Nosokomiale Infektionen

„Hygienemaßnahmen konsequent umsetzen, Meldepflichten beachten“

BVMed-Hygieneforum 2016

Gefährliche Erreger in medizinischen Einrichtungen sind für die betroffenen Patienten dramatisch und können zudem für das Krankenhaus einen beträchtlichen Imageschaden darstellen. Wichtig sind daher die konsequente Umsetzung der Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen sowie die Meldung nosokomialer Infektionen an die Gesundheitsämter. Darauf wiesen die Experten des 5. BVMed-Hygieneforums „Gefährliche Erreger in medizinischen Einrichtungen“ am 6. Dezember 2016 vor rund 110 Teilnehmern in Berlin hin. Experten aus Wissenschaft und Klinikpraxis berichteten von aktuellen Studienergebnissen zur Effektivität von verschiedenen Schutzmaßnahmen. Auch moderne Medizintechnologien könnten einen wichtigen Beitrag zur Infektionsprävention leisten. Joachim Rösel, Sprecher des BVMed-Fachbereichs Krankenhausinfektionen, verwies auf die unterstützenden Infografiken und Informationen des BVMed zum Thema "nosokomiale Infektionen" auf der Webseite www.krankenhausinfektionen.info. „Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Aber wir sind auf einem guten Weg“, fasste Moderator Raimund Koch die Ergebnisse zusammen. Insgesamt seien Infektionsschutz und Hygienemaßnehmen jedenfalls stärker im öffentlichen Bewusstsein.

Dr. Christine Geffers, Oberärztin am Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Charité in Berlin, gab zu Beginn des Forums einen Ausblick auf die neuen Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch‐Institut (RKI) zur „Prävention der Gefäßkatheter-assoziierten Sepsis“. Die Veröffentlichung wird im kommenden Jahr erwartet. Die alte Empfehlung stammt aus dem Jahr 2002 und musste an den aktuellen Studienstand angepasst werden. Eine Vielzahl der Empfehlungen, gerade auch zum zentralvenösen Kathetern (ZVK) als risikoreichstem Gefäßkatheter, ist inzwischen durch ausreichend Evidenz belegt. Die Kliniken haben nach dem Infektionsschutzgesetz sicherzustellen, „dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten“. Die Einhaltung des Standes der medizinischen Wissenschaft wird vermutet, wenn die KRINKO-Empfehlungen beachtet werden. Zu den wichtigsten Maßnahmen bei der Prävention von ZVK-assoziierten Infektionen zählt die Einhaltung maximal steriler Bedingungen beim Legen oder Wechsel von ZVKs, so Geffers. Dies beinhalte eine großflächige Hautdesinfektion, Mund-Nasenschutz, OP-Haube, hygienische Händedesinfektion, sterile Kittel und Handschuhe sowie sterile Ganzkörper-Abdeckungen. Antimikrobiell beschichtete ZVKs werden nur empfohlen, wenn andere Maßnahmen keinen ausreichenden Effekt auf hohe Infektionsraten zeigen. Ein routinemäßiger Wechsel des Infusionssystems solle „frühestens nach vier Tagen“ erfolgen. In den USA werde ein wöchentlicher Wechsel empfohlen, berichtete Geffers. Wichtig sei zudem die Ausbildung des Personals. Empfohlen werden regelmäßige Schulungen in kleinen Gruppen zu erforderlichen Infektionskontrollmaßnahmen. Die eigenverantwortliche Übernahme von Aufgaben wie das ZVK-Anlegen sollte erst nach Nachweis der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erfolgen. Insgesamt seien die Empfehlungen zwar nicht immer eindeutig und die Evidenz nicht immer schlüssig, sie seien aber „eine gute Grundlage für hausinterne Standards“, so die Charité-Expertin.

