Medizinprodukteverordnung

Europäische Allianz für MDR-Verbesserungen | BVMed: Probleme bei der MDR-Umsetzung müssen auf die Tagesordnung der europäischen Gesundheitsminister

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Nach der deutsch-französischen Initiative der MedTech-Verbände BVMed und SNITEM, um auf europapolitischer Ebene Lösungen für die Herausforderungen bei der Implementierung der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) voranzutreiben, haben sich rund 20 weitere nationale Verbände der europäischen MedTech-Branche den Lösungsvorschlägen angeschlossen. Das berichtet BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Dr. Marc-Pierre Möll zum European MedTech Forum, das vom 3. bis 5. Mai 2022 in Barcelona stattfindet.

Die Allianz fordert unter anderem einen raschen Ausbau der Kapazitäten der Benannten Stellen, einen sinnvollen Einsatz der vorhandenen Ressourcen durch einen pragmatischen Umgang mit Bestandsprodukten sowie eine Verlängerung der Übergangsfristen, da das MDR-System immer noch nicht arbeitsfähig ist. Ziel der MedTech-Verbände ist es, dass sich die EU-Gesundheitsminister:innen in ihrer nächsten Sitzung mit den MDR-Herausforderungen und ihren Lösungen befassen. Die aktuellsten Informationen zum Thema MDR können unter www.bvmed.de/mdready abgerufen werden.


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„Das Hauptproblem sind die fehlenden Ressourcen bei den Benannten Stellen. Die durchschnittliche Dauer der Zertifizierung beträgt rund 18 Monate. Das heißt bei einer Übergangsfrist bis Mai 2024, dass spätestens im dritten Quartal 2022 die unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden müssen, welche Medizinprodukte vom Markt genommen werden müssen. Deshalb brauchen wir jetzt Lösungen“, so Möll.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte mit einem Schreiben Anfang April 2022 an die MedTech-Verbände eingeräumt, dass es Probleme bei der Umsetzung der MDR geben könnte. Das BMG forderte die Medizinprodukte-Unternehmen auf, zeitnah MDR-Zertifizierungsanträge zu stellen. Das Ministeriumsschreiben verschweigt aber aus BVMed-Sicht, dass die Benannten Stellen keine freien Kapazitäten haben. Immer häufiger würden Anträge sogar mangels Kapazität abgelehnt oder bestehende langjährige Verträge aufgekündigt, so der BVMed.

Auch wenn alle Unternehmen ihre Anträge einreichen würden, stoße die Umsetzung der MDR auf enorme Schwierigkeiten. Denn noch immer wird die MDR durch MDCG-Dokumente nachreguliert, weil Regelungen fehlen sowie die bestehenden Regelungen nicht eindeutig zu interpretieren und umsetzbar sind. Bisher wurden bereits 90 MDCG-Dokumente veröffentlicht. Offiziell sind aktuell weitere 27 MDCG-Dokumente in Bearbeitung – teilweise mit Termin 4. Quartal 2022. Jede Nachregulierung beeinträchtigt aber die Zertifizierungsfähigkeit der Anträge, informiert der BVMed.

Hinzu kommt, dass die Kapazitäten der Benannten Stellen noch immer nicht ausreichend sind, um den aktuellen Bedarf zu decken. „Die Industrie steht bereit, das System jedoch nicht“, so BVMed-Geschäftsführer Möll. Der BVMed nennt in seiner derzeit laufenden Informationskampagne #MDReady dazu folgende Zahlen:
  • Es werden rund 25.000 Zertifikate bis zum Ende der Übergangsperiode im Mai 2024 benötigt. Bisher wurden weniger als 1.000 Zertifikate nach MDR ausgestellt. In den letzten fünf Jahren wurden also weniger als 5 Prozent der Bestandsprodukte rezertifiziert. Mehr als 95 Prozent müssen in den kommenden zwei Jahren rezertifiziert werden.
  • Laut dem Verband der Benannten Stellen, Team NB, können derzeit 6.314 Bescheinigungen pro Jahr ausgestellt werden. Hochgerechnet könnten somit in zwei Jahren nur etwa 13.000 Bescheinigungen ausgestellt werden. Das ist etwa die Hälfte der benötigten Menge. Wenn nichts unternommen wird, würden mehr als 40 Prozent der Bestandsprodukte vom Markt verschwinden. Das würde die schlimmsten Befürchtungen des BVMed übertreffen.

Der BVMed fordert daher im Einklang mit den anderen nationalen MedTech-Verbänden:
  • Mehr Kapazitäten: Ausbau der Benannten Stellen
  • Mehr Pragmatismus: Sinnvoller und zielgerichteter Einsatz der begrenzten Ressourcen
  • Und in Konsequenz daraus mehr Zeit: Verschiebung der Übergangsperiode

BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll: „Wenn wir nicht politisch aktiv werden, verlieren wir in Deutschland und Europa geschätzt 10 Prozent der Unternehmen, insbesondere kleine und mittelständische, 30 Prozent Bestandsprodukte und die Kraft von Innovationen. Wir brauchen jetzt keine gegenseitigen Schuldzuweisungen, sondern abgestimmte Lösungen.“

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Der BVMed repräsentiert rund 240 Hersteller, Händler und Zulieferer der Medizintechnik-Branche sowie Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Versorger. Die Medizinprodukteindustrie beschäftigt in Deutschland über 235.000 Menschen und investiert rund 9 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Der Gesamtumsatz der Branche liegt bei über 34 Milliarden Euro, die Exportquote bei 66 Prozent. Dabei sind 93 Prozent der MedTech-Unternehmen KMU. Der BVMed ist die Stimme der deutschen MedTech-Branche und vor allem des MedTech-Mittelstandes.
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