Cookie-Einstellungen

Zur fortlaufenden Verbesserung unserer Angebote nutzen wir den Webanalysedienst matomo.

Dazu werden Cookies auf Ihrem Endgerät gespeichert, was uns eine Analyse der Benutzung unserer Webseite durch Sie ermöglicht. Die so erhobenen Informationen werden pseudonymisiert, ausschließlich auf unserem Server gespeichert und nicht mit anderen von uns erhobenen Daten zusammengeführt - so kann eine direkte Personenbeziehbarkeit ausgeschlossen werden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit über einen Klick auf "Cookies" im Seitenfuß widerrufen.

Weitere Informationen dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

 - Innovationen Elektrostimulation lässt Gelähmte nach einem Tag wieder gehen ÄrzteZeitung Online vom 8. Februar 2022

ArtikelLausanne, 15.02.2022

© EPFL/Alain Herzog Mit einem verbesserten Elektrostimulationsverfahren haben Schweizer Forscher beeindruckende Resultate erzielt: Drei Querschnittsgelähmte konnten schon nach einem Tag wieder selbstständig stehen und gehen, berichtet ÄrzteZeitung Online. Sofern noch einige Nervenfasern die Rückenmarksläsion überwinden, lassen sich viele Bewegungsabläufe biomimetisch steuern und wichtige Alltagsfunktionen wiederherstellen. Das Verfahren eignet sich damit aber nur für einen Teil der Gelähmten.

Bis zu 300 Schritte – so viele waren bereits am ersten Tag für drei komplett Querschnittsgelähmte möglich, die eine neuartige epidurale Elektrostimulation (EES) erhalten hatten. Zwar mussten die Patienten ihr Körpergewicht noch nicht selbst tragen – die atrophe Muskulatur lässt dies nach langjähriger Lähmung nicht zu, zudem bewegten sich die Patienten auf einem Laufband.

Aber schon nach drei Tagen konnten sie weitgehend unabhängig eine kleine Strecke gehen, wenn sie sich an einer Art Geländer stützten. Auch Paddelbewegungen mit den Beinen zum Schwimmen sowie Treten auf einem Fahrradergometer ließen sich nach kurzer Zeit bewältigen (Nat Med 2022; online 7. FebruarExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.).

Nach einem gezielten Training über mehrere Monate hinweg und entsprechendem Muskelaufbau erlangten die Patienten wieder die Fähigkeit, ohne fremde Hilfe zu stehen oder mit einem Rollator kurze Strecken zu gehen. Ein Patient war sogar wieder in der Lage, Treppen zu steigen.

Diskomplette Lähmung nötig

Über ähnliche Erfolge hatten die Wissenschaftler um Professor Grégoire Courtine von der Polytechnischen Hochschule Lausanne bereits vor etwas mehr als drei Jahren berichtet. Damals konnten sie Patienten mit einer noch geringfügig vorhandenen motorischen und sensorischen Restfunktion das Gehen beibringen, nicht aber komplett Gelähmten.

Nun ist dies bei zwei Patienten mit kompletter Lähmung (Grad A nach der ASIA-Einteilung) sowie einem Patienten mit fast kompletter Lähmung (Grad B) gelungen. Die ersten beiden Patienten zeigten keinerlei sensorische oder motorische Restfunktion mehr jenseits der Rückenmarksläsion, beim Grad-B-Patienten ließ sich noch eine gewisse Anusmuskelfunktion nachweisen. Die Bewegungsaktivierung war zudem sofort nach der Elektrodenimplantation erfolgreich – obwohl die Lähmung seit bis zu neun Jahren bestand.

Allerdings: Damit die EES funktioniert, müssen auch Grad-A-Patienten noch einige motorische Fasern haben, welche die Rückenmarksläsion überbrücken und sensomotorische Netzwerke jenseits der Läsion aufrechterhalten, selbst wenn sie für eine motorische Funktion zu schwach sind. „Man spricht hier von einer diskompletten Lähmung“, sagte Professor Winfried Mayr vom Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der Universität Wien dem „Science Media Center“.

