Gelenkersatz

Erfolgsstory: Hüft- und Knieprothesen halten länger als gedacht - Doch aktivere und schwerere Patienten belasten Implantate mehr als früher

Künstliche Hüft- und Kniegelenke leisten sehr viel länger ihren Dienst als man bislang dachte: acht von zehn Knieprothesen und sechs von zehn Hüftprothesen haben heute eine Haltbarkeit von mindestens 25 Jahren. Diese Daten veröffentlichten britische Forscher der Universität Bristol in der Fachzeitschrift Lancet (2019; 393: 647-654, 655-663). Die Zahlen dokumentierten den herausragenden Erfolg der orthopädischen Chirurgie, so die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. Zudem sind in den vergangenen Jahren sowohl die Implantatmaterialien, die Implantatdesigns als auch die OP-Techniken permanent weiter verbessert worden. Dennoch könne man nicht davon ausgehen, dass dadurch auch die Standzeit der jetzt implantierten Prothesen automatisch weiter verlängert werde, sagt die AE. Ein Grund: Die Patienten seien heute deutlich aktiver als früher und beanspruchten die Kunstgelenke dadurch stärker. Zudem sind viele Prothesenträger schwerer – ein weiterer Risikofaktor für eine Implantatlockerung.

Zur Analyse der Standzeit von künstlichen Hüft- und Kniegelenken haben die Forscher Daten aus Patientenregistern aus Australien, Finnland, Dänemark, Neuseeland, Norwegen und Schweden mit mindestens 15 Jahren Nachbeobachtung ausgewertet. Insgesamt lagen damit Studiendaten von über 500 000 Patienten zugrunde. Bei den Hüftprothesen waren nach 15 Jahren 89 % der Implantate, nach 20 Jahren 70 % und nach 25 Jahren 58 % der implantierten Prothesen intakt. Die Ergebnisse bei den künstlichen Kniegelenken waren noch besser: Nach 15 Jahren waren noch 93 % der Knietotalendoprothesen implantiert, nach 20 Jahren noch 90 % und nach 25 Jahren 82 %. Die Lebensdauer von Knieteilendoprothesen betrug nach 15 Jahren noch 77 %, nach 20 Jahren 72 % und nach 25 Jahren noch 70 %.

Deutsche Zahlen sind in die Studien nicht eingeflossen. „Bislang gibt es hierzulande kein Datenmaterial, das einen solch langen Zeitraum abdeckt“, sagt Professor Dr. med. Karl-Dieter Heller, Vize-Präsident der AE. Auch wenn man deshalb die Ergebnisse sicherlich nicht 1:1 auf Deutschland übertragen könne, und die Haltbarkeit nicht das einzige Kriterium für Patientenzufriedenheit sei, zeigten die Studien doch klar: „Die Endoprothetik ist eine der erfolgreichsten Operationen überhaupt. Sie gibt den Patienten Mobilität und Lebensqualität für viele Lebensjahre zurück.“

Seit dem Beobachtungsbeginn vor 25 Jahren habe sich viel getan: „Aus heutiger Sicht sind die damals eingebauten Prothesen, insbesondere im Bereich der Knieendoprothetik, deutlich verbessert worden“, so Heller. Eine weitere Verbesserung der Prothesenstandzeit sei hier kaum noch denkbar. Es zeige aber auch, dass schon damals gute Standards gesetzt wurden. „Mittlerweile haben wir die Materialien an Hüfte und Knie weiterentwickelt – etwa ein deutlich abriebfesteres Polyethylen, bessere Keramiken und optimierte Prothesen wie die biomechanisch an den Oberschenkelknochen angepasste Kurzschaftprothese. Dies gilt auch für die OP-Techniken, beispielsweise zur idealen Ausrichtung der Implantate im Knochen.

