Patientengeschichte
Jörg Herklotz lebt seit mehr als drei Jahrzehnten mit Diabetes – dank einer modernen Insulinpumpe hat er immer weniger Einschränkungen | Sein Rat: "Sich von Anfang an gut informieren"
18.12.2020|

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Die Diagnose kommt für Jörg Herklotz unerwartet. „Ich musste 1988 ins Krankenhaus, um einen Abszess operieren zu lassen“, erzählt der heute 57-Jährige. „Kurz vor der OP fragte mich die Krankenschwester: Herr Herklotz, warum haben Sie uns denn nicht gleich gesagt, dass sie Diabetes haben?“

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Diabetes Typ 1 ist eine Stoffwechselerkrankung, bei der die Bauchspeicheldrüse nicht genügend oder gar kein Insulin produziert. Das Hormon schleust bei gesunden Menschen Zucker aus dem Blut in die Zellen, wo es als Energielieferant dient. Die Betroffenen müssen ihr Leben lang Insulin spritzen, um den erhöhten Blutzuckerspiegel zu senken. Andernfalls unter- oder überzuckern sie, was zu Zittern, Konzentrationsstörungen bis hin zu Bewusstlosigkeit führen kann. Die Erkrankung ist – gerade im Vergleich zum Typ 2, der sogenannte Altersdiabetes – eher selten. In Deutschland leiden ungefähr 345.000 Menschen daran.
Die Diagnose ist ein Schock für Jörg Herklotz. Er ist erst 24. Seit wenigen Jahren arbeitet er in seinem Beruf als CNC-Dreher, wo er computergesteuerte Maschinen programmiert, bedient und überwacht – ein anspruchsvoller Job. Außerdem spielt er leidenschaftlich gerne Fußball. Er erinnert sich: „Von einigen Leuten habe ich damals gehört, dass ich mit Diabetes nicht mehr richtig arbeiten kann, meinen Sport aufgeben muss. Die Vorstellung fand ich schrecklich. Ich stand doch noch am Anfang meines Lebens.“
Aber er steckt den Kopf nicht in den Sand, informiert sich, sucht eine passende Klinik für die weitere Behandlung. „Ich habe versucht, mit der Situation so gut wie möglich klarzukommen. Zu ändern war es ja nicht.“
Zunächst lässt er die Abszess-OP machen, liegt 10 Tage im Krankenhaus. Wenige Tage später hat er schon einen Termin bei einem Diabetes-Spezialisten. „Ich hatte Glück, so rasch einen Termin zu bekommen“, sagt er. „Andere warten teilweise Wochen darauf.“
Der Arzt weist ihn in eine Klinik ein, die auf Diabetes spezialisiert ist. Sechs Wochen muss er dort bleiben. Er wird untersucht, seine Blutwerte werden mehrfach geprüft, seine Blutzuckerwerte richtig eingestellt. Anschließend beobachten die Ärzte noch eine Weile, wie er mit den Insulinspritzen zurechtkommt und wie sich sein Blutzucker dabei verhält.
Leben mit der Krankheit

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Das Fußballspielen geht allerdings nicht mehr wie vorher. Aus dem Leistungssport scheidet er aus, betreibt den Sport nur noch eingeschränkt als Hobby. „Aber bis heute ist mir das wichtig und ich möchte es nicht ganz aufgeben“, sagt er.
Nach gut drei Jahren muss er erneut in die Klinik. Sein Blutzuckerwert war außer Kontrolle geraten, er muss neu eingestellt werden. „Da war ich nochmal sechs Wochen im Krankenhaus, aber danach war es wieder ok.“
Er spritzt bis zu sieben Mal am Tag Insulin, um den Zucker im Blut zu regulieren. Er erklärt: „Ich wollte mich damals möglichst wenig einschränken, ein normales Leben führen, auch normal essen und nicht auf Kohlenhydrate verzichten.“ Auch sein Umfeld, seine Familie, will er möglichst wenig belasten. „Ich bin damit aber gut klargekommen.“

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Ein normales Leben trotz Diabetes
1996 spricht ihn sein Arzt an, ob er sich eine Insulinpumpe vorstellen kann. Bei der Pumpe handelt es sich um ein kleines Gerät, das etwa am Hosenbund befestigt werden kann. Über eine dünne Kanüle, die meist am Bauch direkt unter die Haut gelegt wird, gibt die Pumpe automatisch im Tagesverlauf Insulin ab. Damit deckt sie den Grundbedarf an Insulin. Für zusätzlichen Bedarf, etwa bei den Mahlzeiten oder während sportlicher Aktivitäten, kann die Pumpe entsprechend programmiert oder Insulin auch per Knopfdruck abgegeben werden.
Jörg Herklotz erklärt: „Hintergrund war, dass ich frühmorgens so gegen vier, halb fünf Uhr immer unterzuckerte. Das ist von meinem Stoffwechsel her einfach so.“ Das kann in der Schlafphase lebensbedrohlich sein. Die Insulinpumpe ist so eingestellt, dass sie vor diesem Zeitpunkt immer automatisch die Insulinzufuhr stoppt.

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Mittlerweile hat Jörg Herklotz das vierte Pumpenmodell. „Immer wenn es neue, bessere Modelle gab, habe ich gewechselt“, erklärt er. So können Patienten bei neueren Modellen beispielsweise die Blutzuckerwerte über das Handy ablesen und ihren Diabetes digital besser managen. „Mir ist es wichtig, dass die neue Pumpengeneration mir wirklich eine Verbesserung bringt.“
Für jede Pumpe bekommt er eine etwa zweistündige Schulung, in der die Funktionsweise erklärt wird. „Mir hat das aber immer nicht gereicht, weil ich alles ganz genau wissen will.“ Für besonders interessierte Patienten wie Jörg Herklotz oder wenn es Probleme mit der Pumpe gibt, bieten die Hersteller Hotlines an. „Ich habe da oft angerufen“, lacht er.
Seit 2019 trägt Jörg Herklotz seine jüngste Insulinpumpe. „Die wollte ich haben, weil sie das Hybrid-Closed-Loop-System hat, das war der ausschlaggebende Punkt“, erläutert er. Dabei misst ein Sensor fortlaufend den Zucker im Unterhautfettgewebe und schickt die Werte an die Pumpe. Diese verändert dann automatisch alle fünf Minuten die Höhe der Insulinabgabe.

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Jörg Herklotz ist dennoch sehr zufrieden. „Meine Lebensqualität hat nochmal deutlich zugenommen“, sagt er. „Und vor allem: Ich unterzuckere nicht mehr, das ist ein großer Gewinn.“
Seit mehr als 30 Jahren lebt er inzwischen mit der Krankheit. Für andere Patienten hat er daher zahlreiche Tipps. „Auf jeden Fall soll man sich den richtigen Arzt suchen“, sagt er. „Und ruhig bei den Bewertungen im Internet hinschauen, das ist nicht alles Fake, sondern gibt einem oft auch gute Hinweise.“ Er selbst ist seit langem bei seinem Diabetologen. „Das ist viel wert, er hat mir viele wichtige Ratschläge gegeben.“

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