Verbandmittel Definition
Änderung der Arzneimittel-Richtlinie des G-BA schränkt Wundversorgung ein: BVMed für Verlängerung der Übergangsfrist
04.11.2020|131/20|Berlin|

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Der Beschluss des G-BA zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie, konkret zum Abschnitt P und Anlage Va zu „Verbandmittel und sonstige Produkte zur Wundbehandlung“, sieht vor, dass unter anderem antimikrobielle und silberhaltige Wundauflagen ihren Nutzen gesondert nachweisen müssen, um verordnungsfähig zu werden. Dazu sind spezielle Studien vorzulegen. Es gilt eine einjährige Übergangsfrist für die Verordnung in der gesetzlichen Krankenversicherung. „Die nun geforderten Nutzennachweise in Studien sind in einem Jahr und unter verschärften COVID-19-Bedingungen nicht zu erbringen“, so BVMed-Geschäftsführer Möll. „Damit drohen Patientinnen und Patienten mit infizierten chronischen oder akuten Wunden erhebliche Versorgungsengpässe. So wird das Fehlen von seit Jahren etablierten antimikrobiellen und antiseptischen Verbandmitteln sicherlich zu einer Steigerung der Abgabe von Antibiotika führen. Dies birgt die Gefahr von Resistenzbildungen.“
Zudem gibt es nach aktuellen Informationen des BVMed für die Produkte zur Wundbehandlung keine geeigneten Kriterien, nach denen die Studien und Nachweise zu bewerten sind: Für diese Produkte, die nun ihren Nutzen nachzuweisen haben, sind weder Anforderungen noch ein Verfahren zur Erbringung der erforderlichen Evidenz, das auf die Besonderheiten dieser Produkteausgerichtet ist, definiert. Die fehlende Umsetzung in diesem Bereich führt zu einer wesentlich schlechteren Versorgung für die Patientinnen und Patienten, die auf eine Versorgung mit den betroffenen Produkten angewiesen sind.
Es ist nach Ansicht des BVMed auch vor dem Ende der Übergangsfrist in 12 Monaten mit einer Verunsicherung auf Seiten der behandelnden Ärztinnen und Ärzten sowie der Patientinnen und Patienten zu rechnen. Für all diese Produkte werden alternative Behandlungen für die bisher bewährten Therapiemöglichkeiten benötigt – und dies in Zeiten, in denen Arztbesuche oftmals gescheut werden. Es bedarf nach Ansicht der BVMed-Wundversorgungsexperten einer politischen Rahmensetzung, um die Versorgung der Menschen nicht zu gefährden. „Wir brauchen eine wesentlich längere Übergangsfrist, die Überarbeitung der derzeitigen Stichtagsregelung und ausreichend Zeit für eine praktikable Zukunftsregelung mit klaren Kriterien für die Durchführung geeigneter Studien und die Erbringung der geforderten Nachweise“, so BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll.
Zum Hintergrund:
Aufgrund der Nichtbeanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit zum G-BA-Beschluss vom 20. August 2020 zur Arzneimittel-Richtlinie zu Verbandmitteln und sonstigen Produkten zur Wundbehandlung wird die damit einhergehe Änderung dieser Richtlinie in Kürze mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft treten.
Demnach sind Wundauflagen mit ergänzenden Eigenschaften, beispielsweise mit antimikrobieller Wirkung, nicht mehr in der GKV erstattungsfähig, wenn sie direkten Wundkontakt haben oder das verwendete Material in die Wunde abgegeben wird. Dies führt dazu, dass die entsprechenden Wundauflagen als „sonstige Produkte zur Wundbehandlung“ nicht mehr verordnet werden dürfen. Dies gilt auch für andere Wundauflagen, beispielsweise mit ergänzender pharmakologischer Wirkweise. Derartige Verbandmittel müssen ihren Nutzen nun mit bestmöglicher Evidenz nachweisen. Aus Sicht des BVMed ist dieser Nachweis mittels entsprechender Studien allerdings auch nicht unter Berücksichtigung der Übergangsfrist von 12 Monaten zeitnah zu erbringen. Denn sie benötigen einerseits ein besonderes Studien-Design, für das sich insbesondere in diesen Zeiten nicht genügend Patientinnen und Patienten finden. Zum anderen fehlt es weiterhin an klaren Vorgaben, wie diese Nutzennachweise erbracht werden können. Diese müssen dabei die Besonderheiten der Produkte zur Wundbehandlung berücksichtigen.
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