DKOU 2014

Der Gelenkersatz in Deutschland wird immer sicherer

Fortschritte durch Anwendungsstandards und Qualitätssysteme

Der Gelenkersatz ist eine der erfolgreichsten chirurgischen Errungenschaften der Nachkriegszeit. Er hält Menschen bis ins hohe Alter mobil, verbessert nach aktuellen Studien ihren allgemeinen Gesundheitszustand und bereichert so die Lebensqualität einer zunehmend alternden Bevölkerung. Während in den ersten Jahrzehnten der Endoprothetik Neuerungen der Technik und Technologien den Fortschritt bestimmten, werden weitere Verbesserungen heute durch Anwendungsstandards sowie den Aufbau von Endoprothetikzentren und Registern erzielt. Dadurch lässt sich bei der Anwendung von bewährten Prothesenmodellen die Patientensicherheit weiter erhöhen. Das erläuterten Orthopäden und Unfallchirurgen auf dem Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) Ende Oktober 2014 in Berlin.

Ein neues Gelenk verbessert die Lebensqualität der Betroffenen erheblich: Über 90 Prozent aller Implantate halten länger als 15 Jahre. So sank in den vergangenen 20 Jahren die Rate der Prothesenwechsel am Hüftgelenk um die Hälfte.

Inwieweit der ohnehin schon hohe Standard in der Endoprothetik durch neue Modelle verbessert werden kann, ist umstritten. Endoprothesenregister, wie zum Beispiel das australische Register, belegen in den letzten zehn Jahren keine klaren Verbesserungen durch Neuentwicklungen. Solche Daten müssen allerdings sorgfältig interpretiert werden: Ob Probleme mit einer Gelenkprothese von einem Anwendungsfehler oder von einem Produktmangel kommen, lässt sich nicht immer leicht unterscheiden. „Das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD), eine Initiative der Fachgesellschaft, ist daher der richtige Weg, technische Innovationen in Zukunft systematisch zu beobachten und zu bewerten“, erläutert Professor Dr. med. Henning Windhagen, Kongresspräsident des DKOU 2014. Das EPRD hat mittlerweile seine Arbeit aufgenommen
und wird entsprechende Daten in Zukunft präsentieren. „Die Erfahrungen aus dem Endoprothesenregister Deutschland werden zeigen, wie wirkungsvoll die schrittweise und gesicherte Einführung von Innovationen in geschulten Zentren für die Patienten ist“, ergänzt Windhagen.

Fortschritte in der Endprothetik lassen sich heute vor allem durch verbesserte Struktur-und Prozessqualität erzielen, wie sie beispielsweise in den zertifizierten Endoprothetikzentren EndoCert, ebenfalls eine Initiative der Fachgesellschaft, umgesetzt wird. Die seit 2010 existierenden Zentren sind ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung der Endoprothetik. Aktuell streben mehr als 450 Kliniken dieses Zertifikat an, 180 haben die Hürde bereits genommen. Durch verbesserte Prozess-und Strukturqualität lassen sich unter anderem Gelenkinfektionen reduzieren. „Kam es noch 2011 bei rund 2,25 Prozent der Patienten nach einer Hüftgelenksoperation zu einer Infektion, waren es 2013 bereits unter einem Prozent“, so Henning Windhagen, Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover im Annastift. Auch in der Knie-Endoprothetik hat sich die Infektionsrate von 1,5 Prozent auf etwa 0,8 Prozent reduziert. „Mittlerweile ist das Ausland auf die deutschen Zentren aufmerksam geworden und informiert sich umfassend über EndoCert“, freut sich Windhagen.

Gerade auf dem Gebiet der gefürchteten Gelenkinfektionen macht die Wissenschaft zusätzliche Fortschritte. „Um das Leid der Patienten zu reduzieren, die Implantation weiter sicherer zu machen und damit auch hohe Folgekosten für das Gesundheitssystem zu verhindern, verbessern wir stetig Prophylaxe, Diagnostik und Therapie“, erläutert Professor Dr. med. Heiko Reichel, Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik am RKU Ulm. Forscher arbeiten an neuen Testverfahren, um Keime auf Gewebeproben frühzeitig nachzuweisen: Erfolgversprechend sind beispielsweise Schnelltests mittels Leukozyten-
Esterase-Teststreifen, die Untersuchung entfernter Prothesenteile oder Biomarker aus dem Blut. „Ein präoperatives Screening auf Problemkeime ermöglicht es, mit geeigneten Antibiotika gezielt vorbeugen zu können“, so Reichel. Diese Untersuchung gehöre derzeit zwar noch nicht zum standardisierten Ablauf. „An geeigneten Screening-Maßnahmen sowie an antibakteriellen und wundheilungsfördernden Implantat-Oberflächen forschen wir derzeit jedoch sehr intensiv.“ Zusammen mit Mikrobiologen erarbeiten Orthopäden und Unfallchirurgen derzeit individualisierte Behandlungskonzepte, die die Antibiotikatherapie und das optimale Timing für den Wiedereinbau des Gelenkes in den Fokus stellen.

Quelle: Pressemitteilung DKOU vom 31. Oktober 2014 - Direktlink zum pdf

Informationsfilm zur Sicherheit in der Endoprothetik:
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