Technologieentwicklung

Forschungszusammenarbeit zwischen Ärzten und Ingenieuren

Die moderne Medizin ist einem stetigen Wandel unterworfen. Ein wesentliches Beispiel dafür ist die Technisierung der Medizin, die in den zurückliegenden Jahrzehnten stark zugenommen hat. Im Mittelpunkt steht die Nutzung einzelner oder miteinander kombinierter medizintechnischer Geräte, Systeme, Softwareprozesse oder auch Hilfsmittel für präventive, diagnostische, therapeutische oder rehabilitative Zwecke. Die Technisierung in der Medizin hat durch die Verknüpfung mit Informations- und Kommunikationstechnologien in jüngerer Vergangenheit neue Dimensionen angenommen. Dies trifft insbesondere auf die Digitalisierung, Verarbeitung, Lenkung und Nutzung relevanter medizinischer Daten in der Versorgung oder auf Vernetzungs-, Integrations- und Automatisierungsansätze im modernen Operationssaal zu. Die Anwendung medizintechnischer Geräte, Systeme, Softwareprozesse bzw. biomedizintechnischer Verfahren ist heute integraler Bestandteil des medizinischen Alltags und prägt auf diese Weise Versorgungsprozesse und Kompetenzanforderungen. Eine funktionierende Patientenversorgung sowohl im stationären als auch im ambulanten Sektor hängt somit in einem erheblichen Umfang von Medizintechnik ab.

Technologieentwicklung in der Chirurgie

Eine starke Wechselbeziehung gehen Technik und Medizin auf dem Gebiet der Intervention ein. Operationen bzw. Operationsverfahren sind technologieabhängig und vielfach auch technologieinduziert. Mit Blick auf die stetige Verbesserung der medizinischen Versorgung werden Methoden, Technologien und Prozesse für interventionelle Eingriffe kontinuierlich erforscht oder weiterentwickelt. Allen diesen Innovationen gehen Projekte voraus, in denen im Regelfall „technische Entwickler“, d.h. vor allem Ingenieure, Informatiker und Naturwissenschaftler mit „klinischen Anwendern“, d.h. chirurgisch bzw. interventionell tätigen Medizinern, interdisziplinär zusammenarbeiten. Dieser Prozess findet in vielfacher Art und Weise vor allem zwischen Kliniken und Medizintechnikunternehmen, aber auch unter Mitwirkung von Forschungsinstitutionen oder ggf. anderen am Entwicklungs-, Zulassungs- oder Transferprozess beteiligten Akteuren statt. Eine Technologieentwicklung wird nur dann medizinisch und wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn Entwicklungskompetenz in geeigneter Art und Weise auf Anwendungskompetenz sowie auf einen medizinischen Bedarf trifft.

Auch wenn bis heute unbestreitbar erhebliche Fortschritte bei der Patientenversorgung unter Anwendung neuer chirurgischer bzw. interventioneller Techniken in Deutschland erzielt wurden, so wird doch seitens der beteiligten Akteure regelmäßig auf Hürden im Innovationsprozess von Medizinprodukten hingewiesen. Neben negativen Faktoren, wie z.B. regulatorischen Hemmnissen bei der Medizinproduktezulassung oder Unsicherheiten bei der Refinanzierung von Leistungen durch die Gesetzliche Krankenversicherung, wird dabei die eigentliche klinische Entwicklung bzw. Erforschung von Medizinprodukten immer wieder als problembehaftet angesehen. Als ein wichtiger Grund werden Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit zwischen Entwicklern und Anwendern (sowie anderen unmittelbar an der technischen und klinischen Medizinprodukteentwicklung beteiligten Berufsgruppen) genannt, die sich aus unterschiedlichen Terminologien, Methoden, Arbeitsweisen und Anreizsystemen ergeben. Insbesondere in den klinisch-operativen Fächern wird die Beschäftigung mit medizintechnischer Forschungs- und Entwicklungsarbeit häufig noch als „Forschung 2. Wahl“ angesehen. Daraus resultiert ein erhebliches Verbesserungspotenzial für den medizintechnischen Innovationsprozess.

Hemmnisse

In einem VDE-Positionspapier werden Probleme bei der Kooperation zwischen technischen Entwicklern und klinischen Anwendern auf dem Gebiet der Intervention aus praktischer Sicht erörtert. Im Ergebnis zeigt sich, dass vor allem vier Aspekte die interdisziplinäre Zusammenarbeit beider Berufsgruppen erschweren:
  • unterschiedliche Ausbildungsgänge,
  • unterschiedliche Fachkulturen,
  • divergierende wissenschaftliche und monetäre Anreizsysteme,
  • voneinander abweichende Arbeitsweisen.

Empfehlungen

Um die Rahmenbedingungen für die interdisziplinäre Kooperation zwischen Entwicklern und Anwendern zu verbessern, werden folgende zentrale Empfehlungen abgeleitet:
  • Integration medizinischer bzw. technischer Lehrinhalte in die Curricula der akademischen Ausbildungsgänge von Entwicklern und Anwendern,
  • Strukturierung und Standardisierung beruflicher sowie wissenschaftlicher Weiterbildungsangebote in Verbindung mit geeigneten Qualitäts- oder Kompetenzbescheinigungen,
  • Schaffung interdisziplinärer Wissens- und Vernetzungsangebote, die für die individuellen Anforderungen beider Berufsgruppen geeignet aufbereitet sind,
  • Einführung wissenschaftlicher Anreizsysteme, die sich förderlich auf die Kooperation von Entwicklern und Anwendern auswirken,
  • Schaffung geeigneter Forschungsrahmenbedingungen an den Kliniken für Anwender und Entwickler in Hinblick auf die Ressourcen Zeit, Einkommen, Forschungsmittel und Karrierewege sowie
  • Entwicklung von maßgeschneiderten Förderangeboten für medizintechnisch-klinische Forschung und Entwicklung.

Quelle: VDE-Positionspapier "Medizintechnik in der chirurgischen Intervention - Wie lässt sich die interdisziplinäre Forschungszusammenarbeit zwischen Ärzten und Ingenieuren verbessern (November 2014)"

Kurzlink: www.bvmed.de/vde-forschungszusammenarbeit
  • Weitere Artikel zum Thema
  • MedTech-Forschende im Porträt: „Entbürokratisierung gegen Regulierungswut“

    Die deutlich strengeren Zulassungsanforderungen für Medizinprodukte erweisen sich „als Hemmschuh für die Entwicklung neuer Innovationen, wenn die regulatorische Schraube überdreht wird“. Das sagt Rüdiger Dworschak, Gründer und Geschäftsführer des Kunstlinsen-Herstellers und BVMed-Mitgliedsunternehmen 1stQ. „Unsere größte Herausforderung ist nicht die Technologie, sondern die Regulierung. Gerade kleinere Unternehmen werden dadurch benachteiligt“, so Dworschak weiter. Sein Porträt ist Teil der neuen Medizintechnik-Branchenkampagne des BVMed. Wie der Standort Deutschland wieder gestärkt werden kann, zeigt der BVMed in einem 5-Punkte-Plan. Mehr

  • MedTech-Forschende im Porträt | „Deutschland wieder zu einem attraktiven Technologiestandort machen“

    Krisen wie die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben gezeigt, wie schnell globale Lieferketten abbrechen und Produkte in Europa knapp werden können. „Deshalb müssen wir die Forschung und Produktion in Deutschland stärken und wertvolles Know-how sichern, um nicht von anderen abhängig zu sein“, fordert die Medizintechnik-Forscherin Sofia Binias vom BVMed-Mitgliedsunternehmen Biotronik. Ihr Porträt ist Teil der neuen Medizintechnik-Branchenkampagne des BVMed unter www.medtech-germany.de. Mehr

  • MedTech-Forschende im Porträt | „Innovationsfähigkeit des Mittelstands stärken“

    Der Forschungsstandort Deutschland zeichnet sich durch eine gut vernetzte Community medizinischer und wissenschaftlicher Fachkräfte und innovativer mittelständischer Unternehmen aus. Im Gespräch mit den Forschern PD Dr. habil. Frank Seehaus und Dr.-Ing. Ulrike Deisinger vom BVMed-Mitgliedsunternehmen Peter Brehm wird gleichzeitig deutlich: die EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) und der damit verbundene bürokratische Mehraufwand „lässt innovative Produktneuentwicklungen und Forschung national auf der Strecke bleiben und in andere Länder, wie zum Beispiel die USA, abwandern“, so Seehaus. Deshalb sei es wichtig, die nationale Forschungsförderung in Deutschland zu stärken. Mehr


©1999 - 2023 BVMed e.V., Berlin – Portal für Medizintechnik