Klassifzierung
Medizinprodukte-Klassifizierung
08.12.2015|
Die Klasse eines Medizinprodukts orientiert sich rechtlich an der "Verletzbarkeit des menschlichen Körpers" durch das jeweilige Produkt. Diese wiederum definiert sich über die Zweckbestimmung des Herstellers hinsichtlich des Anwendungsorts und der Anwendungsdauer seines Produkts. Die Medizinprodukte-Klasse bedingt den mit zunehmender Klassenhöhe ebenfalls zunehmenden Anteil an Fremdkontrolle bzw. an (externer) Zertifizierung des Konformitätsbewertungsverfahrens (Verfahren zum Nachweis der Erfüllung aller gesetzlichen Produktanforderungen) durch eine Benannte Stelle.Kriterien für die Einteilung in 4 Klassen sind:
- Dauer der Anwendung (bis 60 Minuten, bis 30 Tage, länger als 30 Tage)
- Ort der Anwendung: Grad der Invasivität (invasiv, chirurgisch invasiv, implantierbar),
- Anwendung am zentralen Kreislaufsystem oder am zentralen Nervensystem
- Wiederverwendbares chirurgisches Instrument
- Aktives Medizinprodukt (Aktives therapeutisches Medizinprodukt / Aktives diagnostisches Medizinprodukt)
- Verwendung von biologischem Material aus Tieren oder Menschen
Die Klassen sind EU-weit durch den Anhang IX der Richtlinie 93/42/EWG festgelegt:
Klasse I
Keine methodischen Risiken
geringer Invasivitätsgrad
kein oder unkritischer Hautkontakt
vorübergehende Anwendung ≤ 60 Minuten
Klasse IIa
Anwendungsrisiko
mäßiger Invasivitätsgrad
kurzzeitige Anwendungen im Körper (im Auge, intestinal, in chirurgisch geschaffenen Körperöffnungen)
kurzzeitig ≤ 30 Tage, ununterbrochen oder wiederholter Einsatz des gleichen Produktes
Klasse IIb
Erhöhtes methodisches Risiko
systemische Wirkungen
Langzeitanwendungen
nicht invasive Empfängnisverhütung
langzeitig ≥ 30 Tage, sonst wie bei kurzzeitig
Klasse III
entspricht hohem Gefahrenpotential
Besonders hohes methodisches Risiko
zur langfristigen Medikamentenabgabe
Inhaltsstoff tierischen Ursprungs und im Körper
unmittelbare Anwendung an Herz, zentralem Kreislaufsystem oder zentralem Nervensystem
und natürlich invasive Empfängnisverhütung
Für die Bewertung von Risiken gilt bei Einhalten der harmonisierten Norm ISO 14971:2007 die Konformitätsvermutung. Wird diese Norm nicht eingehalten, ist die Gleichwertigkeit der gewählten Lösung mit der harmonisierten Norm nachzuweisen.
Die Regeln zur Klassifizierung sind detailliert im Anhang IX der EU-Richtlinie 93/42/EWG festgelegt. Die Anwendung der Klassifizierungsregeln richtet sich nach der Zweckbestimmung der Produkte (und liegt daher in der Verantwortung des Herstellers).
Einige konkrete Beispiele für Medizinprodukte sind:
Klasse I
ärztliche Instrumente
Gehhilfen
Rollstühle
Pflegebetten
Stützstrümpfe
Verbandmittel
wiederverwendbare chirurgische Instrumente
OP-Textilien
Klasse IIa
Dentalmaterialien, Dentalimplantate
Desinfektionsmittel (für Instrumente und Geräte)
diagnostische Ultraschallgeräte
Einmalspritzen
Hörgeräte
Kontaktlinsen
PACS
Trachealtuben
Zahnkronen
Klasse IIb
Anästhesiegeräte
Beatmungsgeräte
Bestrahlungsgeräte
Blutbeutel
Defibrillatoren
Dialysegeräte
Kondome
Kontaktlinsenreiniger
Reinigungsdesinfektionsautomaten
Klasse III
Herzkatheter
künstliche Hüft-, Knie-, oder Schultergelenke
Stents
resorbierbares chirurgisches Nahtmaterial
Intrauterinpessar (Spirale)
Brustimplantat
Herzschrittmacher
Es ist jedoch zu beachten, dass weder durch die EU-Richtlinien noch durch die nationale Gesetzgebung eine derartige Klassifizierung von Medizinprodukten vorgenommen wird, da jeweils im Einzelfall, bezugnehmend auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch (“intended use”), die Klassifizierung durchzuführen ist.
Eine detaillierte Orientierungshilfe für die Klassifizierung von Medizinprodukten bietet der Leitfaden "Klassifizierungsliste Medizinprodukte" aus der BVMed-Informationsreihe "Medizinprodukterecht".