Medizinprodukterecht

Einführung

Die EU-Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation – MDR) ist im Mai 2017 in Kraft getreten. Geltungsbeginn sollte ursprünglich im Mai 2020 sein. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde der Geltungsbeginn unter anderem auf Initiative des BVMed auf den 26. Mai 2021 verschoben. Die Übergangsfrist für die Gültigkeit der Altzertifikate („Grace Period“) bis Mai 2024 und die Abverkaufsfrist bis Mai 2025 wurden bei der Verschiebung des Geltungsbeginns nicht angepasst – trotz der Auswirkungen der Corona-Pandemie. Die zu erwartenden Engpässe bleiben also bestehen und haben sich noch verstärkt. Die rund 20.000 Zertifikate werden so bis zum Ende der Übergangsperiode im Mai 2024 nicht in die MDR überführt werden können. Vergrößern Herunterladen



Die neue EU-Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation – kurz: MDR) ist am 5. Mai 2017 gemeinsam mit der ebenfalls neuen Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IVDR) im EU-Amtsblatt bekannt gemacht worden und am 25. Mai 2017 in Kraft getreten.
Seither wurden drei Korrigenda im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (erstes Korrigendum 3. Mai 2019, zweites Korrigendum 27. Dezember 2019, drittes Korrigendum 8. Juli 2021).

Am 24. April 2020 wurde mit der Verordnung 2020/561 der Europäischen Kommission zur Änderung der MDR unter anderem das Datum des Geltungsbeginns um ein Jahr auf den 26. Mai 2021 verschoben.

Am 20. März 2023 wurde die zweite Änderungsverordnung (VO (EU) 2023/607) publiziert, die den Kapazitätsengpass der Benannten Stellen und den Zertifikatsstau im Zuge der MDR Implementierung adressiert.

Die Änderungsverordnung (EU) 2023/607 sieht eine verlängerte Gültigkeit von Richtlinienzertifikaten, eine Verlängerung der MDR-Übergangsfristen sowie die Abschaffung der Abverkaufsfrist vor. Die Fristverlängerungen – bis 31. Dezember 2027 für Produkte der Klasse III und implantierbare Produkte der Klasse IIb sowie bis 31. Dezember 2028 für Produkte der Klassen IIa, IIb und I – sind an bestimmte Bedingungen geknüpft:
  • die Produkte müssen weiterhin den MDD- bzw. AIMD-Anforderungen sowie den bisher bereits einzuhaltenden zusätzlichen MDR Anforderungen (PMS, Vigilanz, Registrierpflichten) entsprechen;
  • es darf keine „wesentliche Änderung“ der Konstruktion und der Zweckbestimmung geben;
  • es darf kein unannehmbares Gesundheits- oder Sicherheitsrisiko bestehen;
  • der Hersteller hat spätestens am 26. Mai 2024 ein Qualitätsmanagementsystem gemäß Art. 10 Abs. 9 MDR eingerichtet;
  • der Hersteller oder der/die Bevollmächtigte hat spätestens am 26. Mai 2024 bei einer Benannten Stelle einen förmlichen Antrag auf Konformitätsbewertung gestellt und die Benannte Stelle sowie der Hersteller haben bis zum 26. September 2024 eine schriftliche Vereinbarung unterzeichnet;
  • das MDD-Zertifikat war am Tag des Inkrafttretens der Änderungsverordnung 2023/607 (20.03.2023) gültig. Ist dies nicht der Fall, muss der Hersteller bereits vor dem Ablauf des Zertifikats einen Vertrag mit einer Benannten Stelle über eine Konformitätsbewertung nach MDR für die Produkte abgeschlossen oder eine bestehende Ausnahme gemäß Art. 59 MDR oder Art. 97 MDR erhalten haben.

Die MDR ist ein "Basis-Rechtsakt", der über den Erlass weiterer 43 spezifischer Rechtsakte präzisiert und gesteuert wird. Darunter sind 11 delegierte und 32 durchführende Rechtsakte, von denen 8 durchführende Rechtsakte zwingend zu erlassen sind.

Hinzu kommen europäische Leitlinien, die von der Medical Device Coordination Group als "MDCG Guidances" veröffentlicht werden.
Die MDR ist für alle Medizinprodukte seit dem 26. Mai 2021 verpflichtend anzuwenden, wobei in Art. 120 (3) MDR eine Übergangsfrist für Bestandsprodukte definiert ist.

Nämlich für Medizinprodukte der Klasse I gemäß der Richtlinie 93/42/EWG, für die vor 26. Mai 2021 eine Konformitätserklärung erstellt wurden und für die das Konformitätsbewertungsverfahren gemäß der MDR die Mitwirkung einer Benannten Stelle erfordert sowie für Medizinprodukte höherer Klassen, für die eine Bescheinigung gemäß der Richtlinie 90/385/EWG oder der Richtlinie 93/42/EWG ausgestellt wurde, die gemäß Art. 120 Absatz 2 gültig ist.

Diese Produkte dürfen bis zum 26. Mai 2024 in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, sofern sie der entsprechenden Richtlinie entsprechen und keine wesentlichen Änderungen der Auslegung und der Zweckbestimmung vorliegen. Zusätzlich gelten hinsichtlich Überwachung nach dem Inverkehrbringen, die Marktüberwachung, die Vigilanz, die Registrierung von Wirtschaftsakteuren und von Produkten die Anforderungen der MDR. Die Bereitstellung auf dem Markt und Inbetriebnahme dieser Produkte ist bis 26. Mai 2025 möglich (Abverkaufsfrist).
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