Ambulanter Bereich

BVMed-Papier zu AOP-Reform und Hybrid-DRGs | „Chancen der Ambulantisierung nutzen, Medizinprodukte einbeziehen“

Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) hat sich in einem Positionspapier zur „AOP-Reform und sektorengleichen Vergütung ambulanter und stationärer Leistungen (Hybrid-DRGs)“ für eine stärkere Ambulantisierung medizinischer Leistungen ausgesprochen. Dabei müsse die Vergütung sachgerecht kalkuliert und Medizinprodukte adäquat berücksichtigt werden. „Deutschland weiß inzwischen: Um effizient versorgen zu können, muss unsere Gesundheitsversorgung noch stärker ambulantisiert werden - so wie es uns andere Länder vorleben. Medizintechnischer Fortschritt schafft dafür die Grundlagen“, so BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Dr. Marc-Pierre Möll. Aus Sicht des deutschen Medizintechnik-Verbandes bedarf es aber einer sorgfältigen und umfassenden Planung unter Einbeziehung der MedTech-Branche, um finanzielle Fehlanreize zu vermeiden und ein hohes Qualitätsniveau zu sichern. Um Leistungen verstärkt ambulant anzubieten, sind außerdem die notwendigen strukturellen Voraussetzungen zu schaffen, beispielsweise die Definition adäquater Nachsorgeprozesse. Das BVMed-Positionspapier kann unter www.bvmed.de/positionen abgerufen werden.

Damit die Ambulantisierung intensiver vorangetrieben werden kann, müssen sektorale Versorgungsstrukturen aufgebrochen werden sowie finanzielle Fehlanreize, beispielsweise nicht kostendeckende EBM-Vergütungen oder eine fehlende Finanzierung der Medizinprodukte, abgebaut werden. „Die Rolle der Medizinprodukte wird im Kontext der Ambulantisierung bisher nicht ausreichend berücksichtigt – das müssen wir ändern. Denn erst durch moderne Medizintechnik wird die Ambulantisierung in dem aktuell geplanten Ausmaß möglich. Wir müssen den Einsatz und die Finanzierung frühzeitig mitdenken“, so Möll.

Der BVMed hat zehn Forderungen zur AOP-Reform und zur sektorengleichen Vergütung aufgestellt, die im Positionspapier detailliert begründet werden:

1. Leistungen des AOP-Vertrags betriebswirtschaftlich abbilden
Medizinische Leistungen und Sachkosten müssen korrekt zugeordnet und datenbasiert kalkuliert werden. Alle Medizinprodukte, die für die Erbringung stationärer Leistungen erforderlich sind, müssen in der ambulanten Leistungserbringung vollumfänglich refinanziert werden. Inkonsistenzen in den Leistungsbeschreibungen und Ärzt:innengruppen-Zuordnungen müssen vermieden werden.

2. Sektorengleiche Vergütung (Hybrid-DRGs) sachgerecht kalkulieren
Die einheitliche Vergütungssystematik muss auf Grundlage empirischer Kostenkalkulation für identische ambulante und stationäre Leistungen angewendet werden. Die Vergütung nach § 115f SGB V darf nicht aus dem EBM generiert werden, sondern muss datenbasiert kalkuliert werden. Zusatzentgelte aus dem DRG-System müssen berücksichtigt werden. Ambulante und stationäre Fallpauschalen müssen mit Daten der gleichen Leistungsperiode weiterentwickelt und abgestimmt werden.

3. Prozess zur Rekalkulation der sektorengleichen Vergütung entwickeln
Für Hybrid-DRGs und das aG-DRG-System muss eine harmonisierte Kalkulationsmethodik entwickelt werden. Außerdem wird eine regelmäßige und strukturierte periodengerechte Rekalkulation für sektorengleiche (Hybrid-DRG) und stationäre (a/rG-DRG) Vergütung benötigt.

