Cookie-Einstellungen

Zur fortlaufenden Verbesserung unserer Angebote nutzen wir den Webanalysedienst matomo.

Dazu werden Cookies auf Ihrem Endgerät gespeichert, was uns eine Analyse der Benutzung unserer Webseite durch Sie ermöglicht. Die so erhobenen Informationen werden pseudonymisiert, ausschließlich auf unserem Server gespeichert und nicht mit anderen von uns erhobenen Daten zusammengeführt - so kann eine direkte Personenbeziehbarkeit ausgeschlossen werden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit über einen Klick auf "Cookies" im Seitenfuß widerrufen.

Weitere Informationen dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

 - Digitalstrategie Digitale Medizin ist eine historische Chance Keine German Angst vor zu viel Ethik. Oder zu wenig Datenschutz. Oder zu viel Apple. - Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Stefan Heinemann

ArtikelEssen, 01.12.2019

© bvmed.de Das deutsche Gesundheitswesen hat die historische Chance, ethisch gebotene, beste Medizin für alle digital zu ermöglichen. Dazu sind mutige politische Visionen, gestaltend-verantwortliche unternehmerische Kraft, neugierige und freie Wissenschaft, innovativ aufgestellte Ärzte, Pflegende und Fachakteure und der volle Einsatz für smarte, souveräne Patienten - also uns alle - notwendig.

Die gesellschaftliche Diskussion der digitalen Revolution in Medizin und Gesundheitswesen hat dabei gerade erst begonnen. Daran vorbei kommt man allerdings kaum noch: KI, Digitalisierung, Big Data, Algorithmen heißen die Schlagworte, Facebook, Alphabet (Google), Tencent, Apple und Microsoft die Player von morgen. Disruptive Veränderungen der Wertschöpfung ante portas, wer als Leistungserbringer, Kasse usw. nicht mitgehen kann oder will, wird an den zunehmenden und veränderten Nutzenerwartungen der Kunden scheitern. Ohne digitale Transformation wird es eng für individuelle und institutionelle Akteure. Sprechen wir von der Automotive-Industrie? Oder dem Mediensektor? Nein, von der Gesundheitswirtschaft!

In der alten Geschichte der Medizin waren vor allem technologisch getriebene Veränderungen immer zentral. Aber am Ende bliebt es doch Evidenz, sehr viel ärztliche Erfahrung und ein asymmetrisches Arzt-Patienten-Verhältnis. Nun liegt der Fall zunehmend anders. Keine graduelle, sondern eine saltatorische Entwicklung hält mit der Digitalisierung von Medizin und Gesundheitswesen Einzug. Korrelation wird salonfähig, Präzision und Do-it-Your(quantified)self nehmen zu. Die Groundtruth der validen, kuratierten und mithin wissenschaftlich verantwortbar einsetzbarer Daten wächst nach und nach. Und absehbar ist, dass letztlich viele, wenn nicht gar die meisten Daten letztlich auch Gesundheitsrelevanz haben dürften - saubere Modelle und leistungsfähige Lösungssysteme vorausgesetzt.

© BVMed Prof. Dr. Stefan Heinemann während seiner Keynote auf dem BVMed-Homecare-Kongress im November 2019 Mit allen neuen Chancen für Patienten, Angehörige und Akteure im System wächst allerdings auch die Skepsis, die Sorge um den Gesundheitsdatenschutz, die Menschwürde, das ärztliche Berufsethos, ja um das solidarische Gesundheitssystem als Ganzes. Ethische Diskussionen sind dabei m.E. der Kern gesellschaftlicher Debatten rund um die digitale Medizin und Gesundheitswirtschaft. Welche Werte sind wünschenswert, vorrangig, welche Methoden, Anwendungen innovativer Technologien nicht nur legal, sondern legitim? Ethik wird dabei nicht selten als moralisierender "erhobener Zeigefinger" wahrgenommen - dass dies nicht so sein muss - den Ethik befähigt - und auch nicht so sein soll (denn es gibt auch eine Ethik der Ethik die vor Übertreibungen schützt) ist dabei eine wesentliche Einsicht.

