Medizinproduktegesetz - MPG
MedTech-Kommunikationskonferenz in Berlin: "Mit verständlicher und kontinuierlicher Kommunikation um Vertrauen für Medizinprodukte werben"
05.06.2013|40/13|Berlin|
Marketing und Kommunikation stehen in der MedTech-Branche vor einem tiefgreifenden Wandel. Durch die immer stärkere Nutzung von mobilen Endgeräten und weniger rechtliche Hindernisse gibt es für die Unternehmen der Medizintechnologie dabei neue Potenziale, um durch verständliche und kontinuierliche Kommunikation über den Nutzen von Medizinprodukten für Vertrauen bei Patienten, Ärzten und Krankenkassen zu werben. Das war das Fazit der 9. MedTech-Kommunikationskonferenz von MedInform mit dem Titel "Marketing und Kommunikation von Medizinprodukten im Wandel" am 4. Juni 2013 in Berlin. "Ärzte und Patienten nutzen zunehmend das Internet zur Informationsbeschaffung, aber sie erwarten dabei nutzbringende und verständliche Informationen der MedTech-Unternehmen, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind", brachte BVMed-Geschäftsführer Joachim M. Schmitt die Herausforderung an die MedTech-Branche auf den Punkt.Eine wachsende Bedeutung für den Dialog mit Ärzten spielen Ärztenetzwerke, machte Coliquio-Gründer Felix Rademacher deutlich. 80 Prozent der Ärzte würden sich den verstärkten Dialog mit der Industrie wünschen. Auch die Fachmedien haben sich auf den Wandel eingestellt. Die Ärzte erwarten neben Fachinformationen auch Diskussionsforen und verschiedene Informationskanäle, so Wolfgang van den Bergh von Springer Medizin. Bei den Zielgruppen Patienten und Angehörige stehen die Unternehmen in der Verantwortung, Standards zur Erstellung guter, evidenzbasierter und aktueller Gesundheitsinformationen einzuhalten, erläuterte Dr. Klaus Koch vom IQWiG. Unternehmen müssen das Thema Social Media strategisch angehen. Dazu gehört die Anbindung an die Konzernstrategie und die Kommunikationsziele, sagte Matthias Koslowski von B. Braun. Dann könnten auch geeignete Kennzahlen für die Erfolgsmessung abgeleitet werden, verdeutlichte Berater Ralf-Thomas Hillebrand. Wichtig sei, dass die Unternehmen die eigenen Mitarbeiter für Social Media gewinnen und über diese aktiv im Social Web kommunizieren, so Kommunikationsberater Klaus Eck. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Medizinprodukte-Unternehmen haben sich dabei weiter verbessert, erklärten die Rechtsanwälte Dr. Ulrich Reese und Marc L. Holtorf. Nach der jüngsten HWG-Novelle können sogar Ärzte und Prominente als Testimonials gegenüber einem Laienpublikum agieren. Eine neue kommunikative Herausforderung ist das "Employer Branding", um dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, zeigte Nadine Dusberger von Edelman auf.
Kommunikationsberater Klaus Eck von Eck Kommunikation aus München hielt auf der Abendveranstaltung die Keynote über Zukunftstrends in Social Media. Dabei setzte er seinen Schwerpunkt auf das Online Reputation Management und die Einordnung von Social Media in der Healthcare Branche insgesamt. "Jedes Unternehmen profitiert von der Shareconomy, in der viele Menschen anderen ihre Kundenerlebnisse verraten und es uns allen einfacher machen, selbst eine Kaufentscheidung zu treffen. Einzelne Influencer lassen sich sehr gut über Social Media erreichen", so Eck. Doch das setze voraus, dass ein Unternehmen sich ernsthaft für seine Kunden interessiert und mit diesen den offenen Dialog sucht. Dafür benötigen Organisationen in jeder Branche Mitarbeiter, die als Botschafter und Personal Brands für ihr Unternehmen in Social Media aktiv sind. "Wer hierbei erfolgreich sein will, muss die eigenen Mitarbeiter für Social Media gewinnen und über diese aktiv im Social Web kommunizieren." Verbote seien wenig hilfreich, weil sie dank Smartphones leicht umgangen werden könnten. Je sichtbarer und leidenschaftlicher die Mitarbeiter für die Interessen ihrer Unternehmen und ihrer Branche eintreten, desto glaubwürdiger und erfolgreicher sind Marken. Ecks Fazit: "Letztlich vertrauen wir immer lieber Menschen als abstrakten Marken. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, mit Persönlichkeit und Transparenz zu punkten und dabei die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen."
