Hilfsmittel und Homecare

PSA and beyond: Balance und Vertrauen in der (Vertrags-)Partnerschaft

Beitrag von Juliane Pohl, Leiterin Ambulante Versorgung beim BVMed

Die Hilfsmittel- und Homecare-Versorger setzen sich seit mehr als einem Jahr mit allen Kräften dafür ein, die ambulante Versorgung mit Hilfsmitteln und Homecare-Leistungen sicherzustellen – dies allen Widrigkeiten, wie den bekannten Produktengpässen, dem Gebot des Social Distancing bei oft körpernahen medizinischen Dienstleistungen sowie einer massiv erhöhten Gefährdung des medizinischen Personals zum Trotz. Damit halten die Hilfsmittel- und Homecare-Versorger den Kliniken in dieser besonderen gegenwärtigen Lage den Rücken frei.

In diesen Zeiten der Pandemie ist oftmals die Rede von der notwendigen, motivierenden Anerkennung. Umso bedrückender ist, dass den Hilfsmittel- und Homecare-Versorgern nicht einmal ein Mindestmaß an Anerkennung von den Versorgungspartnern entgegengebracht wird, die gemeinsam mit ihnen die Versorgung der Patienten sicherstellen: Die Rede ist von den Kostenträgern.

In der schwierigen andauernden Situation konnten anhand diverser noch nie dagewesener Problemstellungen die Beziehungen miteinander gestärkt, das Vertrauen intensiviert und Probleme gemeinsam gelöst werden. Mit Blick auf aktuelle Fragen zur Finanzierung, scheint hier jedoch eine natürliche Grenze erreicht: Seit einem Jahr wenden besagte Versorger enorme Kosten auf für Schutzausrüstung (Masken, Schutzoveralls bzw. -kittel, Gesichtsvisiere, Hand- und Flächendesinfektionsmittel und Schutzmaßnahmen im Sanitätshäusern) und Schnelltests sowie sonstige Vorkehrungen wie digitale Kanäle, die die persönliche Versorgung bestmöglich ergänzen sollen – aufgrund des oftmals notwendigerweise persönlichen Kontakts zu vulnerablen, multimorbiden und/oder Hochrisikogruppen, sind diese häufig unabdingbar. Der finanzielle Aufwand ist nach den bisherigen 15 Monaten außerordentlicher Zusatzausgaben jedoch zunehmend schwer abbildbar. Hinzu kommt, dass die Preise für die relevanten Produkte weiterhin stark und oftmals um das Mehrfache erhöht sind.

Anders als viele andere Leistungserbringergruppen, haben die Hilfsmittel- und Homecare-Versorger für diese finanziellen Lasten, die ins Sechs-, teilweise Siebenstellige gehen, keine Kompensation erhalten.

Mehr als bedauerlich ist, dass hier weder der offensichtliche Umstand des Schutzbedarfs, noch das durch den Gesetzgeber letztlich auch explizit eingeführte Gebot zur Verhandlung entsprechender Finanzierungsmechanismen zu Lösungen führen. Stattdessen lehnt ein Teil der Krankenkassen Verhandlungen von vornherein ab und bringt zum Ausdruck, dass weder Verhandlungs- noch Regelungsbedarf gesehen wird. Andere Kassen wiederum legen einseitig Bedingungen zur Finanzierung der benannten Aufwände fest – ohne Verhandlungen zu ermöglichen oder auf Nachfrage einzuräumen. Die Art und Weise der Festlegung von (nicht überall) zugebilligten Finanzierungsmechanismen, führt in der Konsequenz nicht nur zu einem Flickenteppich, sondern auch dazu, dass die Regelungen für die Hilfsmittel- und Homecare-Versorger weder praktikabel sind, noch mit den sonstigen Anforderungen und Regelungen des Infektionsschutzes korrespondieren, diese teilweise sogar negieren. So werden zum Zwecke des Nachweises Dokumentationserfordernisse eingeführt, die administrativ nicht handhabbar sind (bspw. Erfordernis besonderer körperlicher Nähe, Dauer besonderer körperlicher Nähe) – damit den Nutzen der Vergütung selbst erheblich übersteigen und in Teilen datenschutzrechtlichen Bestimmungen widersprechen. Kurzum, die gesetzliche Grundlage und noch viel weniger die Verhandlungspraxis konnten taugliche Lösungen zur Vereinbarung von Finanzierungsmechanismen für PSA liefern. Der BVMed setzt sich somit bereits seit Langem für einen bundeseinheitlichen Finanzierungsmechanismus ein, nach dem pauschal pro Abrechnungsmonat, administrationsarm und rückwirkend die Hygienemaßnahmen im Hilfsmittelbereich mit einem festen Betrag erstattet werden können – so wie dies für die Ärzteschaft, Pflege und auch Apotheken eingeführt wurde.