Die noch vorhandene Aktivität der willkürlich steuerbaren Netzwerke soll durch die Elektrostimulation auf ein Erregungsniveau gehoben werden, das wieder eine selbstständige Bewegung ermöglicht. Eine solche Form der Lähmung sei jedoch bei vielen komplett Querschnittsgelähmten nicht vorhanden, so Mayr. „Für den Großteil der Betroffenen werden die Ergebnisse daher über den vorgestellten Ansatz nicht im beschriebenen Ausmaß erreichbar sein.“

Wieder an der Bar stehen

Die EES stammt ursprünglich aus der Schmerzmedizin. Das Team um Courtine nutzt die epidural angebrachten Elektroden jedoch, um einzelne Hinterwurzeln im Rückenmark mit räumlich-zeitlichen Aktivierungsmustern zu bespielen, wie sie etwa beim Gehen üblich sind. Solche Muster haben die Forscher bei gesunden Probanden per Elektromyografie abgeleitet, verfeinert und individuell auf die Patienten abgestimmt. Damit erreichen sie die noch vorhandenen Motoneuronen im Rückenmark. So soll im Rückenmark unterhalb der Läsion wieder ein Aktivierungsmuster entstehen, wie dies beim normalen Gehen üblich ist.

In der jetzt vorgestellten Publikation unter Leitung von Dr. Andreas Rowald von der Abteilung Medizininformatik der Universität Lausanne haben die Forscher zum einen die Elektrodenarrays verlängert – die 16 Einzelelektroden können nun auch die Rumpfmuskulatur ansteuern und damit die Haltung beim Gehen verbessern.

Zudem haben sie die Arrays anhand eines 3D-Modells individuell angefertigt, und zwar so, dass sie exakt die gewünschten Reizpunkte in den dorsalen Wurzeln treffen.

Programme zum Gehen, Stehen, Radfahren

Die geeigneten Punkte waren zuvor mit aufwändiger Bildgebung, darunter funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT), ermittelt worden, die Positionen der Elektroden wurden intraoperativ getestet und bei Bedarf korrigiert.

Schließlich haben die Forscher auch die Algorithmen für die jeweiligen Bewegungen optimiert und entsprechende Programme entwickelt, welche die Patienten über ein Gerät aktivieren können, etwa Programme zum Gehen, Stehen, Paddeln, Radfahren oder Rumpfaufrichten. Über das Gerät lassen sich die Aktivierungsmuster zudem feinsteuern.

Im Laufe von fünf Monaten konnten die Patienten damit zum einen wieder genug Muskeln aufbauen, um ihr eigenes Gewicht zu tragen, zum anderen waren damit etliche Alltagsaktivitäten möglich, etwa Radfahren mit einem Trike, Kanufahren oder sich an der Bar stehend einen Drink genehmigen.

Immerhin zwei der Patienten ist es gelungen, die Bewegungen willentlich etwas zu modulieren, was dafür spricht, dass die EES nicht nur biomimetische Bewegungen induziert, sondern auch vorhandene biologische Signale verstärkt.

Das Team um Courtine will das Verfahren nun weiter verbessern – mit größeren Arrays und mehr Elektroden. Damit zielen Forscher aus Lausanne nicht nur auf die Bein- und Rumpfmuskulatur, sondern auch auf die Blasen- und Darmfunktion.

Quelle: ÄrzteZeitung Online vom 8. Februar 2022Externer Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.

Ihr Kontakt zu uns

Service

News abonnieren

Sie möchten auf dem Laufenden bleiben?
Abonnieren Sie unsere kostenlosen Newsletter, E-Mail-Alerts zu unseren Themen oder Pressemeldungen.

