Homecare

Homecare-Kongress: Mehr Wertschätzung für die Homecare-Leistungen in der Patientenversorgung

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Gesundheitspolitiker:innen von SPD, CDU und FDP haben auf dem Homecare-Kongress der BVMed-Akademie, der am 30. November und 1. Dezember stattfand, die Bedeutung einer qualitativen und innovativen Hilfsmittel-Versorgung betont. Martina Stamm-Fibich von der SPD setzt sich dabei vor allem für mehr Transparenz im Vertragsgeschehen der Krankenkassen ein, um die Qualität in der Hilfsmittelversorgung zu erhöhen. Dietrich Monstadt von der CDU nannte Homecare einen entscheidenden Faktor in einer älter werdenden Gesellschaft, in der die Menschen möglichst lange in der Häuslichkeit verbleiben möchten. Der FDP-Abgeordnete Prof. Dr. Andrew Ullmann ist überzeugt, dass sich durch mehr Qualität in der Versorgung mit Hilfsmitteln und bessere Vernetzung der Akteure auch Kosten sparen können.

Das Gesundheitssystem steht durch den technischen Fortschritt und die demografische Entwicklung vor einem großen Strukturwandel. Daraus folgt, dass die ambulante Versorgung gestärkt werden muss, so die Expert:innen des BVMed-Kongresses: Durch bessere Vernetzung, mehr Transparenz und einen Fokus auf das Therapieziel und der Qualität der Versorgung. Wichtig sei eine bessere Koordinierung der komplexen Prozesse der Versorgung in der Häuslichkeit, so BVMed-Vorstand Frank Lucaßen von Fresenius Kabi. Homecare-Unternehmen könnten bei dieser Koordination eine wichtige Rolle spielen: „Was wir an Dienstleistungen am Patienten mit spezialisierten Pflegekräften erbringen, wird leider völlig unterschätzt“, so Lucaßen. Die Wertigkeit der Hersteller- und Homecare-Services müsse besser dargestellt und im System auch finanziert werden, sagten Dr. Alexander Moscho von der GHD und Ulrich Zihla von Hartmann. „Was Homecare leistet, geht weit über die Produktlieferung hinaus. Es geht um Dienstleistungen am Patienten durch qualifizierte Pflegekräfte“, so die Branchenexperten, die mehr Wertschätzung für die Leistungen der Homecare-Unternehmen und Hilfsmittel-Leistungserbringung in der ambulanten Versorgung forderten.


Die SPD-Bundestagsabgeordnete Martina Stamm-Fibich hofft auf „frischen Wind in der Gesundheitspolitik“ durch die Ampelkoalition und den neuen Koalitionsvertrag: „Wir müssen Sektorengrenzen Stück für Stück abtragen, beispielsweise durch die Hybrid-DRGs und eine gemeinsame sektorübergreifende Planung“, sagte sie zu Beginn der gesundheitspolitischen Diskussionsrunde. Zudem müssten telemedizinische Leistungen, Videosprechstunden oder Telekonsile auch in der Hilfsmittel-Versorgung Standard werden. Insgesamt wolle die neue Regierung die Versorgung mehr an den Bedürfnissen der Patient:innen ausrichten. Stamm-Fibich: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Hilfsmittel-Versorgung eine noch größere Rolle im Koalitionsvertrag spielt. Diese Lücke müssen wir füllen, dafür setze ich mich ein.“ So wolle sie unter anderem eine noch größere Transparenz über das Vertragsgeschehen der Krankenkassen erreichen, „dann können wir auch die Qualität der Hilfsmittel-Versorgung verbessern.“

Der CDU-Abgeordnete Dietrich Monstadt bescheinigte der Medizinprodukte-Branche, „in der Pandemie Großartiges geleistet“ zu haben. Es liege nun an der Politik, die Rahmenbedingungen zu verbessern, Abhängigkeiten bei versorgungskritischen Produkten zu verringern und Produktionskapazitäten in Europa aufzubauen. Der Koalitionsvertrag sei hier in vielen Punkten naturgemäß noch unkonkret, „das muss erst mit Leben gefüllt werden“, so Monstadt. Für die notwendige Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen müsse man zudem über die Einführung eines koordinierten Therapiemanagements nachdenken. Des Weiteren sprach er sich für eine Stärkung und Weiterentwicklung von Homecare-Leistungen aus. „Wir alle wollen möglichst lange gesund und selbständig bleiben. Die Versorgung in der Häuslichkeit bekommt immer mehr Bedeutung. Homecare kann hier ein entscheidender Faktor sein, der aber bislang zu wenig berücksichtigt wurde“, so der CDU-Medizinprodukteexperte.

