Schlaganfall-Therapie

Neuer Standard bei schwerem Schlaganfall: Thrombektomie senkt Risiko für Behinderungen

Mechanische Gerinnselentfernung verbessert Chancen auf Leben ohne Behinderung

Von den jährlich etwa 260.000 Patienten in Deutschland, die einen Schlaganfall erleiden, bleibt etwa jeder dritte dauerhaft durch Lähmungen oder Sprachprobleme behindert. Mitte April 2015 wurden auf dem europäischen Schlaganfall-Kongress in Glasgow neue Studien zur Entfernung von Blutgerinnseln mit Hilfe von Stent-Retrievern vorgestellt. Die Experten sind sich einig, dass dies bei großen Thromben die neue Standardtherapie ist. Von der mechanischen Entfernung großer Blutgerinnsel könnten in Deutschland jährlich etwa 10 000 Menschen mit einem schweren Schlaganfall profitieren, denen man allein mit der medikamentösen Therapie nicht ausreichend helfen könnte.

Wenn große Blutgefäße im Gehirn durch Gerinnsel blockiert sind, kann man sie häufig nicht mit Medikamenten auflösen. Die sogenannte Thrombolyse kommt hier an ihre Grenzen. Professor Dr. med. Matthias Endres, Direktor der Klinik für Neurologie an der Berliner Charité und 2. Vorsitzender der DSG: „Die aktuellen Studien zeigen, dass in diesen Fällen der Eingriff mit einem Stent-Retriever die richtige Therapie ist. Bei allen Studien wurden solche modernen Mikrokatheter verwendet. Die Auswahl der Patienten wurde verbessert und die Behandlungszeit verkürzt.“ Denn auch bei der sogenannten Katheterintervention sei der Faktor Zeit von Bedeutung, so der Berliner Schlaganfallexperte.

Die Aussicht für Patienten, einen Schlaganfall ohne bleibende Schäden zu überstehen, ist mit der interventionellen Therapie mit Stent-Retriever sehr gut. Dies zeigten bereits Anfang des Jahres die Ergebnisse von drei Studien, die auf der International Stroke Conference in Nashville, USA, vorgestellt wurden. In allen drei Studien (EXTEND-IA, ESCAPE und SWIFT-PRIME) erhielten die Patienten die medikamentöse Standardtherapie, eine Thrombolyse. Bei der Hälfte der Patienten kam zusätzlich der Stent-Retriever zum Einsatz. „In allen drei Studien wurden große Erfolge erzielt“, fasst Professor Endres zusammen. „Die Chance der Patienten auf ein günstiges Behandlungsergebnis wurde um 20 bis 30 Prozent gesteigert.“ Das sei ein spektakuläres Ergebnis, so der Experte.

Auf der europäischen Schlaganfall-Konferenz Mitte April 2015 in Glasgow wurden zwei weitere Studien vorgestellt, die auch im New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlicht wurden - REVASCAT und THERAPY. Professor Dr. med. Bernd Eckert, Leiter der Neuroradiologischen Abteilung an der Asklepios Klinik Altona: „Diese Studien bestätigen die Ergebnisse von EXTEND-IA, ESCAPE und MR CLEAN und bringen nun die endgültige Gewissheit, dass die Methode effektiv ist. Es ist ein Wendepunkt für die Therapie bei schweren Schlaganfällen.“ Komplikationen gab es im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie nur sehr wenige. Die Methode ist sicher und gut verträglich, betonen beide Experten.

Aufgrund der überzeugenden Datenlage ist die Therapie mit Stent-Retrievern bereits in die neuen europäischen Leitlinien zur Schlaganfalltherapie eingegangen. „Die Behandlung erfordert viel Erfahrung, gehört in die Hand eines Neuroradiologen und kann nur in spezialisierten Zentren mit Stroke Unit und Neuroradiologie durchgeführt werden“, gibt Professor Eckert zu bedenken.

Für welche Patienten die Therapie infrage kommt, entscheidet sich in der Stroke Unit anhand einer CT-Angiographie, einer Methode zur Darstellung der Gefäße, die sofort nach Eintreffen des Patienten in jeder Klink mit Stroke Unit erfolgen kann. Neben dem direkten Nachweis des Verschlusses eines großen Hirngefäßes mittels der CT-Angiographie ist auch eine schwere Ausfallsymptomatik mit Sprachverlust oder schweren Lähmungen ein Hinweis darauf, dass die neue Behandlung für den Patienten infrage kommen könnte, merkt Professor Endres an.

Nach Ansicht der DSG-Experten ist es nun wichtig, die bestehenden Versorgungsstrukturen der akuten Schlaganfallbehandlung zu verbessern, um möglichst vielen Patienten, für die die mechanische Rekanalisation infrage kommt, die Behandlung zu ermöglichen.

Quelle: Pressemeldung der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) vom 4. Mai 2015

©1999 - 2024 BVMed e.V., Berlin – Portal für Medizintechnik