KRINKO-Mitglied Prof. Dr. Matthias Trautmann, Leiter des Instituts für Krankenhaushygiene am Katharinenhospital des Klinikums Stuttgart, beleuchtete den womöglich wichtigsten resistenten Erreger von Krankenhausinfektionen, das Stäbchenbakterium „Clostridium difficile“. Der Erreger ist jahrelang umweltstabil und resistent gegen zahlreiche Desinfektionsmittel. Eine KRINKO-Arbeitsgruppe arbeitet derzeit an einer Empfehlung zu evidenzbasierten Hygiene- und Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung des C.-difficile-Erregers. In den USA gibt es durch den Erreger 14.000 Todesfälle bei 250.000 Fällen, also eine hohe Sterberate von etwa 6 Prozent. Meldungen aus den deutschen Intensivstationen zeigen, dass C.-difficile bei den resistenten Erregern am häufigsten vorkommt. Er greift den Dickdarm an, nicht aber den Dünndarm. Die aktuelle Diagnostik zum Nachweis ist dreistufig: Zusätzlich zum Stuhltest auf Antigene und Tests auf Toxinbildung des Stamms wird ein Gentest zum Nachweis vorgenommen. Durch den besseren Nachweis kommt es in den Statistiken nun auch zu einer Fallzahlzunahme. Nach einem C.-difficile-Ausbruch (CDI) müssen strenge Hygienemaßnahmen eingehalten werden, so Trautmann. Dazu gehören die Isolierung des Patienten im Einzelzimmer und das Anlegen von Schutzkittel und Einmalhandschuhen beim Betreten des Zimmers. Nach Ablegen der Handschuhe werden zunächst eine hygienische Händedesinfektion und danach eine Händewaschung empfohlen. Das Zimmer sollte täglich mit einem Sauerstoffabspalter desinfiziert werden. Eine Entisolierung sollte erst 48 Stunden nach dem letzten Durchfall erfolgen. Nach Fallabschluss muss das Zimmer desinfiziert und Textilvorhänge gewechselt werden.

Auf die Meldepflichten bei Infektionserkrankungen ging Dr. Irina Zuschneid vom Gesundheitsamt Berlin-Charlottenburg ein. Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) müssen bestimmte Infektionskrankheiten und Erreger vom Arzt und den Laboren an die Gesundheitsämter in der Regel namentlich gemeldet werden. Die Meldungen werden erfasst und nicht-personenbezogen an die Landesämter weitergeleitet. Meldepflichtig ist auch bereits ein Krankheitsverdacht, beispielsweise bei einer Clostridium difficile-Infektion mit schwerem Verlauf. Unter die Arztmeldepflicht fällt auch die Häufung von nosokomialen Infektionen. Die 2016 neu in Kraft getretene IfSG-Meldepflicht-Anpassungsverordnung führt zudem die namentliche Meldepflicht für 51 Krankheitserreger von „Adenoviren“ bis „Yersiniapestis“ ein. Wichtig sei eine „unverzügliche Meldung“, aber auch eine unverzügliche Mitteilung an das Gesundheitsamt, wenn sich eine Verdachtsmeldung nicht bestätigt hat, so Zuschneid. Neben der Erfassung der Daten berät das Gesundheitsamt auch über erforderliche Schutzmaßnahmen und nimmt Kontakt mit den Erkrankten auf. Bei MRSA, Clostridium difficile-Infektionen und Carbapenemresistenzen sei eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Betroffenen dagegen nicht zielführend. Das für die medizinische Einrichtung zuständige Gesundheitsamt ermittelt dann beim Personal der Klinik oder des Pflegeheims. Gerade aufgrund der Häufungen nosokomialer Infektionen sei es wichtig, das Gesundheitsamt rechtzeitig zu informieren. Dies diene auch der rechtlichen Absicherung für das Krankenhaus. Durch die Übermittlung der Daten an die Landesämter und das Robert Koch-Institut (RKI) können zudem gleichartige Geschehen erkannt und geeignete Schutzmaßnahmen eingeleitet werden. Aus der Erhebung von infektionsepidemiologischen Daten können auch Empfehlungen abgeleitet werden.

Hygieneprobleme bei der Aufbereitung von flexiblen Endoskopen beleuchtete der Mainzer Gastroenterologe Prof. Dr. Ottmar Leiß. Der Fortschritt sei dabei in den letzten Jahrzehnten mühsam gewesen. Erst seit den 90er Jahren wies Professor Dr. Heinz-Peter Werner auf die Infektionsprobleme durch aufbereitete flexible Endoskope hin. 2002 zeigte eine Studie die Probleme der manuellen Aufbereitung und die Überlegenheit einer validierten vollautomatischen Aufbereitung auf. Die Beanstandungsrate bei der manuellen Aufbereitung lag in der Studie bei sehr hohen 50 Prozent. Ein „blinder Fleck“ seien Optikspülsysteme gewesen, die ohne Sterilwasser zu Bakterienförderer wurden. 2003 kam es dann zur ersten KRINKO-Empfehlung zur qualitätsgesicherten Endoskopie-Aufbereitung, die 2012 überarbeitet wurde. Der Fokus wird dabei auf die Effektivität der Reinigungsschritte gelegt. Leiß stellte klar, dass es einen „Sicherheitspuffer“ bei der Aufbereitung eigentlich nicht gebe. Alle Reinigungs- und Desinfektionsschritte müssten daher effektiv und aufeinander abgestimmt sein. Zu beachten sei, dass die Komplexität der Instrumente dabei die Reinigung erschwere. Die Zugängigkeit der Kanäle müssten gewährleistet und jeder Kanal sorgfältig mit der Bürste gereinigt werden. Denn: „Die Häufigkeit des Bürstens hat einen unmittelbaren Effekt auf den Reinigungsgrad.“ Leiß‘ Fazit: „Die Endoskopie-Aufbereitung ist eine Highrisk-Technologie und erfordert eine entsprechende Sicherheitskultur.“

