Homecare
Homecare-Kongress des BVMed: Gesundheitspolitiker fordern mehr Wertschätzung für Homecare-Versorgung | Homecare im SGB V verankern
26.11.2020|145/20|Berlin|
Mehr Wertschätzung für die Homecare-Versorgung mit Hilfsmitteln: das forderten die Hilfsmittel-Experten der Bundestagsfraktionen, Dr. Roy Kühne (CDU/CSU), Martina Stamm-Fibich (SPD), Maria Klein-Schmeink (Grüne) und Dr. Wieland Schinnenburg (FDP) in der gesundheitspolitischen Diskussionsrunde zum Auftakt des Homecare-Management-Kongresses des Bundesverbandes Medizintechnologie, BVMed. Gerade in der Corona-Pandemie zeige sich, wie wichtig es sei, die Versorgung der Patienten im ambulanten Bereich sicherzustellen, um Ressourcen in den Krankenhäusern freizuhalten, so Juliane Pohl vom BVMed. Die Grünen-Abgeordnete Maria Klein-Schmeink plädierte dafür, Homecare-Versorgung nicht als Anhängsel an ein Produkt zu sehen, „sondern als eigenständigen Versorgungsbereich“. In der ersten Welle der Corona-Pandemie sei die Homecare-Versorgung nicht als eigener und wichtiger Bereich mitgedacht worden. Das müsse sich ändern, so die Gesundheitspolitiker: beispielsweise bei der Berücksichtigung in der Impfstrategie, den wirtschaftspolitischen Unterstützungsmaßnahmen oder auch bei der Einbindung des Homecare-Bereichs in die derzeitigen Digitalisierungsanstrengungen Bei der Umsetzung der neuen gesetzlichen Regelungen im Hilfsmittelbereich sehen Anke Domscheit vom BAS und BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll noch erhebliche Mängel – beispielsweise bei der Informationspflicht der Krankenkassen gegenüber den Versicherten und dem notwendigen Vertragscontrolling. Damit Patienten einen gesicherten Anspruch auf Homecare-Dienstleistungen haben, plädierten die Vertreter von Hilfsmittel-Leistungserbringern und Homecare-Unternehmen dafür, Homecare-Leistungen im SGB V zu verankern.
Der CDU-Abgeordnete Dr. Roy Kühne zielte vor allem auf die nächsten Koalitionsverhandlungen 2021 ab, „um die Situation für die Hilfsmittel- und Homecare-Versorgung zu verbessern“. Er appellierte an alle Beteiligten, die Präsenz des Homecare-Bereichs nach vorne zu bringen.
Nach Ansicht der SPD-Abgeordneten Martina Stamm-Fibich habe die Corona-Pandemie gezeigt, „dass wir auch bei der Hilfsmittelversorgung die Digitalisierung mitdenken müssen“. Langfristig müsste darauf geachtet werden, „dass wir die Qualität in der Hilfsmittelversorgung sicherstellen und dass wir die Berufsbilder im Hilfsmittel- und Homecare-Bereich attraktiver ausgestalten“.
Maria Klein-Schmeink von den Grünen sieht nach wie vor erhebliche Mängel in der Umsetzung der Gesetze. Der enorme bürokratische Aufwand insbesondere für Menschen mit Behinderungen sei in der Hilfsmittelversorgung nicht hinnehmbar. „Hier müssen wir die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um Prozesse zu vereinfachen.“ Außerdem müssten die derzeitigen Versorgungskonzepte weiterentwickelt und stärker ganzheitlich ausgerichtet werden. Die Homecare-Unternehmen sind dabei einzubinden.
Dr. Wieland Schinnenburg von der FDP-Bundestagsfraktion konstatierte, der Bereich der Homecare-Versorgung sei noch zu wenig bekannt – und damit auch zu wenig wertgeschätzt. Homecare sei von der Corona-Pandemie stark betroffen, aber zu wenig unterstützt worden. Ein weiteres wichtiges Anliegen sei der Abbau von Bürokratie in den Prozessen rund um die Hilfsmittelversorgung.
BVMed: Homecare im SGB V verankern


Aufsicht sieht erhebliche Mängel bei der Umsetzung der Gesetze


Die Bedeutung der ambulanten Homecare-Versorgung
Martin Lösing vom Homecare-Unternehmen Livica sieht es als die Aufgabe von Homecare, dem Patienten im Versorgungsdschungel Geleit zu geben. Sein Unternehmen versorgt bundesweit Patienten mit medizinischen und pharmazeutischen Produkten. Der Schwerpunkt liegt auf besonders dienstleistungs-und beratungsintensiven Versorgungsbereichen, beispielsweise enterale Ernährung, Stoma, Inkontinenz, Tracheostoma oder Wundversorgung. „Homecare bündelt Kompetenzen. Verschiedene Leistungen werden zu einem komplexen Versorgungsmodell zusammengefügt - mit einem hohen Dienstleistungs-und Beratungsanteil über die Produktlieferung hinaus“, so Lösing. Homecare ist dabei bislang nicht gesetzlich definiert, sondern ein Verbund verschiedener ambulanter Leistungen am Patienten. Ein wichtiger Bereich ist der Übergang eines Patienten vom Krankenhaus in den häuslichen Bereich. „Die heute üblichen frühen Entlassungen erfordern ein professionelles Nachversorgungs-Setting“, so der Homecare-Experte.
Katrin Kollex vom Homecare-Unternehmen GHD ging auf die Frage ein, wie die Versorgungsstrukturen der Zukunft aussehen sollten – und was sich dafür verändern muss. Ausgangspunkt bei den Überlegungen müsse der Versorgungswunsch „Ambulant vor Stationär“ des Patienten sein. Aktuell komme es beim Übergang zwischen verschiedenen Versorgungsbereichen in der Praxis regelmäßig zu Versorgungsbrüchen. „Das strukturierte Versorgungsmanagement nach § 11 Abs. 4 SGB V ist dabei für die Homecare-Versorgung und insbesondere für die zusätzlichen über die Hilfsmittelversorgung hinausgehenden Koordinierungs-und Therapieleistungen keine klare Rechtsgrundlage“, bemängelt Kollex. Nicht nur in der aktuellen Pandemie müssten Krankenhäuser, Ärzte, Pflege und Pflegeheime entlastet werden. „Qualifizierte Homecare-Versorgungsstrukturen sorgen in der COVID-19-Pandemie dafür, dass die Patienten in der Homecare-Versorgung effizient betreut werden, ohne die Akutversorgungsstrukturen zu belasten“, so Kollex. Sie wünscht sich für die Zukunft einen neuen Versorgungsansatz, der die ganzheitliche Versorgung des Patienten ermöglicht und dabei die bisherigen Schnittstellen überwindet. Homecare kann hier eine zentrale Rolle spielen.
Keynote „Health Innovation: Alles neu macht digital?“

Der BVMed vertritt als Wirtschaftsverband über 230 Industrie- und Handelsunternehmen der Medizintechnik-Branche. Im BVMed sind u. a. die 20 weltweit größten Medizinproduktehersteller im Verbrauchsgüterbereich organisiert. Die Medizinprodukteindustrie beschäftigt in Deutschland über 235.000 Menschen und investiert rund 9 Prozent ihres Umsatzes in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte und Verfahren. Der Gesamtumsatz der Branche liegt bei über 33 Milliarden Euro. Die Exportquote beträgt rund 65 Prozent.