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Fallstudie 12: Spastik: Rückenmarksnahe Baclofen-Verabreichung (ITB-Therapie)

Zusammenfassung der Fallstudie:
- Krankheitsbild: Spastik
- Allgemeine Behandlung der Spastik
- Eine neue Behandlungsmethode:
die intrathekale (rückenmarksnahe) Baclofenverabreichung
- Testphase und Verabreichung von intrathekalem Baclofen

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Krankheitsbild: Spastik

Die Spastik beruht auf einer Verminderung der hemmenden Mittlersubstanz (GABA) auf sog. GABA–Rezeptoren, die in breiter Form im gesamten Zentralnervensystem zu finden sind. Fehlt diese Substanz, so kommt es zu einer unwillkürlichen und unkontrollierbaren Anspannung peripherer Muskeln, die je nach Lokalisation und Stärke der Erkrankung den ganzen Körper erfassen kann. Spastik ist demnach eine Störung der Nervenleitung im Gehirn oder im Rückenmark durch unterschiedlichste Ursachen. Diese Schädigungen können in den meisten Fällen nicht mehr rückgängig gemacht werden, so dass man die Spastik nur indirekt behandeln kann.

Im täglichen Leben ergeben sich oftmals schwere Auswirkungen durch die Spastik. Hier sind für den Patienten die klinischen Auswirkungen wie verminderter Schlaf, oft sehr starke Schmerzen, massive Einschränkung der Beweglichkeit, oft bis hin zur Bettlägigkeit, schmerzhafte Kontrakturen sowie Darm- und Blasenfunktionsstörungen zu nennen. Bei der täglichen Pflege können einfache Dinge wie Ankleiden, Essen, Toilette, Baden, Bewegungsübungen, Intimpflege sowie Krankenpflege nur unzureichend oder gar nicht durchgeführt werden. Rehabilitationsziele können oft nur in geringem Maße oder unzureichend verwirklicht werden. Für die betreuenden Personen (Familie, Krankenschwestern, Physiotherapeuten usw.) kommt es zu massiven pflegerischen, finanziellen und zeitlichen Belastungen und Einschränkungen. Die Belastungen für die Kostenträger durch aufwändige Pflege, orthopädische Eingriffe und häufige Hospitalisierung sind enorm.

Allgemeine Behandlung der Spastik

Die Behandlung erstreckt sich über verschiedene und zusammen- hängende Stufen. In erster Linie sind hier die Krankengymnastik und physiotherapeutische Behandlungen zu nennen. Die nächste Stufe der Behandlung ist die Therapie mit oralen "antispastischen" Medikamenten wie z. B. Baclofen.

Eine neue Behandlungsmethode:
Die intrathekale (rückenmarksnahe) Baclofenverabreichung


Wenn diese Therapieverfahren nicht ausreichen oder es zu starken Nebenwirkungen der oralen Medikamente kommt, kann man mit intrathekal (rückenmarksnah) verabreichtem Baclofen einen weiteren Therapieschritt einleiten. Die intrathekale Baclofenverabreichung mittels vollimplantierbarer Medikamentenpumpen hat sich in den letzten Jahren zu einer höchst effektiven und vergleichsweise risikoarmen Behandlung schwerer spastischer Zustände bei Multipler Sklerose, Schädel-Hirn-Trauma, Querschnittssyndromen und kindlicher Zerebralparese (ZP) herausgebildet.

Darüber hinaus gibt es zusätzliche Behandlungsmöglichkeiten wie Bolinumtoxinbehandlungen bei foklaler Spastik, redresierende Gipse und orthopädische Eingriffe. Welche Behandlungen zu welchem Zeitpunkt angewandt werden, wird von Fall zu Fall interdisziplinär entschieden. Immer häufiger wird die intrathekale Baclofentherapie auch schon wenige Wochen nach dem Trauma z. B. bei Schädelhintrauma eingesetzt.

Testphase und Verabreichung von intrathekalem Baclofen

Baclofen wird rückenmarksnah durch ein Katheter-Pumpensystem appliziert. Dies wird in zwei aufeinanderfolgenden Phasen durchgeführt.

Phase1: Hierbei wird durch mehrmalige Bolusinjektionen ein Ansprechen auf das Baclofen getestet. Zur Sicherheit wird ab 100 µg ein temporärer Katheter angelegt und mittels externer Pumpe wird die nötige Dosis durch minimale Steigerungen bestimmt.

Phase 2: Bei erfolgreicher Testung wird ein kleiner chirurgischer Eingriff notwendig. Dabei wird intrathekal ein Katheter und eine Pumpe im Bauchraum implantiert

Die Nachfüllung mit dem Medikament wird über eine dünne Nadel, die durch die Haut in die Pumpe gestochen wird, vorgenommen. Das Auffüllintervall kann im Bereich von Wochen bis Monaten liegen. Durch eine elektronische Pumpe ist es möglich, die tägliche Dosis individuell anzupassen. Dabei stehen unterschiedliche Infusionsmodi zur Verfügung, um z. B. einen Tag- Nacht-Rhythmus einzustellen.

Die ITB-Therapie kann vielen Menschen ein erhebliches Maß an Lebensqualität zurückgeben. Jedoch muss klar sein, dass diese Therapieform keine Heilung der Patienten ermöglicht. Daher ist es wichtig, dass Arzt, Patient und Angehörige klare und nicht überzogene Therapieziele festlegen, um ein Maximum an Zufriedenheit und Erleichterung für die Zukunft des Patienten zu erreichen.

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