Es ist für Technologieunternehmen, insbesondere auch für Akteure innerhalb der Gesundheitswirtschaft und der Versorgung an sich zentral, neben rechtlichen und ökonomischen Aspekten auch ethische Reflexion zu nutzen. Weder ein harter Markt mit Agenten, die vielleicht keinen Sinn für solche Reflexionen haben aber einen starken Nutzen bieten, noch eine hysterische Durchregulierung scheint wünschenswert zu sein. Eine gelingendere Alternative sind legitime und erfolgreiche Innovationen und Geschäftsmodelle. Und genau dazu befähigt Ethik.

Es mag einigermaßen naiv sein, in einem opaken deutschen Gesundheitswesen ethische Werte wie Solidarität als gerade durch die digitale Transformation angetrieben als überlebensfähige Prinzipen auszuzeichnen. Der digitale Bock wird zum analogen Gärtner? Aber genau darauf kommt es am Ende an - KI für mehr Menschlichkeit, mehr Patientenwirkung, bessere Jobs und effizientere Strukturen. Ineffizienz ist kein Garant für Gerechtigkeit. Ungerechtigkeit bedeutet nicht notwendig wirtschaftlichen Erfolg. Erfolgreich gegen Apple & Co. lässt sich mithin m.E. nur antreten, indem legitime und nutzenstiftende Gesundheitsanwendungen, Mehrwerte, digitale Innovationen etc. aufgeboten werden. Ein Teil dieses Erfolges wird eben in ethisch verantwortbaren Geschäftsmodellen und Leistungen liegen. Und in klugen Regulierungen, die fairen Wettbewerb ermöglichen und aus ethischen wie ökonomischen Gründen Trittbrettfahrern das Leben so schwer machen wie es geht - was in der global-digitalen Welt zunächst wirkungsendlich ist.

