Sektorenübergreifende Versorgung

Strukturveränderungen im stationären Sektor

Die stationäre Versorgung hat für die Hersteller von Medizinprodukten einen besonderen Stellenwert. In den knapp 2000 Krankenhäusern hierzulande werden jedes Jahr rund 19 Millionen Fälle behandelt. Moderne Medizintechnologie leistet einen wichtigen Beitrag für effektive und effiziente Behandlungen, indem sie u. a. kürzere Operationszeiten und Krankenhausaufenthalte sowie eine schnellere Genesung der Patienten ermöglicht. Zugleich gibt es eine Reihe von Herausforderungen, die den Einsatz moderner Untersuchungs- und Behandlungsmethoden erschweren, allen voran die kontinuierliche Reduzierung der Investitionskostenfinanzierung.

Aufgrund steigender Kosten, verstärkt durch den demographischen Wandel und zunehmende Fallzahlen, sehen sich die Krankenhäuser mit einem beträchtlichen Veränderungsdruck konfrontiert. Dies ist für das gesamte Gesundheitssystem von enormer Bedeutung, da Krankenhausbehandlungen den größten Anteil der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung ausmachen. Daher wurden in den letzten Jahren zahlreiche Änderungen in der stationären Versorgung angestoßen, um auf Über-, Unter- oder Fehlversorgung sowie Qualitätsmängel zu reagieren und eine adäquate Krankenhausfinanzierung zu erreichen. Insbesondere Fragen des Qualitäts- und des Kostenmanagements sind in den letzten 20 Jahren vermehrt in den Vordergrund gerückt.

Wenngleich der Bund mit Strukturreformen die Krankenhauslandschaft maßgeblich mitgestaltet, liegt die Hauptverantwortung für die Krankenhausplanung und Investitionsfinanzierung bei den Ländern. Die öffentliche Finanzierung von Krankenhäusern beschränkt sich hauptsächlich auf notwendige bauliche und apparative Vorhaltungen. Hierbei unterscheidet sich die Herangehensweise der jeweiligen Länder jedoch teilweise erheblich, vor allem in der Methodik zur Berechnung des Bettenbedarfs. In der politischen Diskussion wird daher seit Langem eine bessere Koordination zwischen den einzelnen Bundesländern gefordert. Darüber hinaus sind die Fördermittel seit den 1990er Jahren rückläufig, von 3,9 Mrd. Euro im Jahr 1993 auf lediglich 2,7 Mrd. Euro im Jahr 2015. Der dadurch entstandene Investitionsstau wirkt sich aufgrund der erschwerten Anschaffung und Refinanzierung auf die Verfügbarkeit von fortschrittlichen Medizinprodukten in der stationären Versorgung aus.

Die letzte weitreichende Veränderung erfolgte im Jahr 2016 mit dem Inkrafttreten des Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG). Ein wesentlicher Aspekt der Reform war die Einrichtung eines Strukturfonds für den Abbau von Über-, Fehl-, oder Unterkapazitäten. Der Finanzrahmen von 500 Millionen Euro bis 2018 soll in den Jahren 2019 bis 2022 auf insgesamt zwei Milliarden erhöht werden. Für die Inanspruchnahme von Mitteln müssen die Länder einen Beitrag in gleicher Höhe leisten. In den kommenden Jahren soll der Strukturfonds zudem stärker darauf ausgerichtet werden, die Bildung von Zentren mit besonderer medizinscher Kompetenz für seltene und schwerwiegende Erkrankungen, von zentralisierten Notfallstrukturen und von Krankenhausverbünden in Form telemedizinischer Netzwerke zu verbessern.

Um bei der Krankenhausplanung auch Qualitätsaspekte stärker einzubeziehen, wurde mit dem KHSG die Verwendung von entsprechenden Indikatoren festgelegt. Ziel ist, die Länder in die Lage zu versetzen, die Versorgungsqualität bei Planungsentscheidungen besser zu berücksichtigen. Im Oktober 2018 wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss eine erste Auswertung von bisher elf planungsrelevanten Qualitätsindikatoren veröffentlicht. Die Reaktion der Länder fiel bisher allerdings sehr unterschiedlich aus. Der bisherige hessische Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) betonte zuletzt, dass die auf Bundesebene beschlossenen planungsrelevanten Qualitätsindikatoren zur wesentlichen Grundlage in der Krankenhausplanung in seinem Land gemacht werden würden. Dagegen stößt das Vorhaben in anderen Ländern auf Widerstand. Beispielsweise will die Staatsregierung in Bayern regionale Besonderheiten stärker in den Fokus nehmen. Daher hat sich der Freistaat zusammen mit Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg gegen eine Übernahme der Indikatoren entschieden.

Die Maßnahmen im KHSG zielen vor allem darauf ab, Qualitätsanforderungen weiterzuentwickeln und die Krankenhausstruktur anzupassen. Damit ist der Reformprozess im stationären Sektor jedoch mitnichten abgeschlossen. Die aktuellen Regierungsparteien in Berlin haben sich in ihrem Koalitionsvertrag auf die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe für die Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgung geeinigt. Bis 2020 soll die AG Vorschläge zur Weiterentwicklung des stationären und ambulanten Systems für die Bedarfsplanung, Zulassung, Honorierung und Kooperation in den Gesundheitsberufen einschließlich der Qualitätssicherung vorlegen.

Somit wird das Krankenhauswesen auch in den kommenden Jahren eine Dauerbaustelle im Gesundheitssystem bleiben. Ein entscheidendes Thema mit Blick auf die Bund-Länder-AG wird die Verbesserung der Versorgungsqualität sein. Fortschrittliche und innovative Medizinprodukte sind hierfür ein wichtiger Baustein, denn sie steigern durch evidenzbasierte Versorgungskonzepte die Sicherheit sowohl für Patienten als auch für Anwender. Die Strukturveränderungen im stationären Sektor stellen die Hersteller von Medizinprodukten insbesondere in Bezug auf die Refinanzierbarkeit von hohen Entwicklungskosten vor eine Vielzahl von Herausforderungen. Der Transfer von qualitativ hochwertigen Produkten in die Versorgung wird somit gehemmt. Die Länder können diesem Problem entgegentreten, indem sie den Abwärtstrend bei der Bereitstellung von Fördermitteln für Investitionskosten im Krankenhauswesen umkehren.
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