Felix Rademacher, Gründer und Geschäftsführer des Ärzte-Netzwerks Coliquio, verdeutlichte die zunehmende Bedeutung von "Medical Communities" für den fachlichen Austausch. Fast ein Viertel der Ärzte in Europa seien bereits in einem Ärzte-Portal im Internet aktiv. 80 Prozent davon würden sich den verstärkten Dialog mit der Industrie wünschen. Auf coliquio.de diskutieren aktuell 80.000 Ärzte aller Fachgebiete in hoher Frequenz medizinische Themen und unklare Patientenfälle. Täglich sind rund 5.000 Ärzte zum Erfahrungsaustausch auf der Kommunikationsplattform, nahezu jeder dritte Arzt nutzt coliquio.de für seinen medizinischen Praxisalltag. Da die geschlossene Community ausschließlich approbierten Ärzten offen steht, ist die Motivation und Aktivität der Ärzte durch das vertrauensvolle Umfeld besonders hoch, so Rademacher. Medizintechnische Unternehmen können davon profitieren und in einem exklusiven Bereich mit den Ärzten in Interaktion treten.
Wie kann die Qualität von Patienteninformationen im Internet gesichert werden? Auf diese Frage ging Dr. Klaus Koch, Ressortleiter Gesundheitsinformation beim Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ein. Das Internet sei eine viel genutzte Quelle für Informationen zu Gesundheitsfragen. Die Qualität reiche dabei von Scharlatanerie bis hin zu hochwertigen, evidenzbasierten Informationen. "Meist verwenden Nutzer zur Recherche allgemeine Suchmaschinen, deren Sortierung der Treffer allerdings keine Gewähr für Qualität bietet. Zum Schutz gegen falsche und verzerrte Informationen benötigen einerseits die Nutzer Kompetenzen zum Erkennen von Qualitätsunterscheiden. Andererseits sind Ersteller von Informationen in der Verantwortung, Standards zur Erstellung guter Gesundheitsinformation einzuhalten", so Koch. Zertifikate wie HON (Health on the Net) und afgis (Aktionsforum Gesundheitsinformationssysteme) würden auf einen Mindeststandard an Transparenz hinweisen. Geprüft würden aber nur formale Aspekte, nicht der Inhalt der Informationen. Deshalb bemühe sich das IQWiG um die Etablierung von Standards zur Erstellung evidenzbasierter Gesundheitsinformationen. Dazu gehören die Aspekte Evidenzbasierung, Verständlichkeit, Nutzerbeteiligung, Krankheitsaspekte, Relevanz, Neutralität und Darstellung. Zudem stelle das IQWiG-Portal gesundheitsinformation.de verständliche und aktuelle Informationen für Patienten bereit.
