Körperstolz

Patientengeschichte Nicolas Lewandrowski


Nicolas Lewandrowski (17) ist Schüler der 11. Klasse an einem Berufskolleg. Er lebt seit seiner Geburt mit einem Herzfehler und wurde bereits dreimal am offenen Herzen operiert. Im Jahr 2013 erlitt er beim Fußballspielen einen Herzstillstand und musste auf dem Schulhof wiederbelebt werden. Seither trägt Nicolas einen implantierten Defibrillator (ICD), der ihn vor dem plötzlichen Herztod schützt und neue Sicherheit gibt. Mittlerweile gibt es für ihn keine wesentlichen Einschränkungen mehr, was die Lebensqualität angeht“. Vielmehr freut er sich, Menschen in seinem Alter zu zeigen, „dass man auch mit einem Herzfehler und einem implantierten Stück Metall genauso leben kann, wie jeder gesunde Mensch auch.“

Downloads:
Motiv Defibrillator/Telekardiologie
Motiv und Interview als Broschüre (pdf-Download)

Deine Schulzeit neigt sich dem Ende zu. Kannst du schon genau sagen, wie und wo es für dich nach der Schule weitergeht?

Ich möchte gerne studieren oder eine Ausbildung machen. Was es genau wird, Studium oder Ausbildung, hängt auch von der Note meines Fachabiturs ab. Auf jeden Fall wird es etwas im Bereich Maschinenbau sein. In diesem Bereich habe ich bereits zwei Praktika absolviert – beide in demselben Betrieb – und dort hat es mir auf jeden Fall sehr gut gefallen. Das wäre eventuell auch eine Möglichkeit für die Ausbildung.

Was machst du gerne in deiner Freizeit? Hast du auch so etwas wie ein Lebensmotto?

Ich treibe viel Sport und versuche mindestens drei- bis viermal in der Woche ins Fitnessstudio zu gehen. Ein echtes Lebensmotto habe ich nicht, aber ich bin dankbar – nach all dem, was ich durchgemacht habe – dass ich noch am Leben bin und im Prinzip alles machen kann. Natürlich gibt es auch ein paar Einschränkungen, die sind für mich aber nicht wesentlich und ich muss mich auch nicht täglich damit auseinandersetzen.

Seit ein paar Jahren trägst du ein High-Tech-Gerät in dir. Wie kam es dazu?

Ich habe von Geburt an einen Herzfehler und wurde bisher dreimal am offenen Herzen operiert. Bei der dritten OP haben die Ärzte mir einen normalen Schrittmacher ohne Defibrillator-Funktion eingesetzt. Das war 2011. Zwei Jahre später bin ich in der Schule beim Fußballspielen plötzlich mit Herz- und Atemstillstand zusammengebrochen. Ich wurde mit Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzdruckmassage wiederbelebt, lag danach eine Woche im Koma, drei Wochen im Krankenhaus und nochmal einen Monat in der Reha. Anschließend wurde mir der Defibrillator eingesetzt, den ich jetzt trage. Der hat auch alle Funktionen eines Schrittmachers.

Wie hat dein Freundeskreis auf den Unfall reagiert?

Meine Freunde und Klassenkammeraden wussten von Anfang an, dass ich mit einem Herzfehler lebe. Nach dem Unfall habe ich ihnen alles nochmal erklärt: Viele waren neugierig auf die Technik und auch erstaunt, weil man mir von außen nichts ansieht.

Und hast du seit der Operation, in der du den Defibrillator bekommen hast, Beschwerden?

Nein, mir geht es sehr gut und ich spüre das Gerät so gut wie gar nicht. Vor der Operation hatte ich schon meine Bedenken, aber jetzt kann ich ein normales Leben führen und manchmal vergesse ich sogar, dass ich einen Defi trage.

Wenn man schon drei Operationen hinter sich hat, wie denkt man dann über eine weitere OP nach?

