Neurostimulation

Tiefe Hirnstimulation bei schwerer Zwangsstörung hilfreich

Deutsches Ärzteblatt Online vom 4. Oktober 2022

Die tiefe Hirnstimulation kann die Symptome einer schweren Zwangsstörung deutlich reduzieren. Das berichtet eine Arbeitsgruppe um Sameer Sheth vom Baylor College of Medicine, Houston, nach einer Me­ta­analyse der verfügbaren Evidenz im Journal of Neurology Neurosurgery & Psychiatry (2022; DOI: 10.1136/jnnp-2021-328738). Das berichtet das Deutsche Ärzteblatt Online.

Eine Zwangsstörung wird häufig von schweren Depressionen oder Angstzuständen begleitet. „Medikamente und kognitive Verhaltenstherapie können sehr wirksam sein, aber in etwa einem von zehn Fällen schlagen diese Ansätze nicht an“, berichteten die Forscher.

Die tiefe Hirnstimu­lation, bei der Elektroden in bestimmte Hirnregionen implantiert werden, um abnormale elektrische Impulse zu regulieren, sei eine weitere Behand­lungsoption, betonten sie.

Die Arbeitsgruppe hat die Ergebnisse von 34 klinischen Studien, die zwischen 2005 und 2021 veröffentlicht wurden, systematisch ausgewertet und zusammengefasst. Sie wollten damit erfassen, wie gut die tiefe Hirn­stimulation Zwangsstörungen und damit verbundene depressive Symptome bei Erwachsenen lindert.

An den 34 Studien nahmen 352 Erwachsene mit einem Durchschnittsalter von 40 Jahren teil. Sie litten an einer schweren bis extremen Zwangsstörung, deren Symptome sich trotz Behandlung nicht verbessert hatten.

Im Durchschnitt hielten die Symptome 24 Jahre lang an. In 23 Studien wurde über zusätzliche psychische Probleme berichtet, darunter schwere Depressionen, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen. Der durchschnittliche Überwachungszeitraum nach der tiefen Hirnstimulation betrug 2 Jahre.

Die abschließende Datenanalyse, die 31 Studien mit 345 Teilnehmern umfasste, ergab, dass die tiefe Hirnsti­mulation die Symptome um 47 Prozent reduzierte, und bei 2/3 der Teilnehmer trat innerhalb des Beobach­tungszeitraums eine wesentliche Verbesserung ein.

Die Sekundäranalyse ergab eine Verringerung der berichteten depressiven Symptome, die bei fast der Hälfte der Teilnehmer vollständig und bei weiteren 16 % teilweise abklang.

Etwa 24 der Studien lieferten vollständige Daten über schwerwiegende Nebenwirkungen, darunter hardware­bedingte Komplikationen, Infektionen, Krampfanfälle, Selbstmordversuche, Schlaganfälle und die Entwicklung neuer Zwangsvorstellungen im Zusammenhang mit der Stimulation.

Insgesamt trat bei 78 Teilnehmern mindestens eine schwere Nebenwirkung auf. Die Ergebnisse veranlassen die Forscher zu der Schlussfolgerung, dass es „eine starke Evidenzbasis“ für die Verwendung der tiefen Hirn­stimulation zur Behandlung von schweren anhaltenden Zwangs­störungen und damit verbundenen Depressi­onen gibt.

„Aber eine erfolgreiche Anwendung erfordert eine enge therapeutische Allianz zwischen Patienten sowie neurochirurgischen und psychiatrischen Expertenteams in Zentren, die auf die Implantation und Programmie­rung des Geräts spezialisiert sind“, betonten sie.

Quelle: Deutsches Ärzteblatt Online vom 4. Oktober 2022

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