Für Prof. Dr. Andrew Ullmann von der FDP-Bundestagsfraktion ist die Sicherstellung des Forschungsstandorts Deutschland von großer Bedeutung. Innovationen sollten seiner Meinung nach schneller bei Betroffenen ankommen. Das gelte auch für die Hilfsmittel-Versorgung. Aktuell gebe es bei den Anbietern und Hilfsmittel-Leistungserbringern Probleme mit Lieferketten, hohen Rohstoffpreisen und steigenden Logistikkosten. „Wenn es konkrete Probleme gibt, müssen wir analog zum Pharma-Dialog alle Beteiligten an einen Tisch holen und Lösungen erarbeiten“, so Ullmanns Vorschlag. Ihm sei als Arzt zudem wichtig, dass mehr auf die Qualität der Versorgung geschaut wird: „Durch bessere Qualität der Versorgung können wir Kosten einsparen. Wir müssen Ineffizienzen angehen, den Grundsatz ambulant vor stationär leben, Bürokratie abbauen und Digitalisierung konsequent nutzen. Dann können hier auch Einsparungspotenziale realisiert werden“, so Ullmann.

Die Rolle der Kliniken in der ambulantisierten Versorgung beleuchtete Dr. Roland Laufer von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Ziel sei, Krankenhaus-Standorte als integrierte Dienstleistungszentren zu planen und stärker in die ambulante Versorgung einzubinden. „Die Krankenhausplanung muss zur sektorenübergreifenden Versorgungsplanung werden“, forderte Laufer. Wichtig sei es, die Vorhaltekosten-Problematik im Fallpauschalensystem zu lösen. Positiv bewertet der DKG-Experte den Passus im Koalitionsvertrag, dass „multiprofessionelle, integrierte Gesundheits- und Notfallzentren“ ausgebaut werden sollen. Damit soll „eine wohnortnahe, bedarfsgerechte, ambulante und kurzstationäre Versorgung“ gesichert werden. Diese Strukturen müssten dann aber auch ausreichend finanziert werden. Laufers Fazit: „Wir müssen jetzt geeignete Rahmenbedingungen für ambulante Leistungen am Krankenhaus schaffen und eine langfristige sektorenübergreifende Planung aus einer Hand ermöglichen. Die Notfallversorgung muss rasch weiterentwickelt und die Vorhaltungsleistungen der Kliniken finanziert werden.“

Dr. Bernhard Gibis von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) stellte die großen Veränderungsfaktoren aus Sicht der Ärzteschaft dar. Dazu gehören der technische Fortschritt, der zu einer weiteren Ambulantisierung führt, aber auch der demografische Wandel sowie veränderte Erwartungen und Ansprüche auch der jungen Ärzt:innen. „Diese Veränderungsfaktoren bewirken eine kontinuierliche Neuausrichtung. Die Zukunft der Versorgung ist ambulant“, so Gibis. Das erfordert vor allem teamorientierte, interprofessionelle Ansätze, somit eine stärkere Koordination der Versorgung und dabei die Nutzung von Digitalisierung bzw. Telemedizin, um beispielsweise auf Versorgungsveränderungen in ländlichen Gebieten und Gebieten mit schwieriger Sozialstruktur reagieren zu können. Insgesamt steht die Gesundheitsversorgung in Deutschland vor einem erheblichen Strukturwandel: Mit einem Trend zu größeren Einheiten, dem traditionellen Klinikmodell im Umbruch, der Auflösung der bisherigen sektoraler Gliederung sowie einer erweiterten ambulanten Versorgung.