Wie gesagt, Bedenken hatte ich vorher natürlich schon. Aber als ich erfahren habe, was das Gerät alles kann – und vor allem was es im Notfall kann – habe ich mich zur letzten Operation entschieden. Als ich in der Schule zusammengebrochen bin, konnte der Schrittmacher nicht richtig reagieren. Mein Defi kann das in einer solchen Situation hingegen sofort und greift bei akutem Kammerflimmern ein. Zum Glück ist der Fall noch nie eingetreten, aber das ist für mich eine zusätzliche Sicherheit. Diese Sicherheit und diesen Backup hatte ich vorher nicht.

Erkennst du denn beim Sport deine Belastungsgrenze?

Es gibt einen gewissen Punkt, an dem mein Puls zu hoch wird und ich merke, dass ich langsamer machen muss. An diesem Punkt muss ich pausieren, damit der Puls runter geht, erst dann kann ich weitermachen. In der Regel dauern diese Regenerationsphasen einige Minuten. Im Fitnessstudio setze ich mich einfach für 1-2 Minuten und trinke etwas, dann geht es meistens schon wieder.

Dein Defi kann nicht nur Leben retten, er macht auch modernste medizinische Diagnosen mit Telekardiologie und Home Monitoring möglich. Wie muss man sich das vorstellen?

Ich habe zusammen mit dem Defi ein mobiles Gerät in der Größe eines Handys bekommen, den „CardioMessenger“. Dieses Gerät sendet immer zur gleichen Zeit, gegen 24 Uhr, die Daten der Herzaktivität des letzten Tages an meinen Arzt. So kann er täglich kontrollieren, ob alles gut läuft. Die Daten werden dann im Drei-Monats-Rhythmus gesammelt und mit meinem Arzt besprochen. Dabei zeigt er mir die Werte und fragt mich auch nach einzelnen auffälligen Tagen. Wenn etwas Außergewöhnliches geschehen sollte, würde er mich sogar sofort anrufen und ins Krankenhaus kommen lassen.
Sie benötigen den Flash Player.


Wie werden denn deine Herzdaten übertragen?

Die Daten werden über ein Home Monitoring Service Center an meinen Arzt aufbereitet gesendet. Er kann dann wie in einem Ampelsystem schnell erkennen, wenn es Unregelmäßigkeiten gab und, wenn nötig, die Behandlung ändern. Es ist egal, wo ich mich aufhalte, solange ich meinen CardioMessenger dabei habe. Ich bin damit sehr flexibel, kann uneingeschränkt reisen und mich jederzeit sicher fühlen.

Worauf musst du als Defi-Träger besonders achten? Gibt es Situationen, die du besser vermeiden solltest, um die Risiken zu minimieren?

Ausdauersportarten kann ich nicht treiben – aber daran habe ich auch kein großes Interesse. Autoscooter auf der Kirmes sollte ich aufgrund der elektrischen Wellen vermeiden. Und auf der Achterbahn im Freizeitpark fahre ich lieber nicht, weil mein Puls sonst zu weit steigen könnte. Aber das ist nichts, was mein tägliches Leben beeinträchtigt.

Was ist mit Reisen? Gibt es dabei Einschränkungen?

Bisher nicht wirklich. Meine Mutter achtet aber immer darauf, dass es auch ein Krankenhaus in der Nähe gibt, das auf Schrittmacher und Defis spezialisiert ist. Bis jetzt gab es allerdings weder Probleme noch Bedarf. Und wenn ich am Flughafen zu den Body-Scannern komme, zeige ich einfach meinen Defi-Ausweis vor, dann darf ich vorbeigehen und werde von Hand abgetastet.

Wie oft muss so ein Defi ausgetauscht werden?

Defis haben eine Laufzeit von etwa bis zu 10 Jahren. Das hängt davon ab, wie stark sie beansprucht werden. Die Batterielaufzeit meines Defis läuft in etwa drei Jahren aus, dann wird das Gerät ausgetauscht, die Elektroden sind aber schon vorhanden und können weiterhin verwendet werden.