4. Medizinischen, wissenschaftlichen und weiteren Sachverstand einbinden
Zur Weiterentwicklung der ambulanten Leistungskataloge und Vergütungsbestandteile muss ein strukturierter Dialog eingeführt werden. Medizintechnischer Fortschritt muss bei der Weiterentwicklung der sektorengleichen Vergütung (Hybrid-DRGs) und des AOP-Katalogs berücksichtigt werden.

5. Investitionsmittel für eine sektorengleiche Vergütung erweitern und aufstocken
Die Finanzierungslücke bei den Investitionskosten im stationären Sektor muss geschlossen werden. Für den Ausbau ambulanter Versorgungsstrukturen müssen zusätzliche Finanzmittel bereitgestellt werden. Die Investitionskosten für die sachliche, digitale und medizintechnische Ausstattung aller Krankenhäuser und integrierten Versorgungszentren muss auskömmlich finanziert werden. Die Ausstattung der Infektionsschutzmaßnahmen muss gemäß den KRINKO-Empfehlungen in Verbindung mit dem Infektionsschutzgesetz sichergestellt werden. Die Nutzung stationär geförderter Investitionsgüter muss im ambulanten Bereich sanktionslos ermöglicht werden.

6. Daten für die Kalkulation der sektorengleichen Vergütung veröffentlichen
Die Grundlagen der Kalkulation der Hybrid-DRGs (Regeln, Leistungsdaten, Kostendaten) müssen zeitnah, lückenlos und vollständig veröffentlicht werden. Es müssen jährliche Publikationen zu Vergütungskatalogen, Datenbrowser, Abschlussbericht und Leistungs- und Kostenstatistiken etabliert werden. Außerdem muss eine Qualitätssicherung mittels Ergebnisqualität der Patientenbehandlung etabliert werden.

7. Regelungsrahmen für adäquate Nachsorgeprozesse schaffen
Eine Anschlussversorgung muss gewährleistet und finanziert werden. Zudem muss ein ambulantes Therapiemanagement eingeführt werden.

8. Telemedizinische Anwendungen nutzen und stärken
Ambulantes Operieren muss durch Telemedizin und Telemonitoring unterstützt werden. Der Behandlungserfolg muss durch telemedizinische Nachsorge unterstützt werden.

9. Rechtssicherheit bei Transfer stationärer in ambulante Leistungen herstellen
Es bedarf einer gesetzlichen Klarstellung zur stationären Leistungserbringung bis zur Entscheidung der Überführung in die neuen Leistungsbereiche AOP oder Hybrid-DRG.

10. Kontextfaktoren des AOP-Vertrags mit medizinischer Expertise anpassen
Definierte Qualitätsanforderungen aus wissenschaftlichen Leitlinien in müssen in den ambulanten Versorgungsstrukturen berücksichtigt werden. Es braucht einen strukturierten Dialog zur rechtssicheren Auswahl einer geeigneten Patientenversorgung. Medizinische Fachgesellschaften, Berufsverbände und Verbände der Medizinproduktehersteller auf Bundesebene müssen in Weiterentwicklungsverfahren eingebunden werden.

„Medizintechnologien sind der Schlüssel zur Ambulantisierung. Deshalb muss auch der Sachverstand der Medizintechnik-Branche in die Weiterentwicklung der Leistungskataloge einbezogen werden“, so BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll.

Der BVMed repräsentiert über 300 Hersteller, Händler und Zulieferer der Medizintechnik-Branche sowie Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Versorger. Die Medizinprodukteindustrie beschäftigt in Deutschland über 250.000 Menschen und investiert rund 9 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Der Gesamtumsatz der Branche liegt bei über 36 Milliarden Euro, die Exportquote bei 66 Prozent. Dabei sind 93 Prozent der MedTech-Unternehmen KMU. Der BVMed ist die Stimme der deutschen MedTech-Industrie und vor allem des MedTech-Mittelstandes.
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