- Schonende Verfahren bei Herzklappenerkrankungen Interview mit Professor Dr. Andreas Liebold, ärztlicher Direktor der Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Ulm
Artikel19.08.2014
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Herzklappenerkrankungen gehören zu den häufigsten Erkrankungen des Herzen. Auch wenn chirurgische Eingriffe bei Herzspezialisten zur Tagesordnung gehören, bleibt eine Operation am Herzen eine Herausforderung. Im Interview erklärt Professor Dr. Andreas Liebold, ärztlicher Direktor der Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Ulm, welche Symptome auf eine Herzklappenerkrankung hindeuten können und erläutert die Vorteile der intraaortalen Ballonokklusion bei einem operativen Eingriff.
WELCHE SYMPTOME KÖNNEN AUF EINE HERZKLAPPENERKRANKUNG HINDEUTEN UND WANN SOLLTE MAN EINEN ARZT AUFSUCHEN?
Herzklappenerkrankungen machen sich durch verschiedene Symptome bemerkbar. Betroffene klagen über Luftnot, Schwindel und Brustschmerzen sowie Herzrhythmusstörungen. Aber auch Wassereinlagerungen in Unterschenkel oder Handrücken gehören zu den geläufigen Symptomen. Leider nehmen viele Patienten erste Warnsignale nicht ernst und gehen zunächst von Alterserscheinungen aus. Dabei kann eine frühzeitige Behandlung die Verlaufsprognose positiv beeinflussen. Betroffene sollten deshalb erste Symptome ernst nehmen und frühzeitig einen Arzt aufsuchen.
WO LIEGEN DIE MÖGLICHEN URSACHEN EINER ERKRANKUNG? WER IST HÄUFIG DAVON BETROFFEN?
Herzklappenerkrankungen sind entweder angeborene Herzfehler oder Folge einer degenerativen oder entzündlichen Veränderung, die durch Altersabnutzungen oder Infektionen (Endokarditis) entstehen. Eine Infektion mit Staphylokokken kann beispielsweise eine Entzündung am Herzklappengewebe hervorrufen und eine Undichtigkeit der Klappe verursachen. Genauso kann Bluthochdruck oder ein Herzinfarkt zu einer Schädigung der Herzklappen führen.
Da die meisten Herzklappenerkrankungen Folge einer degenerativen oder entzündlichen Veränderung sind, treten sie erst im fortgeschrittenen Alter auf. Dabei sind Männer und Frauen gleichermaßen betroffen.
WELCHE BEHANDLUNGSMÖGLICHKEITEN EXISTIEREN UND WELCHE BEDEUTUNG KOMMT MINIMALINVASIVEN OPERATIONSTECHNIKEN DABEI ZU?
Eine Behandlung zielt zunächst darauf, die erkrankte Herzklappe durch eine operative Rekonstruktion wiederherzustellen. Ist dies jedoch nicht möglich, muss sie durch eine mechanische oder biologische Herzklappe ersetzt werden. Bei einer Herzklappenoperation wird in den meisten Fällen der Brustkorb mittig eröffnet. Bei weniger als der Hälfte der Operationen kann ein minimalinvasiver Eingriff durchgeführt. Dabei bietet diese Methode viele Vorteile: Durch den kleinen Schnitt treten weniger Wundprobleme auf, der Patient erholt sich nach dem Eingriff schneller und selbstverständlich ist auch das kosmetische Ergebnis besser.
WAS GESCHIEHT BEI EINER INTRAAORTALEN BALLONOKKLUSION UND WIE UNTERSCHEIDET SICH DER EINGRIFF ZUR HERKÖMMLICHEN STERNOTOMIE?
Bei der herkömmlichen Sternotomie sägt der Chirurg das Brustbein median in einer Länge von 20 bis 30 cm auf. Anschließend erfolgt die Operation am geöffneten Brustkorb. Dabei unterbricht der Chirurg die Blutzufuhr zum Körperkreislauf mittels einer Aortenklemme. Während des Eingriffs übernimmt eine Herz-Lungen-Maschine die Funktionen des Körpers. Bei der intraaortalen Ballonokklusion hingegen wird die Aorta mit Hilfe eines speziellen Katheters von innen verschlossen und so die Blutzufuhr unterbrochen. Dazu führt der Chirurg zunächst einen Ballonkatheter über die Leistenschlagader bis in den Anfangsteil der Aorta ein. Durch das Befüllen des Ballons wird die Aorta von innen verschlossen. Gleichzeitig kann dem Patienten durch ein weiteres Lumen eine Lösung verabreicht werden, die das Herz für die Zeit der Operation stilllegt. Anschließend erfolgt der Eingriff mit Hilfe eines Endoskops. Dem Patienten bleibt dadurch das Aufsägen des Brustkorbs erspart.
MIT DER INTRAAORTALEN BALLONOKKLUSION STEHT EINE NEUE METHODE ZUR VERFÜGUNG, DIE MINIMALINVASIVE SCHLÜSSELLOCHCHIRURGIE WEITER ZU OPTIMIEREN. BEI WELCHEN HERZCHIRURGISCHEN EINGRIFFEN KANN DIE INTRAAORTALE BALLONOKKLUSION EINGESETZT WERDEN?
Muss eine der vier Herzklappen, die Mitralklappe, rekonstruiert oder ersetzt werden, eignet sich bei einem endoskopischen Eingriff die intraaortale Ballonokklusion. Kommt es nach einer Herz-OP zu Komplikationen, kann diese Methode bei notwendigen Folgeoperationen ebenfalls eingesetzt werden. Auch bei bestimmten Bypass-Operationen bietet sich die intraaortale Ballonokklusion an.
WELCHE VORTEILE BRINGT DIE INTRAAORTALE BALLONOKKLUSION IM VERGLEICH ZUR HERKÖMMLICHEN STERNOTOMIE?
Die Ballonokklusion bietet eine Reihe von Vorteilen. Zunächst besteht durch den Verschluss der Aorta mit Hilfe der Ballonokklusion nur ein geringes Verletzungsrisiko der Hauptschlagader. Auch das Stilllegen des Herzens für die Zeit der Operation ist dank dieser Methode recht unkompliziert.
GIBT ES PATIENTEN, BEI DENEN DIE INTRAAORTALEN BALLONOKKLUSION NICHT DURCHGEFÜHRT WERDEN SOLLTE?
Ja, in manchen Fällen sollte von dieser Methode abgesehen werden. Die intraaortale Ballonokklusion eignet sich beispielsweise nicht bei Patienten, die einen Aortendurchmesser von deutlich über 4,0 cm haben. Auch bei Patienten mit verengten oder verkalkten Leistengefäßen, die als Zugangswege für den Ballonkatheter dienen, sollte diese Methode nicht angewandt werden. Darüber hinaus ist bei einer starken Verkalkung bestimmter Aortenabschnitte von dieser Methode abzusehen.
WIE SIND IHRE PERSÖNLICHEN ERFAHRUNGEN MIT DIESER METHODE?
Das Vorgehen erfordert einige Erfahrungen, sodass zunächst eine persönliche Lernkurve erforderlich ist. Inzwischen habe ich ca. 70 Patienten mit dieser Methode operiert. Dabei habe ich ausschließlich positive Erfahrungen gesammelt und bin bisher nicht auf die Klemmenlösung ausgewichen. Entscheidend für mich ist, dass es durch die intraaortale Ballonokklusion zu weniger Blutungskomplikationen kommt.
Quelle: Aktion Meditech