Medizinproduktegesetz - MPG
BVMed-Herbsttreff: "Positive Ansätze und viele offene Fragen im Koalitionsvertrag"
28.11.2013|94/13|Berlin|
Der Bundesverband Medizintechnologie, BVMed, sieht in den Regelungen des Koalitionsvertrages zum Gesundheitsbereich zahlreiche positive Ansätze, aber auch noch viele offene Fragen. Positiv bewertet der BVMed beispielsweise den neuen "Innovationsfonds" zur Förderung innovativer sektorübergreifender Versorgungsformen und für die Versorgungsforschung. "Der Innovationsfonds sollte auch für innovative Medizintechnologien und Versorgungsstudien genutzt werden", sagte der BVMed-Vorstandsvorsitzende Dr. Meinrad Lugan auf dem gesundheitspolitischen Herbsttreff des Verbandes am 27. November 2013 in Berlin.Viele offene Fragen sieht der BVMed noch bei den Regelungen des Koalitionsvertrages zur Einführung von innovativen Medizintechnologien im Krankenhausbereich. Krankenhäuser, die neue Medizinprodukte hoher Risikoklasse einsetzen, sollen nach dem Koalitionsvertrag verpflichtet werden, sich an Nutzen- und Sicherheitsstudien des G-BA zu beteiligen. Nach Ansicht des BVMed muss geklärt werden, um welche "neuen" Produkte es tatsächlich gehen soll. "Wenn ein Produkt eines Unternehmens schon lange auf dem Markt ist und jetzt mittels einer Schrittinnovation das Nachfolgeprodukt auf den Markt gebracht wird, muss dies anders behandelt werden, als eine völlig neue Behandlungsmethode", so der BVMed. Auch sollte der Bereich der "Hochrisikoprodukte" stark eingeschränkt werden. Außerdem müssten Doppelprüfungen mit dem Medizinprodukte-Zulassungsrecht vermieden werden. Offen sei nach Ansicht des BVMed auch die Frage, welche klinischen Prüfungen nach welcher Methodik in zwei Jahren durchgeführt werden können.
"Der BVMed stellt sich selbstverständlich der Nutzenbewertung. Sie muss sachgerecht sein und bei Medizinprodukten ein differenziertes Vorgehen nach Risikoklasse und Modifikationsgrad ermöglichen. Übertriebene Anforderungen an den Nutzennachweis verwandeln den Weg der Patienten zu modernen Medizintechnologien in einen Hürdenlauf. Das darf nicht passieren", sagte Lugan auf dem BVMed-Herbsttreff.
Der BVMed forderte zudem eine "gemeinsame Qualitätsoffensive von Krankenkassen, Kliniken, Ärzten und Unternehmen, um die Patientenversorgung zu verbessern und Abläufe im Gesundheitssystem zu optimieren". Positiv bewertet der Verband, dass der Koalitionsvertrag an vielen Stellen die Qualität in den Vordergrund rückt. Beispiele sind die ärztliche Zweitmeinung bei planbaren Operationen, der mögliche Verzicht auf Mehrleistungsabschläge, wenn die Operationsqualität hoch ist, Zuschläge für besonders hohe Qualität oder die Qualitätssicherung mit Routinedaten. Wichtig sei hier, dass bestehende Register, wie das Endoprothesenregister, sinnvoll in den Prozess einbezogen werden.
Im Hilfsmittel- und Homecare-Bereich müsse die Versorgungsqualität über Qualitätsstandards im Hilfsmittelverzeichnis verbindlich festgeschrieben und deren Einhaltung von den Krankenkassen kontrolliert werden, so Lugan. Zur Versorgungsqualität gehöre neben dem Produkt auch die Dienstleistung.
Lugans Fazit: "Wir wollen eine qualitativ hochwertige Versorgung für die Patienten sicherstellen. Dafür brauchen wir ein innovationsfreundliches Umfeld mit einer positiven Einstellung zu Innovationen und dem medizinisch-technischen Fortschritt. Damit können wir das Versorgungsniveau aufrecht erhalten und Deutschland als Leitmarkt und Kompetenzzentrum für Gesundheit weiter ausbauen."
Medizinprodukteverordnung: "Behördliche Zulassung verzögert den Patientenzugang und bindet Ressourcen, ohne die Patientensicherheit zu erhöhen"
Als Gastredner des BVMed-Herbsttreffens schilderte Dr. Niels Behrndt, Kabinettschef des für die Medizinprodukteverordnung zuständigen EU-Kommissars Neven Mimica, den aktuellen Stand der Verhandlungen zum neuen Rechtsrahmen für Medizinprodukte. Er betonte, dass die Überarbeitung des Rechtsrahmens vor dem PIP-Brustimplantate-Skandal begonnen habe. "Der PIP-Skandal war ein Betrugsfall, der durch Zulassungsrecht nicht verhindert werden kann", so Behrndt.
Der Fall habe aber die Schwachstellen des bestehenden Systems verdeutlicht. Dazu gehöre zum einen die unterschiedliche Kontrolle der Benannten Stellen in den Mitgliedsstaaten. Deshalb werde es eine verbindliche Verordnung und keine Richtlinien mehr geben. Zum anderen gehe es um eine verbesserte Kontrolle im Markt und bei den Herstellern. Die Benannten Stellen werden zu unangekündigten Kontrollen vor Ort verpflichtet. Bislang war es eine Kann-Bestimmung.
Behrndt betonte auf dem BVMed-Herbsttreff, dass sich die Europäische Kommission sehr bewusst "strikt gegen eine behördliche Marktzulassung" ausspricht. "Wir haben die Vor- und Nachteile genau geprüft. Eine behördliche Zulassung verzögert den Zugang der Patienten zu Innovationen, kostet viel, bindet Ressourcen und bringt nicht mehr Sicherheit für den Patienten", so der Kommissionsexperte.
Zum Zeitplan der Medizinprodukte-Verordnung: Da im Mai 2014 Wahlen zum Europäischen Parlament stattfinden, müssten die Verhandlungen zwischen Rat und Europäischem Parlament bis Ende März 2014 abgeschlossen sein. "Das ist ehrgeizig, lässt sich aber gemeinsam realisieren", so Behrndt.