Joachim Rösel, Marketingdirektor Medical bei Pall und Sprecher des BVMed-Fachbereichs „Nosokomiale Infektionen“, stellte Informationsmaterialien vor, die dabei helfen sollen, die Entstehung von nosokomialen Infektionen zu verdeutlichen und damit zu ihrer Vermeidung beizutragen. Kernstück ist die Webseite www.krankenhausinfektionen.info. Sie enthält Informationen und Grafiken zu den Themen Gefäßkatheter-assoziierte Infektionen, Wundinfektionen, Atemwegsinfektionen, Harnwegsinfektionen und infektiöse Darmerkrankungen (Norovirus). Ein besonderes Angebot ist das anschauliche Grafikmaterial, das für Präsentationen oder Schulungen kostenlos heruntergeladen werden kann. Neu hinzugekommen ist ein animierter Informationsfilm zur Entstehung und Vermeidung von Krankenhausinfektionen. 2017 sollen Informationen, eine Präsentation und Einzelgrafiken zum Thema Multiresistente Erreger (MRE) hinzukommen.

Dr. Luisa A. Denkel vom Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Charité stellte aktuelle Studien zu antiseptische Waschungen von Intensivpatienten. Hintergrund ist, dass auch Erreger auf der Haut von Patienten die Quelle bei Übertragungen multiresistenter Erreger und die Verursacher von nosokomialen Infektionen beim Patienten selbst sein können. Waschungen mit antiseptischen Substanzen sollen den Kontaminationsgrad auf der Haut von Patienten reduzieren. Wenige Beobachtungsstudien zeigen, dass antiseptische Waschungen von Intensivpatienten mit Octenidin auf den internistischen Intensivstationen Blutstrominfektionen um 22 Prozent und MRSA sogar um 42 Prozent reduzieren können. Bei chirurgischen Intensivstationen zeigen sich dagegen keine signifikanten Effekte. Für den Alternativwirkstoff Chlorhexidin gibt es eine Vielzahl von Studien (RCTs, Metaanalysen, Systematische Reviews) mit verschiedenen Ergebnissen. Sie zeigen positive Effekte, sollten aber auf Hochrisikopatienten beschränkt bleiben. Besser verträglich sei Polyhexanid, hier gebe es aber keine Studien zum Effekt, so Denkel. Insgesamt fehlen für alle Wirkstoffe Daten zu Resistenzentwicklungen nach antiseptischen Waschungen, so dass noch keine klare Strategie für die deutschen Intensivstationen erkennbar ist. Derzeit laufen in Berlin und in Leipzig dazu Studien.

Mit der Frage, ob Inzisionsfolien bei orthopädischen Operationen noch dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen, beschäftigte sich Dr. Thomas Pauly, Chefarzt Orthopädische Chirurgie und Rheumatologie am St. Elisabeth-Hospital in Meerbusch. Nach europäischen Daten kommt es in der Orthopädie in rund ein Prozent der Fälle zu einer postoperativen Wundinfektion. Infektionsquellen können die Haut des OP-Teams, die Umgebungskontamination oder nicht korrekt aufbereitete Medizinprodukte sein. Antimikrobiell beschichtete Inzisionsfolien bei der Operation sollen die Infektionsraten reduzieren helfen. Sie decken die Inzisionsstelle steril ab. Eine Imprägnierung im Kleber der Folie sorgt für eine kontinuierliche antimikrobielle Breitbandwirkung. Eine RKI-Kommentierung aus dem Jahr 2014 stellt fest, dass durch Iod-imprägnierte Folien die Wundkontamination verringert werden kann. Probleme mit der Folienanwendung kann es bei alter Haut und bei Jodallergien geben. Die Vorteile der Folie als Teil des Gesamtkonzepts überwiegen aber durch die sterile Versiegelung des Operationsgebiets, so Paulys Fazit.

Moderiert wurde das BVMed-Hygieneforum vom Raimund Koch von Paul Hartmann.

Hinweis an die Medien:
Druckfähige Bilder zum Hygieneforum können unter www.bvmed.de/bildergalerien heruntergeladen werden.
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