Medizinproduktegesetz - MPG

BVMed-Innovations-Newsletter "Fortschritt erLeben" zu den Kritikpunkten an der neuen Erprobungsregelung

"Die Erprobungsregelung für neue Medizintechnologien bleibt hinter ihrem Anspruch zurück." Das ist das Fazit des Wirtschaftsjuristen und Beraters Dr. Christian Rybak von der Kanzlei Ehlers, Ehlers & Partner im Interview mit dem Innovations-Newsletter "Fortschritt erLeben" des BVMed. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist die "Trittfahrer-Problematik": Unternehmen, die sich an einer Erprobung beteiligen und dafür eigene Investitionsmittel bereitstellen, treffen künftig im Wettbewerb auf Unternehmen, die diese Phase aussparen, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt die gleiche Methode auf den Markt bringen. Diesem Problem muss sich der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) verstärkt widmen. Die Innovations-Newsletter des BVMed können unter www.fortschritt-erleben.de (Innovations-Newsletter) abgerufen werden.

Ziel der Erprobungsregelung aus dem Versorgungsstrukturgesetz 2012 ist es, den Zugang zu neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) mit Medizinprodukten zu verbessern. Bisher konnte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine neue Methode nur annehmen oder – wenn der Nutzen nicht ausreichend belegt war – ausschließen. Mit der Erprobungsregelung erhält der G-BA ein Instrument, um den Nutzennachweis in der Versorgung herbeizuführen. Wenn der Nutzen der neuen Methode nicht hinreichend belegt ist, aber ein Potenzial zu einer erforderlichen Behandlungsalternative vorliegt, kann der G-BA für die Erprobung dieser Methode ein unabhängiges Institut mit der wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation beauftragen. Die G-BA-Verfahrensordnung ist mittlerweile geändert. Erste Erprobungen sollen 2013 beginnen.

Rybak äußert im BVMed-Interview Kritik an der Verfahrensordnung: "Die Verfahrensordnung entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben, auch deshalb, weil sie zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthält." Ein wesentlicher Kritikpunkt sei, dass Anbieter von Medizinprodukten "niedriger" Qualität eine Teilnahme an der Erprobung gar nicht erst anstreben, jedoch von den Ergebnissen der Erprobung profitieren. "Dies führt zu einer erheblichen Ungleichbehandlung der Unternehmen, die in rechtlicher Hinsicht grundsätzlich nicht hinnehmbar ist", so Rybak.

Zudem greife die Verfahrensordnung unverhältnismäßig in die Eigentumsrechte und wirtschaftlichen Belange der Unternehmen ein. Das liege zum einen an den sehr weitgehenden Rechten für den G-BA bzw. die unabhängige wissenschaftliche Einrichtung, die die wissenschaftliche Begleitstudie durchführt. Rybak: "Die Unternehmen haben nur einen sehr begrenzten Einfluss auf die Verwendung der gewonnenen Daten und darauf, wer diese Daten in welchem Zusammenhang nutzen darf." Zudem sei unklar, wie die Verwertbarkeit der Endergebnisse geregelt sei.

Die erfolgreiche Anwendung einer Methode hänge bei Medizinprodukten – anders als bei Medikamenten – maßgeblich vom Anwender, also dem Arzt ab. Bestimmte Hersteller von Medizinprodukten und bestimmte Krankenhäuser arbeiten seit Jahren erfolgreich zusammen und leisten somit einen wertvollen und unverzichtbaren Beitrag zur Qualitätssicherung. Rybaks Kritik: "Gerade durch die konkrete Verfahrensgestaltung – etwa die Auswahl der wissenschaftlichen Einrichtung oder die Gestaltung des Studiendesigns – könnten eingespielte Mechanismen ausgehebelt werden. Im Extremfall könnte dies sogar mit Qualitätsverlusten einhergehen."

Auf Grund der gesetzlichen Unwägbarkeiten sei davon auszugehen, dass von Herstellerseite erstmal abgewartet werde und zunächst keine eigenen Anträge auf Erprobung gestellt werden. Das sei aber nicht in Stein gemeißelt. "Schließlich hat der G-BA in den letzten Jahren viel Bereitschaft gezeigt, mit den unterschiedlichen Akteuren des Gesundheitswesens gemeinsam an guten Lösungen zu arbeiten", so Rybaks optimistischer Ausblick.

Mehr Informationen zur Innovationskampagne "Fortschritt erLeben" des BVMed gibt es unter www.fortschritt-erleben.de.
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