Rechtsanwalt Dr. Ulrich Reese von Clifford Chance gab einen Überblick über die wichtigsten Regelungen des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) und ihre Bedeutung für die Bewerbung von Medizinprodukten. Er machte deutlich, dass die Spielräume zum Teil deutlich größer als bei der Arzneimittelwerbung sind. Nach der jüngsten HWG-Novelle vom Herbst 2012 sei beispielsweise sogar die sachliche und nicht irreführende Testimonialwerbung gegenüber dem Laienpublikum erlaubt. Für Medizinprodukte können dabei sogar Ärzte und Prominente als Testimonials agieren. Dem HWG unterliegt dabei nur die Produktkommunikation oder -werbung. Informationen über das Unternehmen oder Krankheitsbilder sind nicht vom HWG erfasst. Insgesamt eröffnen die Regelungen des HWG interessante Perspektiven, die mit etwas Fingerspitzengefühl auch unternehmerisch sinnvoll ausgeschöpft werden könnten. Reeses Fazit: "Mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl lassen sich die Risiken von HWG-Verstößen weitgehend eingrenzen."
Auf ausgewählte rechtliche Aspekte bei Social Media ging Rechtsexperte Marc L. Holtorf von Clifford Chance ein. Internet und Social Media sind keine rechtsfreien Räume. Es gelten im Großen und Ganzen die gleichen Freiräume und Grenzen wie für traditionelle Werbemaßnahmen sowie für die interne und externe Kommunikation. Bei Blogs und Foren sollten die Unternehmen eigene Regeln und Vorgaben zu Verhaltensweisen für Nutzer aufstellen. Zudem sei es wichtig, dass Firmen Einträge und Kommentare beobachten und auswerten, um rechtswidrige Inhalte zu erkennen und zu löschen. Auf eigenen Webseiten sollten Links und Frames nur nach rechtlicher Prüfung verwendet werden. Bei Werbung über Social Media-Kanäle sollten die Unternehmen "im Zweifel mit offenen Karten spielen", so Holtorf. Vor Veröffentlichung sollten Inhalte im Hinblick auf das mögliche Vorliegen einer Werbemaßnahme geprüft werden. Portale für Fachkreise sollten vor dem Zugriff Unberechtigter geschützt werden.
Die Herausforderung Fachkräftemangel und die Möglichkeiten von "Employer Branding" aus kommunikativer Sicht beleuchtete Beraterin Nadine Dusberger von Edelman. Die deutsche Medizintechnikbranche biete ein attraktives Arbeitsumfeld. Fast alle Unternehmen haben allerdings offene Stellen und Schwierigkeiten, diese adäquat zu besetzen. Daher sei es für MedTech-Unternehmen heute essenziell, qualifizierte Kräfte in den Unternehmen zu halten und zu motivieren sowie neue Mitarbeiter zu gewinnen. Employer Branding trage dabei nicht nur zur Mitarbeiterbindung und -findung bei, sondern erhöhe auch die Leistungsbereitschaft und Produktivität im Unternehmen. Bereits die Fokussierung auf wenige Kommunikationsmaßnahmen, beispielsweise Karriereseiten, Jobportale und Events, könne ausreichen, um Employer Branding wirkungsvoll zu kommunizieren. Social Media sollte nur dort zum Einsatz kommen, wo Unternehmen den Herausforderungen des Echtzeit-Dialogs gewachsen sind. Außerdem appelliert sie an die Unternehmen, die Mitarbeiter als Zielgruppe des Employer Brandings nicht zu vergessen, "weil das Potenzial der Mitarbeiter als glaubwürdige Unternehmensbotschafter heute nicht zu unterschätzen ist", so Dusberger.
Wie kann der Erfolg von Social Media-Maßnahmen gemessen werden? Darauf ging Ralf-Thomas Hillebrand von Politik & Internet ein. Er vertritt die Ansicht, dass sich die Kennzahlen für die Erfolgsmessung vor allem an den Unternehmenszielen orientieren müssen. Hier gebe es aber noch große Defizite. Zwei Drittel der in Social Media aktiven Unternehmen hätten nach Bitkom-Angaben keine Social Media-Ziele definiert. 98 Prozent messen keine "Key Performance Indicators" (KPIs). Hillebrands Plädoyer: "Indem Sie Ziele definieren, ergeben sich die KPIs fast von selbst." Dazu könnten Kennzahlen für Kundenbindung, Neukundengewinnung oder Imageverbesserung bzw. höhere Kundenzufriedenheit gehören. Wichtig sei, dass die Unternehmen strategisch vorgehen und selbst die Zielvorgaben und Maßnahmen definieren. "Die entscheidenden KPIs identifizieren Sie, keine Agentur", so Hillebrands Schlussappell an die Teilnehmer.