Literatur

  • Beauchamp, T. L. und Childress, J. F. (2001): Principles of biomedical ethics, New York.
  • Brukamp, K., Laryionava, K., Schweikardt, C. (Hrsg.) (2011): Technisierte Medizin - Dehumanisierte Medizin? Ethische, rechtliche und soziale Aspekte neuer Medizintechnologien, Kassel.
  • Friele, M., Schmitz-Luhn, B., Woopen, C. (2018): Medizin 4.0 – Ethik im digitalen Gesundheitswesen - Ethik Med (2018) 30: 87. DOI: 10.1007/s00481-018-0480-1
  • Goodman, K. W. (2015): Ethics, Medicine, and Information Technology - Intelligent Machines and the Transformation of Health Care, Cambridge.
  • Heckmann, D. (2019): Datenverwertung und Datenethik. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) - Datenökonomie 69. Jahrgang, 24–26/2019, 11. Juni 2019. S. 22-27.
  • Heinemann, S. und Miggelbrink, R. (2011): Medizinethik für Ärzte und Manager. In: Thielscher, C. (Hrsg.): Medizinökonomie, Berlin. S. 107-143.
  • Heinemann, S. (2018a): Future medicine, today's healthcare - Is the “Smart Hospital” a chance for change?. In: HealthManagement.org, Volume 18, Issue 1. S. 68-70.
  • Heinemann, S. (2018b): Smart hospital ethics - Starting the dialogue. In: HealthManagement.org, Volume 18, Issue 3. S. 174-177.
  • Heinemann, S. (2018c): Data Power to the Patients! Patient-driven Data Business, not data-driven Patient-Business Stefan Heinemann CEJ 2018, Volume 4, Number 2. S. 51-61.
  • Heinemann, S. (2019a): KI, die begeistert? Ethische Reflexionen auf ein unerhört faszinierendes Phänomen. In: mdi, Heft 2, Juni 2019, Jahrgang 21. S. 49-51.
  • Heinemann, S. (2019b): Nur noch KI kann uns heilen!(?) - Künstliche Intelligenz in der Medizin als Deus ex machina, Grands recits nouveaux oder Supertool?, in: Der Urologe 58(9): 1007-1015, DOI: 10.1007/s00120-019-1011-5
  • Heinemann, Stefan (2020): Ethik als Treiber innovativer und erfolgreicher Modelle in digitaler Medizin und Gesundheitswirtschaft?, in: Puls, Matthias/Matusiewicz, David (Hrsg.): Digitale Geschäftsmodelle im Gesundheitswesen - Persönlichkeiten. Zukunftsperspektiven. Mit Geleitworten von Jörg Debatin und Gottfried Ludewig, Berlin, S. 40-45 (dort sind Teile des hier veröffentlichten Blog-Beitrages ebenfalls eingegangen)
  • Heinemann, S. und Matusiewicz, D. (Hrsg.) (2020): Digitalisierung und Ethik in Medizin und Gesundheitswesen, Berlin (im Erscheinen).
  • Kehl, C. (2018): Wege zu verantwortungsvoller Forschung und Entwicklung im Bereich der Pflegerobotik: Die ambivalente Rolle der Ethik. In: Bendel, O. (Hrsg.): Pflegeroboter, Wiesbaden.
  • Werner, J. A. und Heinemann, S. (2020): Zur Menschlichkeit als Kern des Smart Hospital (im Erscheinen). In: Heinemann, S. und Matusiewicz, D. (Hrsg.) (2020): Digitalisierung und Ethik in Medizin und Gesundheitswesen, Berlin.
  • Wiegerling, K. und Heil, R. (2019): Gesellschaftliche und ethische Folgen der digitalen Transformation des Gesundheitswesens. In: Haring, R. (Hrsg.): Gesundheit digital. Perspektiven zur Digitalisierung im Gesundheitswesen, Berlin. S. 213-227, DOI: 10.1007/978-3-662-57611-3_12
Prof. Dr. Stefan Heinemann ist Professor für Wirtschaftsethik an der FOM Hochschule und fokussiert die ökonomische und ethische Perspektive auf die digitale Medizin und Gesundheitswirtschaft. Er ist Leiter der Forschungsgruppe „Ethik der digitalen Gesundheitswirtschaft & Medizin“ am ifgs Institut für Gesundheit & Soziales der FOM Hochschule, Sprecher der Ethik-Ellipse Smart Hospital der Universitätsmedizin Essen sowie Fachbeirat in diversen Forschungs- und Bildungsinstitutionen. Prof. Dr. Heinemann ist zudem u. a. Mitglied im Vorstand der Kölner Wissenschaftsrunde, Vorstandsvorsitzender der „Wissenschaftsstadt Essen“ und Mitglied im Kuratorium von sneep e. V., einem studentischen Netzwerk für Wirtschafts- und Unternehmensethik. Zudem ist der Philosoph und Theologe Mitglied im wissenschaftlichen Beirat „Digitale Transformation“ der AOK Nordost, Mitglied im Beirat des Institutes für PatientenErleben der Universitätsmedizin Essen, Mitglied im Sozial- und Gesundheitspolitischen Beirat der BARMER Landesvertretung Nordrhein-Westfalen sowie Mitglied des Innovationskreises Blutspendewesen des DRK-Blutspendedienstes West.

Ihr Kontakt zu uns

Service

News abonnieren

Sie möchten auf dem Laufenden bleiben?
Abonnieren Sie unsere kostenlosen Newsletter, E-Mail-Alerts zu unseren Themen oder Pressemeldungen.

Jetzt abonnieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Datennutzung
    Eine Hürde weniger für ePA und Forschung: Digitalgesetze im Bundesgesetzblatt erschienen

    Das Digitalisierungsgesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz sind im Bundesgesetzblatt veröffentlich und damit am 25. März 2024 in Kraft getreten, berichtet Ärzte Zeitung Online. Der SPD-Digitalisierungspolitiker Matthias Mieves findet: Die elektronische Patientenakte funktioniert nur gut befüllt. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens und die erleichterte Nutzung von Gesundheitsdaten...

    Artikel26.03.2024

    Mehr lesen
  • Datennutzung
    MdB Mieves beim BVMed: „Mit dem Registergesetz einen neuen Datenschatz heben“

    Das Feedback auf das Digitalgesetz (DigiG) sowie das Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz (GDNG) bezeichnete der SPD-Abgeordnete als positiv. Auch die Einführung des eRezepts habe „im Großen und Ganzen gut funktioniert, auch wenn es an mancher Stelle noch etwas ruckelt“. Damit bleibe der Gesetzgeber aber nicht stehen. Mieves kündigte für dieses Jahr noch das Gesetz zur Digitalagentur sowie das...

