Blase/Enddarm

Sakrale Neuromodulation bei chronischen Störungen von Blase oder Enddarm

Mehr als sechs Millionen Menschen leiden in Deutschland an einer überaktiven Blase, mehr als eine Million an Darmschwäche. Wenn herkömmliche Therapiemaßnahmen nicht ausreichend angesprochen haben, ist die sakrale Neuromodulation eine Behandlungsoption, um die sogenannten Sakralnerven, welche die Funktion von Blase und Enddarm steuern, durch sanfte elektrische Impulse wieder in die richtige Balance zu bringen.

Was versteht man unter sakraler Neuromodulation?

Bei der sakralen Neuromodulation werden die sogenannten Sakralnerven, welche die Funktion von Blase und Enddarm steuern, durch sanfte elektrische Impulse wieder in die richtige Balance gebracht. Die Methode wird wissenschaftlich auch als sakrale Neuromodulation oder Sakralnervenstimulation bezeichnet. Durch Modulation dieser Nerven können sowohl eine Überaktivität als auch eine Unteraktivität von Blase oder Darm behandelt werden.

Technisch gesehen funktioniert diese Therapie ähnlich wie ein Herzschrittmacher. Sie beruht also auf einer Technologie, die seit Jahrzehnten bewährt ist. Manchmal spricht man auch von einem Blasen- oder Darmschrittmacher.

Welche Beschwerden lassen sich mit der Therapie behandeln?

Die Reizblase (Dranginkontinenz, überaktive Blase):
Die betroffenen Patienten leiden unter einem sehr starken Harndrang und müssen mitunter sehr häufig wasserlassen, zum Teil öfter als 20 Mal pro Tag.

Die Darmschwäche oder anale Schließmuskelschwäche:
Diese Patienten sind einem besonderen Leidensdruck ausgesetzt, da sie den Stuhlgang nicht ausreichend kontrollieren oder hinausschieben können. Alternativ spricht man auch von einer Stuhlinkontinenz.

Wenn entsprechende Nervenbahnen reaktiviert und moduliert werden, lassen sich auch die schlaffe Blase oder die chronische, funktionelle Verstopfung behandeln. Patienten mit schlaffer Blase haben hohe Restharnmengen und müssen sich typischerweise mehrmals am Tag einem sterilen Selbstkatheterismus unterziehen.

Nicht selten liegt auch eine doppelte Beeinträchtigung von Blase und Enddarm vor – zum Beispiel – bei Patienten mit neurologischen Störungen wie Multipler Sklerose oder nach Wirbelsäulenoperationen. Dann können mit ein und derselben Methode beide Erkrankungen behandelt werden.

Vorteile für die Patienten

Obwohl alle genannten Störungen in keinem Falle lebensbedrohlich sind, können sie dennoch die Lebensqualität der Patienten massiv beeinträchtigen. Dies gilt insbesondere für die Darmschwäche und schwere
Formen der überaktiven Blase.

Aus Angst vor einem Malheur trauen sich viele Patienten kaum noch aus dem Haus. Alle Aktivitäten werden nach dem Vorhandensein einer Toilette ausgerichtet. Nicht selten ziehen sich die betroffenen Patienten ganz aus dem gesellschaftlichen Leben zurück.

Wenn herkömmliche Therapiemaßnahmen nicht ausreichend angesprochen haben, kann mit der Neuromodulation die verloren geglaubte Lebensqualität der betroffenen Patienten häufig wiederhergestellt werden. Dieses einfache operative Verfahren ist wenig belastend (minimal invasiv) und reversibel, d.h. es lässt sich ohne weiteres wieder rückgängig machen.

Welche Patienten sind für die Therapie geeignet?

Der besondere Vorteil dieser Methode besteht darin, dass über eine Teststimulation ausprobiert werden kann, ob und wie gut die Patienten auf die Therapie ansprechen. Dazu wird zunächst nur eine Testelektrode eingesetzt, die für zwei bis vier Wochen mit einem externen Stimulator verbunden wird. Die Testphase wird überwiegend in häuslicher Umgebung durchgeführt, die Implantation der Testelektrode muss allerdings im Rahmen eines kurzen stationären Krankenhausaufenthaltes vorgenommen werden. Ob die Therapie überhaupt in Frage kommt, sollte mit dem Arzt besprochen werden.

Wie sind die Erfolgschancen?

Die sakrale Neuromodulation wird seit mehr als 20 Jahren in Europa zur Behandlung von Funktionsstörungen von Blase oder Enddarm eingesetzt. Inzwischen wurden weltweit mehr als 150.000 Patienten mit dieser Methode behandelt. Aus klinischer Erfahrung weiß man, dass je nach Indikation 70 bis 80 Prozent der mit einem Schrittmacher implantierten Patienten auch dauerhaft von der Therapie profitieren.

Was wird bei der Therapie gemacht?

Bei der sakralen Neuromodulation wird eine Elektrode unter Röntgenkontrolle im Bereich des unteren Rückens (Kreuzbein) an den Sakralnerven implantiert. Diese Sakralnerven gehören zum peripheren Nervensystem und haben demnach mit dem Rückenmark nichts zu tun. Ein Beckenbodenschrittmacher gibt über die Elektrode sanfte, elektrische Impulse an die Sakralnerven ab, welche die Funktion von Blase und Enddarm kontrollieren.

Der gesamte operative Eingriff dauert oft nur ca. 45 bis 60 Minuten und kann im Rahmen eines kurzstationären Krankenhausaufenthaltes durchgeführt werden. Der Schrittmacher wird meist ins Fettgewebe des oberen Gesäßbereiches verlegt, so dass die Implantate im Allgemeinen äußerlich nicht bemerkt werden können.

Mit Hilfe eines speziellen Programmiergerätes kann der Arzt von außen jederzeit die Einstellungen des Schrittmachers auf die individuellen Bedürfnisse hin optimieren. Die Patienten erhalten eine Fernbedienung, über die sie den Schrittmacher jederzeit aus– und einschalten können sowie die Stärke der Impulse anpassen können.

Die sanften, elektrischen Impulse werden anfangs nur als leichtes Kribbeln wahrgenommen, das aber meist nach sehr kurzer Zeit verschwindet.

Die Batterie des Schrittmachers hat eine durchschnittliche Lebensdauer von bis zu sechs Jahren. Die Lebensdauer der Batterie hängt jedoch stark von den Stimulationsparametern und dem eingesetzten Schrittmachertyp ab. Ist die Batterie des Schrittmachers erschöpft, so muss der Schrittmacher in einem kleinen Eingriff ausgetauscht werden.

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