Warum hast du dich dafür entschieden, die Kampagne „Körperstolz“ zu unterstützen?

Die Bilder und Videos der bisherigen Kampagne haben mich positiv gestimmt. Ich dachte: Wieso sollte ich nicht mitmachen? Ich kann dadurch jungen und älteren Menschen mit demselben Problem zeigen, dass sich an der Lebensqualität nichts ändern muss. Dass man ein Stück Metall in sich hat, heißt nicht, dass man nicht so leben kann wie jeder andere Mensch.
Sie benötigen den Flash Player.


Hast du deinen Freunden von deiner Teilnahme an der Kampagne erzählt oder werden einige überrascht sein, dich zu sehen?

Ich habe ihnen tatsächlich schon während der Vorbereitungen davon erzählt. Dass ich mitmache, fanden sie sehr gut. Denn sie fanden auch, dass ich so ein Vorbild für andere Menschen sein kann und zeigen kann, dass man auch mit einer Herzkrankheit ein normales Leben führen kann.

Die Kampagne heißt „Körperstolz“. Was macht dich stolz auf deinen Körper?

Die Tatsache, dass ich – nach all dem was ich erlebt habe – noch am Leben bin. Ich musste mich anfangs mit den Operationen abfinden, bin aber inzwischen ziemlich glücklich darüber, dass ich mich nun mit Hilfe des implantierten Defis so sicher fühlen kann.
Sie benötigen den Flash Player.


Hier geht es zum Plakatmotiv mit Nicolas Lewandrowski
  • Weitere Artikel zum Thema
  • BVMed zum DiGA-Report: „Stetiges Wachstum trotz systemischer Hürden“

    Der vom GKV-Spitzenverband vorgelegte aktuelle Bericht zur Inanspruchnahme von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) zeigt nach Ansicht des BVMed das große Potenzial zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung durch DiGA, aber auch die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung der DiGA-Regelungen. Die Einbindung der DiGA in Versorgungsstrukturen laufe aufgrund der gesetzlichen Regelungen weiterhin schleppend. So erschweren beispielsweise die Vorgaben im BfArM-Leitfaden den Herstellern neue Lösungen anzubieten. Mehr

  • BVMed bei der Anhörung zum Digital-Gesetz: „DiGA-Regelungen müssen innovationsfreundlicher werden“

    Der BVMed begrüßt zur Anhörung des Digital-Gesetzes (DigiG) im Gesundheitsausschuss des Bundestages „die klare gesetzliche Verankerung zahlreicher in der Digitalisierungsstrategie definierter Maßnahmen“. Dazu gehören die Einführung der Opt-Out-Möglichkeit zur elektronischen Patientenakte (ePA), Maßnahmen zur Verbesserung der Interoperabilität oder die Benennung von Telemonitoring als weitere Versorgungsmöglichkeit. „Die angedachten überkomplexen DiGA-Regelungen sollten allerdings innovationsfreundlicher ausgestaltet werden, um das Potenzial von digitalen Lösungen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung besser zu nutzen“, so BVMed-Digitalexpertin Natalie Gladkov. Mehr

  • Telemonitoring bei Herzinsuffizienz | BVMed und BNK schlagen Lösung für die Kostenerstattung der Übertragungsgeräte vor

    Der BVMed und der Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK) haben in einem gemeinsamen Schreiben an den Bewertungsausschuss die Aufnahme einer Sachkostenpauschale für die sachgerechte Vergütung der externen Übertragungsgeräte (Transmitter) für das Telemonitoring bei Herzinsuffizienz und der telemedizinischen Funktionsanalyse vorgeschlagen. Hintergrund: Da in fast 90 Prozent der Fälle die Krankenkassen die Transmitter nicht bezahlen würden, wird den betroffenen Patient:innen eine Therapieoption vorenthalten, die nachweislich die Mortalität senkt. Mehr


©1999 - 2024 BVMed e.V., Berlin – Portal für Medizintechnik