    Pressemeldung14.03.2024

    Mehr lesen
  • Elektronische Patientenakte (ePA)
    BVMed-Whitepaper Hilfsmittelversorgung fordert Anspruch auf Therapieberatung und -management

    „Der steigende Bedarf an ambulanter Versorgung bedarf einer gezielten, therapiebezogenen Beratung und Behandlung der Betroffenen sowie flexibel agierende Versorgungsstrukturen und -netzwerken. Dabei ist die Einbeziehung aller qualifizierten Fachkräfte, die dem ambulanten Markt zur Verfügung stehen, sowie der Abbau verzichtbarer bürokratischer Hürden essenziell“, so BVMed-Geschäftsführer...

    Pressemeldung11.03.2024

    Mehr lesen

Kommende Veranstaltungen

  • Exklusiv-Workshop
    Homecare im Aufbruch

    Zwischen strukturellen Veränderungen und wirtschaftlichen Herausforderungen | Rollen, Organisation und Vertrieb neu denken Homecare-Unternehmen sind aus der ambulanten Versorgung nicht mehr weg zu denken. Politische, strukturelle, technische und demografische Veränderungen, vor allem aber eine Evolution der Rollen aller Versorgungsbeteiligten und der Sektoren wirken auf diese Unternehmen ein....

    Workshopon-site
    Berlin, 11.06.2024 09:00 - 16:30 Uhr
    organizer: BVMed-Akademie
    Schwerpunkt: Homecare

    Zur Veranstaltung: Homecare-Unternehmen im Aufbruch
  • Webinar
    Artificial Intelligence Act | MDR trifft KI!

    Schon heute fließen KI-Elemente (Künstliche Intelligenz) in Medizinprodukte ein. Die Entwicklung medizinischer Software unterliegt dabei den strengen Vorgaben der Medical Device Regulation (MDR). In Zukunft wird bei der Entwicklung und Zertifizierung von KI-Medizinprodukten auch der Artificial Intelligence Act (AIA) als neue horizontale Regulierung von KI in der EU eine wichtige Rolle spielen.

    Seminardigital
    17.06.2024 14:00 - 15:30 Uhr
    organizer: BVMed-Akademie
    Schwerpunkt: Digitalisierung

    Zur Veranstaltung: Artificial Intelligence Act | AIA
  • Praxisseminar
    Hilfsmittelverträge schließen und umsetzen

    Der Gesetzgeber hat im Jahr 2019 die Konsequenzen aus den vergangenen Entwicklungen im Hilfsmittelbereich gezogen – und die Ausschreibungsoption aufgehoben. Seither stehen Kostenträgern und Hilfsmittelleistungserbringern für den Vertragsschluss die Instrumente des Verhandlungs- oder Beitrittsvertrags zur Verfügung. Im Sommer/Herbst 2023 haben zahlreiche Kostenträger die Wiedereinführung...

    Seminaron-site
    Berlin, 17.09.2024 09:30 - 16:30 Uhr
    organizer: BVMed-Akademie
    Schwerpunkt: Homecare

    Zur Veranstaltung: Hilfsmittelverträge schließen und richtig umsetzen

Ihre Vorteile als BVMed-Mitglied

  • Organisation

    In über 80 Gremien mit anderen BVMed-Mitgliedern und Expert:innen in Dialog treten und die Rahmenbedingungen für die Branche mitgestalten.

  • Information

    Vom breiten Serviceangebot unter anderem bestehend aus Veranstaltungen, Mustervorlagen, Newslettern und persönlichen Gesprächen profitieren.

  • Vertretung

    Eine stärkere Stimme für die Interessen der Branche gegenüber politischen Repräsentant:innen und weiteren gesundheitspolitischen Akteur:innen erhalten.

  • Netzwerk

    An Austauschformaten mit anderen an der Versorgung beteiligten Akteur:innen, darunter Krankenkassen, Ärzteschaft oder Pflege teilnehmen.

Die Akademie

Von Compliance über Nachhaltigkeit bis hin zu Kommunikation. Unsere Akademie bietet der MedTech-Community eine Vielfalt an Veranstaltungen zur Fort- und Weiterbildung an. Entdecken Sie unsere Seminare, Workshops und Kongresse.

Zu den Veranstaltungen