Jetzt abonnieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Bluthochdruck
    Renale Denervation bei resistenter Hypertonie effektiv

    Die renale Denervation ist eine wirksame und verträgliche Option für Betroffene mit einem unkontrollierten Bluthochdruck. Das legte Felix Mahfoud vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg auf einer DGK-Pressekonferenz dar.

    Artikel17.04.2024

    Mehr lesen
  • Patente
    Medizintechnik-Patente auf Rang 2 beim Europäischen Patentamt

    Patentanmeldungen sind ein Indikator für die Innovationsdynamik der Medizintechnik-Branche. Mit 15.985 Patentanmeldungen ist die Medizintechnik beim Europäischen Patentamt (EPA) im Jahr 2023 die zweitinnovativste Branche gewesen.

    Artikel25.03.2024

    Mehr lesen
  • Trends
    Die wichtigsten Trends in der Medizintechnik für das Jahr 2024

    Wirtschaftskrise, Inflation und steigende Preise werfen lange Schatten auf das neue Jahr 2024. Wie sieht die Zukunft des Medizintechnikmarktes in diesem Jahr aus? Das Healthcare- und Life-Sciences-Team des EMS-Experten Plexus wagt einen Blick auf mögliche Treiber, Trends und Fallstricke. Die Medizintechnik in Deutschland steht unter einem enormen Druck – einem enormen Kostendruck. Zwar rechnen...

    Artikel23.01.2024

    Mehr lesen

Kommende Veranstaltungen

  • Webinar
    Artificial Intelligence Act | MDR trifft KI!

    Schon heute fließen KI-Elemente (Künstliche Intelligenz) in Medizinprodukte ein. Die Entwicklung medizinischer Software unterliegt dabei den strengen Vorgaben der Medical Device Regulation (MDR). In Zukunft wird bei der Entwicklung und Zertifizierung von KI-Medizinprodukten auch der Artificial Intelligence Act (AIA) als neue horizontale Regulierung von KI in der EU eine wichtige Rolle spielen.

    Seminardigital
    17.06.2024 14:00 - 15:30 Uhr
    organizer: BVMed-Akademie
    Schwerpunkt: Digitalisierung

    Zur Veranstaltung: Artificial Intelligence Act | AIA
  • Webinarreihe
    DiGA-Days | Fit for DiGA

    Rund drei Jahre nach erster Listung im BfArM-Verzeichnis geht die DiGA-Reise weiter. Das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens bringt Neuerungen im „Fast-Track“-Verfahren mit sich und erlaubt die Integration von digitalen Medizinprodukten der Risikoklasse IIb als DiGA. Damit wird ein schneller Zugang für neue Innovationen in die Gesundheitsversorgung ausgeweitet.

    Seminardigital
    24.09.2024 10:00 Uhr - 26.09.2024 15:00 Uhr
    organizer: BVMed-Akademie
    Schwerpunkt: Recht

    Zur Veranstaltung: DiGA-Days | Fit for DiGA

Ihre Vorteile als BVMed-Mitglied

  • Organisation

    In über 80 Gremien mit anderen BVMed-Mitgliedern und Expert:innen in Dialog treten und die Rahmenbedingungen für die Branche mitgestalten.

  • Information

    Vom breiten Serviceangebot unter anderem bestehend aus Veranstaltungen, Mustervorlagen, Newslettern und persönlichen Gesprächen profitieren.

  • Vertretung

    Eine stärkere Stimme für die Interessen der Branche gegenüber politischen Repräsentant:innen und weiteren gesundheitspolitischen Akteur:innen erhalten.

  • Netzwerk

    An Austauschformaten mit anderen an der Versorgung beteiligten Akteur:innen, darunter Krankenkassen, Ärzteschaft oder Pflege teilnehmen.

Die Akademie

Von Compliance über Nachhaltigkeit bis hin zu Kommunikation. Unsere Akademie bietet der MedTech-Community eine Vielfalt an Veranstaltungen zur Fort- und Weiterbildung an. Entdecken Sie unsere Seminare, Workshops und Kongresse.

Zu den Veranstaltungen