Matthias Koslowski, Director Social Media bei B. Braun, zeigte in einer Fallstudie den Prozess von der Social Media-Strategie bis hin zur Aufstellung einer Guideline und einer Organisationsrichtlinie auf. Seit Oktober 2009 gibt es bei B. Braun bereits eine "Social Media-Philosophie", die den Mitarbeitern eine Hilfestellung gibt, wenn sie sich im Rahmen Ihrer Tätigkeit in den Sozialen Netzwerken bewegen und aktiv beteiligen. Die Social Media-Strategie sei dabei abgeleitet aus der Konzernstrategie und folge den Kommunikationszielen. "Mit der Verankerung einer unternehmensweit gültigen Richtlinie und einer Social Media-Guideline haben wir eine Basis für die Einbindung von Social Media in die Marketingaktivitäten von B. Braun gelegt. Als Leitplanken verstanden, ermöglichen diese die selbstverständliche und eigenverantwortliche Einbindung von Social Media in den Marketing- und Kommunikationsmix aller Bereiche von B. Braun", so Koslowski. Maßgebend sei, dass Social Media-Aktivitäten den Geschäftserfolg unterstützen, den Dialog mit den Anspruchsgruppen positiv gestalten helfen und B. Braun als kompetenten Partner positionieren. Dialogkommunikation via Social Media müsse immer authentisch, offen und persönlich sein. Hinter jedem Projekt stehe eine identifizierbare Person und B. Braun gebe sich immer als Unternehmen zu erkennen. Koslowski riet, den Mitarbeitern eine möglichst weitreichende Mitwirkung an der Guideline zu ermöglichen sowie die Bereiche Recht, Personal, Unternehmenskommunikation, Datenschutz und IT einzubinden. Ein entscheidender Erfolgsfaktor sei die Kommunikation und Vermittlung der Guideline. Koslowskis Ansatz: "So wenig juristisch regeln wie nötig, so viel beraten und motivieren wie möglich."
Neue Medien und technischer Wandel haben auch die medizinischen Fachmedien getroffen. Wie die Verlage damit umgehen, beleuchtete Wolfgang van den Bergh, Director Nachrichten und Politik bei Springer Medizin und Chefredakteur der Ärzte Zeitung. Das Interesse an Fachkommunikation sei bei den Ärzten weiter ungebrochen, aber die Erwartungshaltung an die Medien habe sich geändert. Ärzte erwarten von ihrem Fachmedium, dass es den medizinischen, politischen und praxisrelevanten Veränderungen auf den Grund geht, die möglichen Auswirkungen für den Praxisalltag beschreibt und einordnet, aber auch ein Diskussionsforum schafft und verschiedene Informationskanäle anbietet. Den veränderten Erwartungen und dem neuen Leseverhalten habe ein modernes Medienunternehmen Rechnung zu tragen. "Wir bekennen uns zur digitalen Welt und bauen sie sukzessive aus, ohne dass wir uns aus dem Print-Geschäft verabschieden". Redaktioneller Mehrwert - ob Print oder Online - müsse aber auch seinen Preis haben. Wichtig seien künftig intelligente Verknüpfungssysteme insbesondere im Bereich der Suchfunktionen - Stichwort "Semantisches Web" - sowie eine "bedürfnisorientierte intelligente Kombination der verschiedenen Informationskanäle", so van den Bergh.
Hinweis an die Medien: Druckfähiges Bildmaterial zur Konferenz kann unter www.bvmed.de (Bilder / Veranstaltungen) heruntergeladen werden.
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Manfred Beeres
Leiter Kommunikation/Pressesprecher
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