Demgegenüber stehen gestiegene Ansprüche der Patienten an ein Leben mit Endoprothese. „Heute möchten viele wie vor der Arthrose Sport treiben – und tun dies auch“, stellt Professor Heller, der Chefarzt der Orthopädischen Klinik am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig ist, fest. Dies gelte nicht nur für die jüngeren Patienten: „Die heute 70-Jährigen sind die 50-Jährigen von früher“, spitzt er zu. Tatsächlich erlauben etwa moderne Materialpaarungen bei den Kunstgelenken einen aktiveren Lebenswandel als früher. Der Grund: sie erzeugen bei Belastung deutlich weniger Abriebpartikel – bisher eine der Hauptursachen für eine Lockerung des Implantats. Mit Belastung sei jedoch täglicher moderater Sport gemeint, etwa Nordic Walking oder Schwimmen. „Für größere Beanspruchungen fehlen Daten. So können wir langes Joggen, oder gar einen Marathon heute nicht empfehlen“, betont auch Professor Dr. Rudolf Ascherl, Präsident der AE aus Tirschenreuth.

„Aufgrund der gestiegenen Ansprüche wird es schwer, die Haltbarkeit von Endoprothesen noch weiter zu verbessern“, fasst Heller zusammen. „Ich gehe jedoch davon aus, dass wir durch die umfassenden Weiterentwicklungen bei Material, Design und OP-Technik die Patientenzufriedenheit, etwa hinsichtlich einer bestmöglichen Funktion, noch weiter ausbauen können“, so der AE-Vize-Präsident.

Patienten sollten bei der Auswahl der Klinik darauf achten, dass Operationsstandards eingehalten werden uns ausreichend Expertise vorhanden sei. Dies sei zum Beispiel in den etwa 550 Kliniken mit einem EndoCert-Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) gegeben.

Quelle: AE-Pressemeldung März 2019

Die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. verfolgt als unabhängiger Verein seit 1996 das Ziel, die Lebensqualität von Patienten mit Gelenkerkrankungen und -verletzungen nachhaltig zu verbessern und deren Mobilität wiederherzustellen. Mit ihren Expertenteams ausführenden Orthopäden und Unfallchirurgen organisiert sie die Fortbildung von Ärzten und OP-Personal, entwickelt Patienteninformation und fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs. Die AE ist eine Sektion der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie.
  • Weitere Artikel zum Thema
  • EPRD veröffentlicht Jahresbericht 2023: Der Anteil der Implantatlockerungen ist zurückgegangen

    Das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) hat seinen Jahresbericht 2023 veröffentlicht. Erstmals überschritten die Zahlen der ans EPRD gemeldeten Hüft- und Knieendoprothesen-OPs mit 347.702 Dokumentationen das Niveau der Vorpandemiezeit. Dies bedeutet einen Anstieg um knapp neun Prozent gegenüber dem Höchstwert aus 2019. Insgesamt wurden 177.826 Hüfterstimplantationen und 137.030 Erstimplantationen am Kniegelenk 2022 dokumentiert. Mehr

  • MedTech-Forschende im Porträt | „Innovationsfähigkeit des Mittelstands stärken“

    Der Forschungsstandort Deutschland zeichnet sich durch eine gut vernetzte Community medizinischer und wissenschaftlicher Fachkräfte und innovativer mittelständischer Unternehmen aus. Im Gespräch mit den Forschern PD Dr. habil. Frank Seehaus und Dr.-Ing. Ulrike Deisinger vom BVMed-Mitgliedsunternehmen Peter Brehm wird gleichzeitig deutlich: die EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) und der damit verbundene bürokratische Mehraufwand „lässt innovative Produktneuentwicklungen und Forschung national auf der Strecke bleiben und in andere Länder, wie zum Beispiel die USA, abwandern“, so Seehaus. Deshalb sei es wichtig, die nationale Forschungsförderung in Deutschland zu stärken. Mehr

  • Weltweit drittgrößtes Endoprothesenregister Deutschland zieht erfolgreiche 10-Jahres-Bilanz

    Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) warnt davor, beim Aufbau des Implantateregisters Deutschland auf das Know-how und den Datenschatz des EPRD zu verzichten. Planungen des Bundesgesundheitsministeriums zufolge soll ein neues Implantateregister mit eigener Behörde geschaffen werden. Das EPRD ist vor zehn Jahren in seinen Probebetrieb gestartet. Auf Initiative der DGOOC gemeinsam mit Kliniken, dem AOK-Bundesverband und dem Verband der Ersatzkassen (vdek) sowie dem BVMed ist innerhalb kürzester Zeit Europas zweitgrößtes medizinisches Register für Hüft- und Knieendoprothetik entstanden. Mehr


©1999 - 2024 BVMed e.V., Berlin – Portal für Medizintechnik