduktion im zweistelligen Bereich. Der Nutzen hängt natürlich von der Dauer der Pumpentherapie ab. Das Überleben wird durch die Pumpe ebenfalls verlängert", so Riedl zu den nachweislichen Vorteilen. Der Experte weiter: "Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass Pumpenpatienten besonders gut betreut werden und besonders motiviert sind. Und mit der Pumpe haben sie ein Werkzeug, das die hohe Schule der Insulineinstellung ermöglicht."
Durch die individuell zu programmierende Pumpe werde das Basalinsulin kontinuierlich abgegeben - und nicht nur ein- bis dreimal täglich wie mit dem Pen. Zusätzlich wird per Knopfdruck zu den Mahlzeiten ein Insulinbolus abgerufen. Riedl: "Die Pumpentherapie ahmt damit die physiologische Insulinversorgung genauer nach als eine konventionelle intensivierte Insulintherapie. Dadurch kann der Insulinbedarf unter Umständen um zehn Prozent reduziert werden." Der HbA1c-Wert könne dadurch um bis zu einem Prozentpunkt gesenkt werden. Meistens gelänge es, die Verbesserung des HbA1c-Wertes langfristig zu erhalten. Da es bei den Patienten zu "Motivationsschlappen" kommen könne, sei es wichtig, dass sie in engem Kontakt zu einem Pumpenzentrum stehen. In den Quartalsbesprechungen werde jede Verschlechterung des Blutzuckers im Detail analysiert.
Wichtig ist aus Sicht des Experten, dass die Patienten die Technik der intensivierten Insulintherapie beherrschen. Die Pumpentherapie sei nicht für Patienten geeignet, "die ohnehin Schwierigkeiten mit ihrer Therapie haben". Ideal sei die Pumpentherapie für etwa zehn Prozent der Typ-1-Diabetiker mit Dawn-Phänomen, also mit einem erhöhten Insulinbedarf in den frühen Morgenstunden. Riedl: "Der lässt sich mit einem herkömmlichen Basalinsulin nicht nachbilden, hier liegt der Wirkungsgipfel in der Nacht. Die zweite Indikation sind wiederkehrende ausgeprägte Unterzuckerungen. Sie entstehen oft durch das Aufschaukeln verschiedener Insulinwirkungen und können durch eine bedarfsgerechtere Insulintherapie verhindert werden." Auch für schwangere Diabetikerinnen sei die Therapie geeignet. Ebenso seien Kinder "eine hervorragende Domäne". "In Kliniken werden sie zum Großteil heute gleich auf eine Pumpentherapie eingestellt", so der Diabetes-Experte. Im Einzelfall könne die Insulinpumpe auch bei Typ-2-Diabetikern sinnvoll sein, beispielsweise bei einem Dawn-Phänomen.
Damit die Krankenkasse die Kosten übernimmt, muss der Diabetiker ein Tagebuch über drei Monate mit vier Messungen pro Tag führen, "um zu sehen, dass der Patient sich intensiv mit seiner Therapie auseinandersetzt, und damit das Problem dokumentiert ist", so Riedl. Die Kosten für die Pumpentherapie seien etwa doppelt so hoch wie bei der herkömmlichen intensivierten Insulintherapie.
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Die schlauchlosen Patch-Pumpen, bei denen Pumpe und Infusionsset zusammen in einem kleinen Gehäuse untergebracht sind, findet Riedl ideal für Patienten, die den Schlauch als Problem sehen. Durch das Patch-System lasse sich der Aufwand minimieren. Das System liege drei Tage und werde dann komplett verworfen. "Charmant ist, dass die Geräte ohne Berührung der Pumpe über ein Handy gesteuert werden", so der Experte. Patch-Pumpen könnten seitlich am Oberarm oder am Körper fixiert werden. Insulinpumpen würden dagegen am Rumpf getragen. Riedl: "Gerade Frauen, die sich körperbetont kleiden, wollen das oft nicht."
Die technische Entwicklung einer "künstlichen Pankreas", also einer Pumpe mit kontinuierlicher Blutzuckerüberwachung, werde "in den nächsten Jahren die Therapie revolutionieren, weil die Feinsteuerung noch genauer wird und Hypo- und Hyperglykämien noch effektiver verhindert werden", meint Riedl.
Das vollständige Interview:
Ärzte Zeitung Online vom 9. Juli 2015Externer Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.
Informationsfilm zu Insulinpumpen: