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 - Verbandmittel-Erstattung Richtig abgebogen, aber zu kurz gefahren Gastbeitrag von Juliane Pohl (BVMed) für die Zeitschrift WUNDmanagement

ArtikelBerlin, 25.02.2021

© bvmed.de Die Verbandmitteldefinition ist seit Jahren umstritten. Der Entwurf des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) verspricht Verbesserungen. Warum das immer noch nicht ausreicht, erklärt Juliane Pohl vom Bundesverband Medizintechnologie, BVMed.

Es ist wie das sprichwörtliche Eulen-nach-Athen-Tragen, wenn festgestellt wird, dass die Behandlung chronischer Wunden komplex ist. Medizinische und pflegerische Fachkreise und Wundexperten wiederholen seit Jahren, wie wichtig die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ärztinnen und Ärzten, Pflegefachkräften und auch den Herstellern von Wundprodukten ist. Umso erstaunlicher erscheint es, dass die Regelungen für eine gesetzliche Definition der Verbandmittel oft einen Schritt in die richtige Richtung gehen, um dann wieder zwei Schritte zurückzumachen.

Ewiges Hin-und-Her der Gesetze

Mit dem Heil- und Hilfsmittel-Versorgungsgesetz (HHVG) gab es 2017 endlich eine vernünftige Regelung, die erstmals Verbandmittel legal definierte und somit die Erstattung der meisten etablierten Verbandmittel in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vorsah. Zwei Jahre später drehte das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) dies wieder zurück. Es schloss Produkte aus der Erstattung aus, die neben der erforderlichen Hauptwirkung Bedecken und/oder Aufsaugen eine zusätzliche pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung im menschlichen Körper haben. Mit der Änderung der Arzneimittel-Richtlinie hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Anfang Dezember 2020 die Situation noch weiter verschärft. Demnach müssen – wenn nicht eine weitere Gesetzesänderung greift – „sonstige Produkte zur Wundbehandlung“ nun in Abgrenzung zu „Verbandmitteln“ ihren Nutzen gesondert nachweisen. Das betrifft vor allem antimikrobielle, z. B. silberhaltige oder wundheilungsfördernde, Wundauflagen. Sie sind damit in der GKV nur noch dann erstattungsfähig, wenn für sie im Rahmen eines Antragsverfahrens der Nutzennachweis positiv vom G-BA bewertet wurde und sie somit in die Anlage V der Arzneimittelrichtlinie aufgenommen wurden. Für Produkte, die bereits vor dem gesetzlich definierten Stichtag zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen verordnet wurden, gilt derzeit eine einjährige Übergangsfrist, in der sich an der Verordnungsfähigkeit nichts ändert.

Aber diese Frist ist viel zu kurz! Brauchbare Studien im Rahmen des geforderten Nutzennachweises sind in dieser Zeit schon unter normalen Bedingungen nicht zu erbringen, weil sie einen erheblichen Aufwand erfordern. In der Corona-Pandemie sind solche Nachweise völlig illusorisch: Laufende Studien liegen aufgrund des Infektionsschutzes auf Eis; Wundpatienten und -patientinnen sehen von der Teilnahme ab, weil sie häufig auch zur COVID-19-Risikogruppe gehören.

Mehr als 400 Produkte werden ihren Status als Verbandmittel verlieren

Von der neuen Einteilung als „sonstige Produkte zur Wundbehandlung“ sind nach unseren Schätzungen mehr als 400 Produkte betroffen. Ohne positive Beurteilung des Nutzens durch den G-BA stehen diese aufgrund der geschilderten Umstände künftig nicht mehr für die Versorgung von GKV-Patienten zur Verfügung. Hinzu kommen die Produkte, die von der Übergangsfrist aufgrund des Inverkehrbringens nach dem derzeit geltenden Stichtag bereits jetzt von dem Verordnungsausschluss betroffen sind. Das ist eine dramatische Zahl: Bezogen auf den Apothekenmarkt entspricht das geschätzt fast fünf Millionen Verbänden. Neben der Unsicherheit über die zukünftige Behandlung würde dies eine neue Therapie nötig machen. Bei einem solchen Versorgungsbruch sind neu auftretende Komplikationen wahrscheinlich – was die bisher in der Praxis lang erprobte Wirksamkeit der betroffenen Produkte auf tragische Weise konterkarieren würde. Außerdem ist zu befürchten, dass beispielsweise bei infizierten Wunden statt der medizinisch gebotenen, lokalen antimikrobiellen Therapie vermehrt Antibiotika verabreicht würden. Das könnte die Entwicklung resistenter Keime fördern.

Insgesamt würde es die Vielfalt der modernen Verbandmittel in der GKV erheblich einschränken.

Richtig abgebogen – aber zu kurz gefahren

Im „Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung“ (GVWG) möchte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn jetzt die sehr unzureichende Regelung der „sonstigen Produkte zur Wundbehandlung“ durch den G-BA noch einmal angehen.

Er hat dabei teilweise den richtigen Abzweig genommen: Neben einer Anpassung des Stichtags an das Inkrafttreten der GBA-Richtlinie soll die Übergangsfrist für diese Produkte gemäß Kabinettsentwurf auf zwei Jahre verlängert werden. Doch auch dies greift zu kurz: Aufgrund der aufwändigen Studiendesigns und der Schwierigkeiten wegen der Corona-Pandemie sind, wie nun vom Bundesrat in seiner Stellungnahme vorgeschlagen, mindestens drei Jahre Übergangsfrist erforderlich – was immer noch sehr herausfordernd für die betroffenen Unternehmen ist. Es sei an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass die entsprechenden Produkte ihre Wirksamkeit und Sicherheit als bereits zugelassene Medizinprodukte längst nachgewiesen haben.

Weitere Steine im Weg

Auch sonst rumpelt es auf dem Weg zur Regelung für die sonstigen Produkte zur Wundbehandlung weiter. Der Kritik der Unternehmen an den Nutzennachweisen wird entgegengehalten, dass sie schon lange genug davon wüssten und sich somit darauf einstellen konnten. Leider war und ist das nicht der Fall: Die Entscheidung des G-BA war überraschend, da sie viel weiter ging als aufgrund der gesetzlichen Grundlage zu erwarten war. Zu den konkreten Anforderungen an den Nutzennachweis hat der G-BA bis Redaktionsschluss (Stand 12.02.2021) keine Informationen, Antragsformulare oder klare Bewertungskriterien veröffentlicht. Bisherige Prüfkriterien beziehen sich auf Arzneimittel oder arzneimittelähnliche Medizinprodukte, die nicht auf Wundprodukte übertragbar sind: Die Behandlung mit pharmazeutischen Produkten erfolgt fast immer aufgrund einer klar definierten Indikation mit festgelegtem Endpunkt. Bei Produkten zur Wundversorgung ist das sehr oft nicht der Fall: So kann es neben der vollständigen Heilung einer Wunde auch ein Endpunkt sein, Infektionen zu vermeiden oder zu bekämpfen, indem die Keimlast oder die Wundfläche verringert werden. Diese Besonderheiten müssen in Studien und ihren Designs berücksichtigt werden dürfen. Um Klarheit und Sicherheit beim Antragsprozess sowie zu den Anforderungen an Evidenz und Nutzennachweise zu schaffen, ist zudem ein Beratungsrecht beim G-BA einzuführen – so wie bei den vergleichbaren Verfahren anderer Produktbereiche.

Auch hier ist der Gesetzgeber nochmals gefordert. Nur unter diesen Voraussetzungen kann die komplexe Behandlung von Wunden auch in Zukunft in der notwendigen Qualität sichergestellt werden.

Autorin:
Juliane Pohl
Leiterin des Referats Ambulante Gesundheitsversorgung beim Bundesverband Medizintechnologie, BVMed
E-Mail: pohl(at)bvmed.de

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