Frank Lucaßen, Geschäftsführer von Fresenius Kabi und Mitglied des BVMed-Vorstands, stellte Ansätze für eine zukunftssichere ambulante Versorgung vor. Die starren Sektorengrenzen mit verschiedenen Zuständigkeiten seien noch immer die größte Herausforderung für den Weg der Patient:innen durch das System. Dabei gebe es mittlerweile die geeigneten technische Möglichkeiten und auch spezialisierte Fachkräfte, um die Prozesse besser zu vernetzen. Lucaßen: „Wir brauchen eine strukturierte Koordinierung der komplexen Prozesse. Dafür ist Homecare mit seinem ambulanten Therapiemanagement sehr geeignet. Wir brauchen eine bessere Vernetzung, mehr Transparenz und eine Optimierung der Versorgung.“ In der Koordination liege die Chance. Eine bessere Vernetzung und die Unterstützung durch digitale Tools seien die Voraussetzung für eine zukunftsrobuste Gesundheitsversorgung. Er zog dabei eine Analogie zu den Leistungen des ADAC im Automobilbereich. „Die Zukunft könnte ein Gesundheits-ADAC sein.“ Hierfür brauche es jedoch die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Boris von Maydell, Abteilungsleiter Ambulante Versorgung des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), präsentierte die Perspektive der vdek. Das Gesundheitssystem stehe in den nächsten Jahren vor enormen Herausforderungen bei steigenden Kosten, verminderten Einnahmen und einem großen Strukturwandel. Im Hilfsmittelbereich sollte der starke Fokus auf das Produkt mehr in Richtung Dienstleistung gerichtet werden. Hieraus könne sich auch eine neue Rolle der Sanitätshäuser ergeben. Maydell sprach sich für eine Überprüfung der administrativen Prozesse und für eine moderne Beratung der Versicherten aus. Als Beispiel nannte er Videoberatungen bei hierfür geeigneten Hilfsmittelversorgungen oder Hörgeräte-Einstellungen per Remote-Verbindung. „Wir brauchen eine individuelle Versorgung der Versicherten in Absprache mit dem Hausarzt oder –ärztin und dem Pflegedienst“, so der vdek-Experte. Im Hilfsmittelbereich sei es zudem erforderlich, alle administrativen Prozesse zu digitalisieren: von der elektronischen Verordnung über digitale Formulare bis hin zur bereits etablierten elektronischen Abrechnung.

In der Diskussionsrunde „Homecare-Versorger und Hersteller im Dialog“, wies Ulrich Zihla, Geschäftsführer Hartmann Deutschland, darauf hin, dass die Branche den Mehrwert ihrer Produkte und Dienstleistungen noch besser darstellen müsse. Es geht um Wertigkeit und Differenzierung der Produkte und Services. Im Fokus der Unternehmen müsse stehen, Innovationen zu entwickeln und effiziente Lösungen anzubieten, „die Patientinnen und Patienten sowie Leistungserbringern wirklich einen Vorteil bringen“. Dr. Alexander Moscho, COO bei der GHD, plädierte dafür, eine neue Form der Zusammenarbeit zu finden und sektorenübergreifende Konzepte zu entwickeln – „ausgerichtet an den Bedürfnissen der Betroffenen“. Jede:r Partner:in müsse dann qualifiziert sein, um seine spezifischen Aufgaben zu erfüllen. „Dafür braucht man mehr Transparenz, um die Ansätze zu evaluieren.“ Aufgrund des zunehmenden Mangels an Pflegekräften stünden die Homecare-Unternehmen mit ihrem qualifizierten und spezialisierten Pflegepersonal in der besonderen Verantwortung, Lösungen anzubieten.

Moderiert wurde der Homecare Management-Kongress von Jessica Hanneken von BFS health finance.

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Der BVMed vertritt als Wirtschaftsverband rund 230 Hersteller und Zulieferer der Medizintechnik-Branche sowie Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Versorger. Die Medizinprodukteindustrie beschäftigt in Deutschland über 235.000 Menschen und investiert rund 9 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Der Gesamtumsatz der Branche liegt bei über 34 Milliarden Euro, die Exportquote bei 66 Prozent. Dabei sind 93 Prozent der MedTech-Unternehmen KMUs. Der BVMed ist die Stimme der deutschen MedTech-Industrie und vor allem des MedTech-Mittelstandes.
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