Spätestens vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen stellt sich damit abermals die Frage, warum der Gesetzgeber die Regelung auf diese Weise getroffen hat, deren Scheitern im Vorhinein fast zu prophezeien war. Schließlich wären durch jeden einzelnen Leistungserbringer mit jeder der 100 Krankenkassen für jede der 33 Hilfsmittelproduktgruppen auf dem Verhandlungsweg Vereinbarungen zu treffen. Zeitnahe Regelungen sind bereits im alltäglichen Verhandlungsgeschehen undenkbar. Der Umstand, dass es sich bei der Verhandlung um Extrakosten handelt, wirkt hierbei nicht unbedingt beschleunigend.

Neben zeitnahen Lösungen zur Überwindung dieser mehr als unglücklichen PSA-Situation braucht es daher zweierlei:

  • Ein stärkeres universelles Verständnis darüber, welche Akte der Kommunikation und Interaktion der Austausch der Vertragspartner (in spe) braucht, um als Verhandlung verstanden werden zu können
  • Die weitere Stärkung der Vertrauenskultur zwischen den Partnern, die gemeinsam die Hilfsmittelversorgung der Patient:innen und Versicherten verantworten – zwischen Krankenkassen und Hilfsmittelleistungserbringern.

Letztlich ist aber auch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber in der kommenden Legislatur erneut gefragt sein wird, einige Schrauben nachzujustieren, die das Miteinander dieser beiden Vertragspartner, aber auch die Einbindung und Information der Versicherten in diesem Geflecht betreffen. Aus unseren praktischen Erfahrungen heraus besteht hier noch einiger Optimierungsbedarf.

Zur Autorin: Juliane Pohl leitet das Referat Ambulante Versorgung beim BVMed
  • Weitere Artikel zum Thema
  • COVID-19 | Info-Blog

    Im COVID-19-Info-Blog informiert der BVMed regelmäßig rund um die Coronavirus-Pandemie: Sie finden hier u. a. aktuelle Gesetzgebungen und Verordnungen zum Testen und Impfen von Branchenmitarbeitern, zum Reisen und zur Quarantäne, sowie Hinweise und Links zu Liquiditätshilfen und Förderprogrammen. Außerdem informieren wir über arbeitsrechtliche Fragen z. B. zu Kurzarbeit, Systemrelevanz, Arbeitsschutz und Betriebsabläufen. Mehr

  • BVMed-Hygieneforum 2022 | „Wir brauchen ein nachhaltiges Umdenken beim Infektionsschutz“

    Für bessere Hygiene und Infektionsschutz im Gesundheitssystem braucht es ein nachhaltiges Umdenken aller Beteiligten im täglichen Handeln. Das zeigten die Praxisbeispiele für einen besseren Infektionsschutz des 11. BVMed-Hygieneforums aus den Bereichen der Pflege, der Kliniken, der Forschung und des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. „Wir müssen Entscheider und Anwender aus allen Bereichen zusammenbringen, um das Hygienethema voranzubringen, das Bewusstsein für die Bedeutung von Hygienemaßnahmen zu steigern und den Infektionsschutz zu verbessern“, so Daniela Piossek, Sprecherin des BVMed-Fachbereichs Nosokomiale Infektionen und Moderatorin des Hygieneforums. „Jeder hat das Recht, vor nosokomialen Infektionen geschützt zu werden“, fasste BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Dr. Marc-Pierre Möll die Herausforderung zusammen. An dem Hygieneforum nahmen vor Ort und virtuell über 400 Gäste vor allem aus dem Bereich der Pflege und Behörden teil. Mehr

  • 7. BVMed-Wunddialog | Patient:innen sind der wichtigste Therapiefaktor

    Die Versorgung von chronischen und schwer heilbaren Wunden muss individuell und patient:innenorientiert erfolgen können, nur so kann sie nachhaltig erfolgreich sein. Hierfür ist eine ausreichende Wunddiagnostik und phasengerechte Wundbehandlung notwendig. Die Wundexpert:innen auf dem BVMed-Wunddialog waren sich daher einig: Das vorgegebene alleinige Primärziel „Wundverschluss” des G-BA für den Nutzennachweis von „Sonstigen Produkte zur Wundbehandlung” ist nicht immer mit der Zweckbestimmung dieser Produkte vereinbar. „Neben Schmerz-, Keim- und Geruchsreduktion muss auch der Wunsch der Patient:innen und der Faktor Lebensqualität einen stärkeren Niederschlag finden”, forderte Prof. Dr. med. Martin Storck, Direktor der Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie im Städtischen Klinikum Karlsruhe. Juliane Pohl, BVMed Ambulant-Expertin: „Der G-BA muss mit Ärzt:innen, Pflegefachpersonen und Herstellern in einen Austausch treten, um gemeinsam weiterhin eine moderne, zielgerichtete und patient:innenorientierte Wundversorgung sicherzustellen“. Mehr


©1999 - 2023 BVMed e.V., Berlin – Portal für Medizintechnik