CE-Kennzeichnung

2011-04: Innovative Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten

Gastbeitrag für die Zeitschrift "Die Krankenversicherung", April 2011; von Joachim M. Schmitt, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied, Bundesverband Medizintechnologie e. V. (BVMed)


Medizinprodukte sind unentbehrlich für Gesundheit und bessere Lebensqualität. Innovative Medizintechnologien sind eine Investition in das Leben und die Leistungsfähigkeit der Menschen. Deswegen müssen solche Medizintechnologien allen Menschen, die sie benötigen, zeitnah zur Verfügung gestellt werden.
Der BVMed setzt sich daher für sachgerechte Rahmenbedingungen ein, die einen möglichst schnellen Marktzugang und eine ausreichend versicherungstechnische Vergütung für die Unternehmen ermöglichen.

Marktzugang
Für den Marktzugang sind die europäischen Richtlinien für Medizinprodukte verantwortlich, die in Deutschland im Medizinproduktegesetz (MPG) umgesetzt sind. Die Erfüllung der Grundlegenden Anforderungen sowie spezielle Konformitätsverfahren und deren Überprüfung durch akkreditierte Zertifizierungsstellen bedeuten, dass Medizinprodukte sicher und leistungsfähig sind.
Für jedes Medizinprodukt ist eine Risikoanalyse und -bewertung durchzuführen, d. h. das Produkt schadet bei zweckbestimmungsgemäßem Gebrauch nicht, ein evtl. verbleibendes Restrisiko ist vertretbar.
Des Weiteren ist für jedes Medizinprodukt eine klinische Bewertung durchzuführen, mit der die Leistungsfähigkeit dokumentiert wird, d. h. das Produkt erfüllt, was es laut Kennzeichnung verspricht (z. B. Dichtigkeit, Kompatibilität, Haftung, Druckfestigkeit). Das Produkt ist "funktionstauglich".
Die Regelungen im MPG haben sich bisher bewährt.

Vergütung in der GKV
Für die Einführung von innovativen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der GKV gibt es unterschiedliche Wege.
Im Krankenhausbereich gilt das Prinzip der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt, d.h. die Einführung und Finanzierung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden können ohne vorherige Anerkennung des GBA erfolgen.
Im ambulanten Bereich gilt das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, d.h. die Aufnahme in den Leistungskatalog erfolgt erst nach positiver Entscheidung durch den GBA.
Mit dem vorgesehenen Versorgungsgesetz sollen auch gesetzliche Neuregelungen bei innovativen Behandlungsmethoden geschaffen werden.

BVMed-Vorstellungen
Die Verbotsvorbehaltregelung des § 137 c SGB V sollte beibehalten und erweitert werden.
Da aufgrund der medizinischen Möglichkeiten der sektorenübergreifende Versorgungsansatz an Stellenwert gewinnt, ist es notwendig, die Versorgung mit innovativen Behandlungsmethoden im ambulanten Bereich auf weitere spezialiserte medizinische Institutionen und Fachärzte (Einrichtungen) auszudehnen, vorausgesetzt es können die gleichen personellen und strukturellen Voraussetzungen wie im Krankenhausbereich nachgewiesen werden.
Um den jetzt weiter erhöhten Anforderungen an die Sicherheit der Patienten gerecht zu werden, sollen Krankenhäuser und Einrichtungen dazu verpflichtet werden, bei der jeweiligen neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die vom INEK als NUB Status 1 eingestuft wird und die sie durchführen, eine Erklärung abzugeben, dass sie die entsprechenden personellen und strukturellen Voraussetzungen erfüllen. Die Erklärung kann von den Krankenkassen angefordert und bei begründeten Zweifeln durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen überprüft werden.
Bei einer positiven Bewertung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) mit dem Status 1 und dem Vorliegen der oben genannten Erklärung sind die Krankenkassen verpflichtet, die Entgelte mit den Krankenhäusern und Einrichtungen zu verhandeln. Eine Pauschalierung oder Verrechnung mit anderen Entgelten soll nicht mehr zulässig sein.
Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten mit NUB Status 1 betreffen üblicherweise ausschließlich solche mit erhöhtem Risiko (Klasse II b) und hohem Risiko (Klasse III) im Krankenhaus und anderen medizinischen Einrichtungen. Bei Verfahren mit niedrigem Gefährdungspotential, d. h. Medizinprodukte mit geringem Risiko (Klasse I, Hilfsmittel, Fieberthermometer etc.) und mittleren Risiko (Klasse 2, Urinableitsysteme, Kanülen etc.) sind nicht-klinische Daten ausreichend für den Nutzennachweis.

Bei Klasse III und II b ist zu differenzieren, ob die neue Methode ein Me-Too Produkt/Verfahren, eine Modifikation (Schrittinnovation) oder eine Neuentwicklung (Sprunginnovation) ist. Diese Unterscheidung bedarf einer besonderen Betrachtung, wie man den Nutzennachweis führen kann. Dies muss nicht unbedingt durch eine klinische Studie geschehen, die langwierig und teilweise unflexibel ist. Der Nutzen kann auch im Rahmen einer Begleitforschung, einer Fallserie, eines Registers oder anderen Verfahren nachgewiesen werden. Auch klinische Daten, die im Rahmen der CE-Kennzeichnung ermittelt worden sind, können mit berücksichtigt werden.
Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen dürfen nach einem Antrag eines Antragberechtigten im GBA, wie beispielsweise des GKV-Spitzenverbandes, aus der Versorgung nur dann ausgeschlossen werden, wenn im Rahmen einer zeitlichen Erprobung von mindestens einem Jahr unter strukturierten Bedingungen kein Nutzen festgestellt wurde. Der Nachweis des Nutzen kann erfolgen durch klinische Studien, Begleitforschung, Register oder andere Verfahren.

Die Maßnahme zum Nachweis des Nutzens und die Erprobungsdauer von NUB Status 1 Verfahren werden durch die Anwender (Krankenhäuser, Ärzte, medizinische Fachgesellschaften, Bundesärztekammer etc.) definiert. Die Expertise der betroffenen Hersteller ist mit einzubeziehen. Das Verfahren und die Ergebnisse sind transparent zu gestalten.
Die Finanzierung der zusätzlichen Aufgaben soll durch einen Innovationspool aus Steuermitteln erfolgen, da von der Verbesserung der Versorgungsqualität Patienten, Krankenkassen, private Krankenversicherungen, Krankenhäuser, medizinische Einrichtungen und Industrie gleichermaßen profitieren. Damit wird auch dem Ansatz der Bundesregierung zu einer Förderung der Versorgungsforschung sowie der steuerlichen Förderung von forschenden Unternehmen Rechnung tragen.
Denkbar wäre alternativ auch ein DRG-Innovationszuschlag, der den Innovationspool speist.

Der BVMed appelliert an alle gesundheitspolitischen Verantwortliche, nicht durch überzogene Auflagen und übermäßige Prüfungen die Einführung von neuen Behandlungsmethoden zu erschweren, sondern den Patienten einen zeitnahen Zugang zu innovativen Medizintechnologien zu ermöglichen.

Berlin, im April 2011
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